Trotz steigender InfektionszahlenPolizei zerrt Veranstalter von Bühne und wird ausgebuht – Mega-Kundgebung in Berlin aufgelöst

1. August 2020 Aus Von mvp-web
Sie selbst sehen sich als mündige Bürger und halten Corona für Propaganda. Gegner sprechen von “Covidioten”. Der Protest gegen die staatlichen Auflagen lockt Tausende in Berlins Mitte. Bis die Polizei einschreitet.

Demonstration gegen Corona-Beschränkungen

Bei der Auflösung der Kundgebung von Gegnern staatlicher Corona-Auflagen in Berlin hat die Polizei die Veranstaltungsbühne besetzt. Mehrere Vertreter der Veranstalter wurden unter Protestrufen von Kundgebungsteilnehmern von der Bühne geholt. Als sich eine Person dagegen wehrte, gingen die Beamten mit Körpereinsatz vor.

Zuvor hatte die Polizei die zunächst etwa 20.000 Teilnehmer der Kundgebung mehrfach aufgefordert, den Bereich auf der Straße des 17. Juni zu räumen. Nach anfänglichen Bitten wies ein Polizeisprecher darauf hin, dass die Demonstranten nun Ordnungswidrigkeiten begingen. Das wurde stets von Buh- und Protestrufen begleitet.

Polizei muss einzelne Corona-Demonstranten wegtragen

Es harrten immer noch zahlreiche Menschen vor dem Brandenburger Tor aus, die sich weigerten zu gehen, sagte ein Polizeisprecher der Nachrichtenagentur AFP. Er sprach von einer Zahl im unteren vierstelligen Bereich. Der Einsatz werde sicher noch eine Weile dauern.

Dunja Hayali massiv bedrängt und beschimpft

Auch Journalisten wurden von Demonstranten immer wieder beleidigt und verhöhnt. In einem Live-Stream der ZDF-Reporterin und Moderatorin Dunja Hayali auf Instagram kam es immer wieder zu Szenen, in denen die Journalistin verbal angegangen wurde. Laut “Bild”-Zeitung sei sie beim Dreh auch als “Schlampe” und “Lügnerin” beschimpft worden. Nichtsdestotrotz suchte Hayali immer wieder das Gespräch mit einzelnen Demonstranten.

Bizarr: Veranstalter hatten zunächst 500.000 Teilnehmer angekündigt und für die Demonstration 10.000 angemeldet. Am Nachmittag wurde auf der Kundgebungsbühne erst von 800.000, dann von 1,3 Millionen Menschen gesprochen, die vor Ort seien. Belege für diese abstrusen Zahlen blieben aus.

Tausende versammelten sich vor dem Reichstag

Viele Teilnehmer wanderten dennoch ab oder verteilten sich auf den Wiesen des angrenzenden Tierparks. Etwa 3000 versammelten zwischenzeitlich sich vor dem nahen Reichstag. Vor der Bühne der Kundgebung hielt sich zunächst noch ein harter Kern der Teilnehmer.

Die Polizei hatte die Kundgebung beendet, weil die Veranstalter nicht in der Lage gewesen seien, die Hygienemaßnahmen einzuhalten. Dies war auch bei der Demonstration zuvor der Fall. “Aufgrund der Nichteinhaltung der Hygieneregeln wurde eine Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung gefertigt”, twitterte die Polizei. Die Veranstalter erklärten die Demonstration anschließend für beendet.

Spahn: “Demonstrationen müssen auch in Corona-Zeiten möglich sein. Aber nicht so”

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn übte harsche Kritik am Berliner Protestzug. “Ja, Demonstrationen müssen auch in Corona-Zeiten möglich sein. Aber nicht so”, schrieb der CDU-Politiker am späten Samstagnachmittag auf Twitter. Die Pandemie sei nur “mit Vernunft, Ausdauer und Teamgeist” zu meistern. “Je verantwortlicher wir alle im Alltag miteinander umgehen, desto mehr Normalität ist trotz Corona möglich”, betonte Spahn.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schrieb auf Twitter: “Tausende Covidioten feiern sich in Berlin als “die zweite Welle”, ohne Abstand, ohne Maske.” Gefährdet würden damit auch Erfolge im Kampf gegen die Pandemie wie die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Der italienische EU-Kommissar Paolo Gentiloni twitterte, eine solche Idee von Freiheit sei nicht zum Lachen. “Das ist beängstigend.”

Schon zu Beginn 10.000 Teilnehmer vor Ort

Auf dem Boulevard Unter den Linden standen die Demonstranten zunächst dicht gedrängt. Ein Polizeisprecher sagte der Nachrichtenagentur AFP, bereits zum Auftakt des Protestmarschs seien etwa 10.000 Teilnehmer gezählt worden. Diese Zahl war eigentlich erst für die Abschlusskundgebung am Nachmittag angemeldet worden. Am Nachmittag sprach die Polizei dann von 17.000 Teilnehmern. Auf Abstandsregeln wurde dabei weitgehend nicht geachtet.

Die Polizei Berlin teilte am Mittag via Twitter mit: “Nachdem der Versammlungsleiter die Teilnehmenden auf ausreichende Abstände & das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung hingewiesen hat, werden unsere Kolleg. auf die Einhaltung dieser Auflagen achten.”

Am Nachmittag wurde laut Polizei dann gegen den Versammlungsleiter eine Strafanzeige gefertigt wegen der “Nichteinhaltung der Hygieneregeln”. Zudem versuche man, den Aufzug zu entzerren und prüfe “weitere Maßnahmen”. Gegen 14.30 Uhr teilte die Polizei dann mit, dass die Demo durch den Veranstalter vorzeitig beendet wurde.

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Absurde Parolen: „Wir sind die zweite Welle“.

Auf der Demo waren Ortsschilder und Fahnen verschiedener Bundesländer zu sehen. Ihrem Unmut über die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus machten die Menschen mit Trillerpfeifen und Rufen nach „Freiheit“ oder „Widerstand“ Luft. Auch Parolen wie „Die größte Verschwörungstheorie ist die Corona-Pandemie“ waren zu hören.Wie der „Tagesspiegel“ berichtet, lautet eine weitere Parole: „Wir sind die zweite Welle“. Wieder andere halten demnach Plakate mit den Worten „Wehret den Anfängen“, und „keine Impfpflicht“. Immer wieder wird von Impfgegner das Gerücht gestreut, die Bundesregierung plane bei Corona eine Impfpflicht. Diese Spekulationen hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mehrfach zurückgewiesen.

Auch Menschen mit Reichskriegsflagge vor Ort

Für die anschließende Kundgebung waren laut Polizei rund 10.000 Teilnehmer angemeldet. Das Motto der Demonstration lautete „Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit“. Den Titel „Tag der Freiheit“ trägt auch ein Propagandafilm der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl über den Parteitag der NSDAP 1935. Auf Fotos, die über den Kurznachrichtendienst Twitter geteilt wurden, sind auch Menschen zu sehen, die offenbar mit der Reichskriegsflagge zu der Demonstration unterwegs sind.

Auf Twitter äußern viele Menschen ihr Unverständnis angesichts der Ignoranz der Demonstranten. “Ihr seid nicht die 2. Welle. Ihr seid die Pest”, schreibt ein User. Ein anderer meint: “Ich persönlich finde die Verschwörungsdemo in Berlin einfach nur lächerlich und dumm, da sie gegen die Maßnahmen und für die “Freiheit” demonstrieren, aber durch Missachtung der Abstand und Masken Regeln dazu beitragen, dass die Maßnahmen noch länger andauern.”

“Tausende #Covidioten feiern sich in Berlin”

Unverständnis für die Demo gab es auch von politischer Seite. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schrieb auf Twitter: “Tausende #Covidioten feiern sich in #Berlin als “die zweite Welle”, ohne Abstand, ohne Maske. Sie gefährden damit nicht nur unsere Gesundheit, sie gefährden unsere Erfolge gegen die Pandemie und für die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft. Unverantwortlich!” Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann schrieb auf Twitter: “Wieder 1000 Neuinfektionen/Tag und in Berlin wird gegen Coronaauflagen demonstriert? Diesen gefährlichen Blödsinn können wir uns nicht mehr leisten.”

Aber auch das mangelnde Eingreifen der Polizei wurde kritisiert. Ein User fragt: “Mir erschließt sich nicht, wieso die #b0108 Demo nicht aufgelöst wird. Haben die keine MNS-Auflage und Abstands-Auflage?”

Mehrere Gegendemonstrationen

Organisiert wurde die Demonstration von der Stuttgarter Initiative“ Querdenken 711“. Nach Angaben von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) riefen auch verschiedene Neonazi-Organisationen zur Teilnahme auf.

Zudem sollen mehrere Gegendemonstrationen stattfinden, unter anderem wurde eine Veranstaltung “Kein Fußbreit den Verschwörungstheoretikern” mit 500 Menschen angemeldet. Insgesamt werden am Wochenende in Berlin bei dutzenden Veranstaltungen etwa 22.000 Demonstranten erwartet, die Polizei ist mit mehr als tausend Beamten im Einsatz.

Eine ebenfalls für Samstag angemeldete Veranstaltung des Verschwörungstheoretikers Attila Hildmann war im Vorfeld unter anderem wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung untersagt worden. Es war das zweite Verbot einer Hildmann-Kundgebung in Folge.

Samstag, 01.08.2020, 23:27