Erstmals seit August weniger als 500 Neuinfektionen
21. Juni 2021Erstmals seit zehn Monaten haben die Gesundheitsämter weniger als 500 Neuinfektionen binnen eines Tages an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet. So registrierte das RKI 346 neue Fälle, wie aus Zahlen vom Montagmorgen hervorgeht. Sie geben den Stand des RKI-Dashboards von 05.10 Uhr wieder, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des RKI sind möglich.
Zuletzt hatte die Zahl der Neuinfektionen pro Tag am 10. August mit 436 unter der Schwelle von 500 gelegen. Montags sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Vor einer Woche hatte der Wert bei 549 Ansteckungen gelegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI am Montagmorgen mit bundesweit 8,6 an (Vortag: 8,8; Vorwoche: 16,6; Vormonat: 67,3).
Deutschlandweit wurden den Angaben nach binnen 24 Stunden zehn neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es ebenfalls zehn Tote gewesen.
Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3 722 327 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte aber deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden.
Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3 605 200 an. Die Zahl der Menschen, die an oder mit einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, wird nun mit 90 395 angegeben.
Im RKI-Lagebericht von Sonntagabend wurde aus «technischen Gründen» kein bundesweiter Sieben-Tage-R-Wert ausgewiesen. Am Samstagabend gab ihn das RKI mit 0,69 (Vortag: 0,70) an. Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 69 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.
Sorge wegen Delta-Variante – Intensivmediziner optimistisch
Trotz sinkender Coronazahlen in Deutschland gibt es verstärkt Sorgen wegen der möglicherweise gefährlicheren Delta-Variante des Coronavirus. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) schloss deshalb eine Rückkehr zu Kontaktbeschränkungen nicht aus. «Ich rechne damit, dass die Delta-Variante in einem Monat auch in Deutschland die vorherrschende Variante ist», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). Dann stelle sich die Frage: «Wie wirkt welches Vakzin auf sie?» Man könne auch nicht ausschließen, das Menschen infiziert aus dem Sommerurlaub zurückkehren. Von den Antworten auf diese Fragen hänge ab, «ob wir eine vierte Welle bekommen und wieder zu Kontaktbeschränkungen zurückkehren. Ausschließen können wir das nicht».
Nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht es in der derzeitigen Pandemie-Phase auch mit Blick auf die Delta-Variante darum, die richtige Balance zu finden. «Wir können jetzt lockern», sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin». Die Stimmung dürfe aber nicht zu Übermut führen. «Also: Zuversicht für den Sommer, aber eben auch Vorsicht vor allem dann auch Richtung Herbst und Winter.»
Mit Blick auf Kinder und Jugendliche sagte Spahn: «Unser Ziel sollte sein, so viel Normalität wie möglich nach den Ferien auch für die Schulen, aber eben auch so viel Sicherheit wie möglich.» Eine Möglichkeit dabei seien Impfungen für Kinder ab zwölf Jahren. «Wir können bis Ende August, jedem über 12-Jährigen, der geimpft werden will, mindestens die erste Impfung angeboten haben.» Für alle Nicht-Geimpften brauche es auch weiterhin mindestens regelmäßiges Testen.
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, rechnet in einer möglichen vierten Corona-Welle mit weniger Patienten auf den Intensivstationen. «Wir werden, wenn es im Herbst zu einem Wiederanstieg der Infektionszahlen kommt, sehr genau auf die Neuaufnahmen auf den Intensivstationen schauen müssen. Wenn die vulnerablen Gruppen bis dahin sehr gut geimpft sind, könnte es auch bei höheren Inzidenzen viel weniger schwere Verläufe geben», sagte er der «Rheinischen Post» (Montag).
Bisher seien die Intensiv-Neuaufnahmen weitestgehend parallel zu den Inzidenzen verlaufen. Wenn die vulnerablen Gruppen sehr gut geimpft seien, könne es im Sommer erstmals zu einem abweichenden Verhalten kommen. Die Inzidenzen würden dann stärker steigen als die Intensiv-Aufnahmen, weil die potenziellen Patienten durch Impfung besser geschützt seien.
Oppositionspolitiker forderten von der Bundesregierung einen konkreten Fahrplan, wie der Delta-Variante begegnet werden soll. «Das Politikversagen, das wir im letzten Jahr durch fehlende Luftfilter in Schulen, volle Busse und Bahnen und viel zu wenig Schutz am Arbeitsplatz erleben mussten, darf sich nicht wiederholen», sagte die Fraktionsvorsitzende der Linken, Amira Mohamed Ali, der «Welt». «Die Bundesregierung muss endlich aus ihren Fehlern lernen und die Strukturen schaffen, um einen guten Herbst und Winter zu ermöglichen.»
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sagte der Zeitung: «Die Bundesregierung darf den Sommer nicht verschlafen und muss Deutschland jetzt für den Herbst vorbereiten.» Man befinde sich in einem Wettlauf zwischen Impftempo und neuen Mutationen. «Es ist daher wichtig, vorerst an Masken in Innenräumen und Schnelltests festhalten.»
Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Theurer verwies auf Risiken im Reiseverkehr. «Letztes Jahr hat das Reiserückkehrmanagement komplett versagt.» Davon sei eine Infektionswelle ausgelöst worden. Von einem erneuten Lockdown hält die FDP nichts. «Die Politik muss raus aus der Lockdown-Logik», so Theurer. Die AfD warnte vor einem weiteren Eingriff in Freiheitsrechte. «Die Bürger haben ein Recht darauf, ihre bürgerlichen Freiheiten wieder in Anspruch zu nehmen und Zug um Zug zur Normalität zurückzukehren», sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sebastian Münzenmaier der «Welt».
Auch der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes forderte eine gute Vorbereitung auf eine mögliche vierte Corona-Welle. «Keiner weiß, ob und in welchem Umfang es eine vierte Welle geben wird. Aber wenn sie kommt, sollten wir darauf gut vorbereitet sein: Es ist sehr wichtig, dass die Gesundheitsämter jetzt zügig zusätzliches Fachpersonal erhalten», sagte die Vorsitzende Ute Teichert der «Rheinischen Post» (Montag).
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte unterdessen das Auslaufen der Homeoffice-Pflicht. «Die Homeoffice-Regelungen hätten verlängert werden müssen», sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). «Noch sind wir nicht durch mit der Pandemie, und es ist erwiesen, dass das Infektionsrisiko in geschlossenen Räumen deutlich höher ist.» Erleichtert zeigte sich dagegen die Bundesvereinigung der Arbeitgeber. «Die deutsche Wirtschaft begrüßt das Auslaufen der Verordnung zum Homeoffice, da dieser bürokratische Aktionismus ein überflüssiges Einmischen der Politik war», sagte Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter den Funke-Zeitungen.