Drosten: Man wird sich auch im Sommer mit Omikron anstecken können

Drosten: Man wird sich auch im Sommer mit Omikron anstecken können

1. März 2022 Aus Von ...Linda Gerke
Stand: 01.03.2022 17:47 Uhr

Der Virologe Christian Drosten erklärt im Coronavirus-Update von NDR Info, warum FFP2-Masken das Mittel der Wahl bleiben sollten und weshalb die Podcast-Folgen mit ihm und Sandra Ciesek Ende März enden werden.

von Ines Bellinger

Der Frühling naht und die Infektionszahlen in Deutschland sinken – langsam zwar und noch auf hohem Niveau, aber die Entwicklung des Pandemie-Geschehens macht Hoffnung auf einen relativ entspannten Sommer. Wird es wieder so laufen wie 2021? „Letztes Jahr ging mit den warmen Temperaturen die Inzidenz sehr schnell runter“, sagt Drosten. „Aber wir werden mit dem derzeitigen Impffortschritt kaum vorankommen und haben eine erhebliche Infektionstätigkeit von Omikron. Deshalb gehe ich davon aus, dass es keinen infektionsfreien Sommer geben wird.“

FFP2-Maske auf längere Sicht am effizientesten

Dafür gebe es sowohl mathematische Begründungen (Modellierungen) als auch realitätsbezogene aus anderen Ländern. In Südafrika ging die Omikron-Welle beispielsweise mitten im Hochsommer steil nach oben, trotz der hohen Temperaturen. „“Ich glaube nicht, dass wir bei uns eine ungebändigte Welle im Sommer sehen. Aber man wird sich auch im Sommer mit diesem Omikron-Virus anstecken können.“ Der Rat des Leiters der Virologie an der Berliner Charité: die Maskenpflicht in Innenräumen beibehalten. „Das Tragen einer FFP2-Maske in Innenräumen ist auf längere Sicht sicherlich die effizienteste Maßnahme, die man aufrechterhalten sollte.“

Weitere Winterwelle wird kommen

Wenn die Temperaturen wieder sinken und Omikron bleibt, werde es auch erneut zu einer Winterwelle kommen, sagt Drosten voraus. Mit einer schweren Krankheitslast in der gesamten Gesellschaft werde das vermutlich nicht wieder einhergehen, aber die Gefahr massenhafter Arbeitsausfälle bleibe bestehen. „Die Pandemie ist nicht vorbei, wenn durch die Impfung die Krankheitsschwere abgeschnitten ist, sondern erst, wenn durch bestimmte Modifikationen in der Bevölkerung auch die hohe Übertragbarkeit beendet ist.“

Schleimhautimmunität Schlüssel zur Beendigung der Pandemie

Mit Modifikationen meint Drosten den Erwerb von Schleimhautimmunität, wie sie jeder etwa gegen Grippeviren ohne größeres Zutun im Laufe seines Lebens bekommt. Das heißt: Durch wiederholt durchgemachte Infektionen bildet sich bereits auf der Schleimhaut eine Barriere gegen den Erreger, sodass das Virus auch nicht mehr so leicht weitergegeben werden kann.

Allein zeitlich wird dieser Punkt bis zum nächsten Winter nicht erreicht werden können, denn eine nachhaltige Schleimhautimmunität braucht ein paar Anläufe, sagt Drosten. Aber: „Der Erwerb von natürlichen Infektionen, vor allem in der geimpften jüngeren Bevölkerung über die Zeit, ist der Schlüssel zur Beendigung der Pandemie.“ Diese Form des Immunerwerbs sollte jedoch nur auf der Basis einer vollständigen Impfung und graduell, also allmählich geschehen. Und es müsse gut überlegt und moderiert werden, wie Risikogruppen von diesem Prozess ausgenommen und geschützt werden können, etwa durch vorgeplanten Zugang zu antiviralen Medikamenten.

Omikron: Hohe Krankheitslast bei Älteren in Hongkong

Der derzeit bestehende Unsicherheitsfaktor in der Pandemie heißt BA.2, ein Subtyp der Omikron-Variante. Im Nachbarland Dänemark ist dieser Typ bereits dominant. In Deutschland lag der Anteil der nachgewiesenen BA.2-Fälle am gesamten Infektionsgeschehen laut Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) aus der vergangenen Woche bei 24 Prozent. Die Entwicklung der Wochen zuvor verlief von 5 auf 11 auf 16 Prozent.

Aus der mutmaßlich höheren Übertragbarkeit von BA.2 (Drosten: „Das Virus hat ein paar PS mehr“) lässt sich bislang nicht ableiten, ob der Subtyp auch zu schwereren Krankheitsverläufen führt. Aufschluss erhofft sich Drosten aus Untersuchungen in Hongkong, wo viele ältere Menschen sehr zögerlich mit der Impfung waren und unter Omikron in diesen Jahrgängen derzeit eine hohe Krankheitslast beobachtet wird.

Coronavirus-Variante Omikron: Was über BA.1 und BA.2 bekannt ist

Die Variante und ein Subtyp breiten sich auch in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern rasant aus. Was wir über Omikron wissen.

Antigenic cartography: Landkarte für Antikörper-Entwicklung

Die Erforschung der Unterschiede, die die Omikron-Varianten BA.1 und BA.2 ausmachen, ist auch für die Entwicklung künftiger Impfstoffe zentral. Ähnlich wie bei der Grippe wird derzeit eine Art Landkarte entwickelt, die zeigen soll, wie sich die Bildung von Antikörpern gegen einzelne Virusstämme unterscheidet und entwickelt (antigenic cartography). Daraus ziehen Wissenschaftler Schlüsse, wohin Viren im Laufe ihrer Evolution driften oder ob sie gar genetische Sprünge in eine komplett andere Richtung machen.

Bei Influenza kann anhand solcher Muster meist vorausgesagt werden, wann und wie Impfstoff angepasst werden muss. Bei Sars-CoV-2 haben Forscher aus den Niederlanden nun einen Anfang gemacht. Daten weiterer Labore müssen folgen.

Drosten: Boostern erst mal mit dem alten Impfstoff

Die Impfstoffe werden bereits auf Omikron angepasst. Und viele fragen sich derzeit, ob sie sich noch einen Booster mit dem ursprünglichen Vakzin verabreichen lassen oder auf ein Impfstoff-Update warten sollten. Eine US-Studie mit Makaken hat gezeigt, dass es kaum einen Unterschied machte, ob man den Primaten als dritte Dosis den herkömmlichen Moderna-Impfstoff oder den für Omikron angepassten verabreichte. Die Booster-Wirkung gegen Omikron war gleich gut.

Für Menschen könnten daraus noch keine endgültigen Schlüsse gezogen werden, sagt Drosten, aber: „Die Daten sehen so aus, als würde sich der Impfstoff-Umstieg nicht unbedingt lohnen.“ Daher empfiehlt der Wissenschaftler: „Man sollte die dritte Dosis ruhig mit dem alten Impfstoff nehmen. Auffrischen kann man immer noch.“ Etwa wenn klar ist, dass sich Omikron weiter in die gleiche Richtung entwickelt.

Coronavirus-Update: Drosten und Ciesek verabschieden sich Ende März

Mit seiner Einschätzung des weiteren Verlaufs der Corona-Pandemie biegt Christian Drosten im Coronavirus-Update auf die Zielgerade ein – fast genau zwei Jahre nach der ersten Folge. Am 15. März wird Drostens Kollegin Sandra Ciesek noch einmal zu Gast sein. Am 29. März werden die beiden Virologen dann ihr vorläufiges Schlusswort im NDR Info Podcast sprechen. „Ich habe das Gefühl, dass die Orientierung in der Pandemie da ist“, sagt Drosten. „Vielleicht gibt es gegen Ende des zweiten Quartals wieder Informationsbedarf hinsichtlich der Update-Impfung. Bis dahin bleibt nicht mehr viel zu sagen.“

Podcast geht mit Sonderfolgen weiter

Als Gesprächspartner bei aktuellen Entwicklungen bleiben Drosten und Ciesek der Redaktion grundsätzlich erhalten. Und auch der Corona-Podcast wird im Frühjahr erst mal weitergehen – in Sonderfolgen wird das Team zunächst noch andere Expertinnen und Experten zu Wort kommen lassen.