Das Laschet-Dilemma: Ein 20-Prozent-Kanzler ist in der Union (eigentlich) nicht vorgesehen

Das Laschet-Dilemma: Ein 20-Prozent-Kanzler ist in der Union (eigentlich) nicht vorgesehen

9. September 2021 Aus Von mvp-web

Armin Laschet steuert mit der Union auf ein historisch schlechtes Bundestagswahlergebnis zu. Kanzler kann er dennoch werden. Allerdings: Ein 20-Prozent-Kanzler ist in der Union eigentlich überhaupt nicht vorgesehen.

Das Plakat für den Kanzlerkandidaten ist bärenstark. „Kanzler für Deutschland“, steht in großen Lettern auf dem raumgreifenden Konterfei des Kandidaten. Der wird am Ende der Bundestagswahl mit Abstand die meisten Stimmen bekommen.

Um dann doch nicht Bundeskanzler zu werden.

Denn Regierungschef wird nicht Helmut Kohl, der mit diesem Kanzler-Plakat im Herbst 1976 in die letzte Runde des Bundestagswahlkampfs ging. Sondern Helmut Schmidt. Und zwar, weil Kurt Georg Kiesinger schon 1969 recht hatte, aber kein recht bekam.

„Auf den Kanzler kommt es an“, hatte der amtierende Regierungschef 1969 auf seine Plakate schreiben lassen. Das fanden auch die Wähler. Und ermöglichten die Kanzlerschaft: Willy Brandt.

Auf den Kanzler kommt es vielleicht an. Aber erst dann, wenn er im Bundestag vereidigt ist. Wer am Wahlabend die meisten Stimmen bekommen hat, ist noch lange nicht Kanzler. Diese Erfahrung machte schon Helmut Kohl und vor ihm Kurt Georg Kiesinger.

Fangen wir unsere Geschichte also noch einmal vor vorne an.

Selbst wenn Scholz 27 Prozent holt, könnte er bald Geschichte sein

Das Plakat für den Kanzlerkandidaten ist bärenstark. „Kanzler für Deutschland“, steht in großen Lettern auf dem raumgreifenden Konterfei des Kandidaten. Der wird am Ende der Bundestagswahl mit Abstand die meisten Stimmen bekommen.

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Aber selbst, wenn Olaf Scholz die meisten Stimmen holt, aktuell wären es 25 bis 27 Prozent, könnte er am Ende nicht nur kein Kanzler werden, sondern: Geschichte.

Und Armin Laschet könnte auch als zweiter im Dreier-Rennen Bundeskanzler werden, auch noch mit 20 Prozent der Stimmen. Er muss nur vor Annalena Baerbock liegen, nicht aber vor Olaf Scholz. Laschets Kanzlerambition endet nur in einem Fall auf jeden Fall: Wenn Baerbock besser abschneidet als er. Denn:

Entscheidend ist nicht, wer bei einer Wahl vorne liegt. Vielmehr: Entscheidend ist, wer in seiner Koalition vorne liegt.

Wenn in einer Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und Liberalen die Grünen vorne sind, wird Baerbock Jamaika-Häuptling:in. Liegt in derselbe Koalition der CDU-Kandidat vorn, heißt der Jamaika-Häuptling Laschet. (Und müsste auch nicht gegendert werden.)

Für die Union wäre Laschet mit diesem Ergebnis auch als Kanzler eine ziemliche Zumutung

Für die Union bedeutet das eine ziemliche Zumutung. Einen Kandidaten, der das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten für die Union einfährt, den würde sie unter normalen Bedingungen hinauswerfen. Aber normal sind die Bedingungen dieses Mal nun gerade nicht.

Mit 20 Prozent der Wählerstimmen auf seinem Konto müsste Armin Laschet eigentlich sofort zurücktreten. Das würde auch seine Partei erwarten (um von den Erwartungen der CSU gar nicht erst zu reden). Ein 20-Prozent-Kanzler kommt im Selbstverständnis der Union eigentlich nicht vor.

Nun sollte allerdings jemand, der noch Kanzler werden kann, besser nicht zurücktreten. Oder?

Das schlechteste CDU/CSU-Ergebnis aller Zeiten lautet: 31 Prozent. Dafür verantwortlich war damals ein Rheinländer. Der wurde anschließend drei Mal wiedergewählt und war am Ende 14 Jahre Deutschlands Bundeskanzler: Konrad Adenauer.

Konrad Adenauer ist damit der Bundeskanzler, der für die Union sowohl das schlechteste, als auch das beste Wahlergebnis einfuhr. Und obendrein der einzige Kanzler(anwärter), der es in der Geschichte der Bundesrepublik bei einer Wahl auf mehr als 50 Prozent der Stimmen brachte (1957: 50,2 Prozent).

Schon unter Adenauer zeigte sich, dass vor allem die Koalitionsfähigkeit zählt

Schon bei der Bundestagswahl 1949 war nicht entscheidend, dass Adenauer – ganze zwei Prozent – besser abschnitt als Kurt Schumacher und dessen SPD, sondern: Dass Adenauer mit der FDP und der DP eine Koalition bilden konnte, die im Bundestag eine Mehrheit der Stimmen aufbringen konnte.

Die DP lehnte übrigens nicht nur jeden Sozialismus strikt ab, sondern war auch klar gegen jede Entnazifizierung. Das störte Adenauer, der unbedingt Kanzler werden wollte, wenig. Und einen Abgrenzungsbeschluss zu Rechtsradikalen existierte damals noch nicht, obwohl (oder weil) die NS-Zeit gerade einmal vier Jahre vorbei war.

Die Verfassung Deutschlands lässt übrigens, was den Bundeskanzler angeht, so einiges zu. Nicht nur, dass nicht zwingend der Kanzler wird, der bei Wahlen die meisten Stimmen holt. Es kann auch Kanzler werden, wer nicht dem Parlament angehört. Ein Doppel-Schicksal, dass Armin Laschet tatsächlich widerfahren könnte.

Wer Bundeskanzler werden will, braucht die Mehrheit der Mehrheit der Abgeordneten im Parlament. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. So steht es in Artikel 63, Absatz Eins und Zwei des Grundgesetzes.

Was das im aktuellen Fall – scheinabsurd – heißen könnte, dafür ein Beispiel: In einer Jamaika-Koalition, die von der CDU/CSU geführt wird, könnte auch Robert Habeck von den Grünen Inhaber der Richtlienkompetenz werden. Annalena Baerbock müsste nicht einmal damit einverstanden sein.

Die Verfassung ließe auch noch jemanden anders zu.

Markus Söder.