Entscheidende Booster-DosisBeschluss des Impfgipfels: 4 Gruppen sollen Drittimpfung schon im September bekommen
3. August 2021Impfwirkung könnte nach sechs Monaten nachlassen
Fachleute erwarten, dass eine Schutz-Auffrischung zuerst bei Menschen fällig werden dürfte, deren Immunsystem nicht so gut auf eine Impfung anspricht – etwa wegen Alters oder Erkrankungen. Und bei solchen Risikogruppen liegen die Impfungen seit Jahresbeginn schon am längsten zurück. Das macht sie besonders anfällig für einen schweren Verlauf trotz Impfung.
„Wie anhand der vom israelischen Gesundheitsministerium erhobenen Daten aus der praktischen Anwendung bereits deutlich wurde, sinkt die Schutzwirkung des Impfstoffs gegenüber Infektionen und symptomatischen Erkrankungen sechs Monate nach der zweiten Impfung“, erklärten etwa die Hersteller Pfizer und Biontech bereits Anfang Juli in einer gemeinsamen Mitteilung. Auf Basis der bisher vorliegenden Daten sei es demnach wahrscheinlich, „dass eine dritte Dosis innerhalb von sechs bis zwölf Monaten nach der vollständigen Impfung erforderlich sein wird“.
Spahn plant dritte Impfung für „Low Responder“
Aus diesem Grund sollen Risikogruppen jetzt eine Auffrischungsimpfung bekommen. Eine dritte Impfung für Menschen mit nachlassendem Immunsystem oder in hohem Lebensalter mache Sinn, sagte etwa Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bereits Mitte Juli. Die dritte Impfung im Herbst sollten etwa Pflegeheimbewohner und andere Menschen bekommen, die bei Coronavirus-Infektion mit einem schweren Krankheitsverlauf rechnen müssten.
Für die Gruppe der „Low Responder“, deren Immunsystem auf die zweifache Impfung nur mit einem eher niedrigen Schutz reagiere, werde der Schutz mit der dritten Impfung deutlich höher. Als „Low Responder“ gelten vor allem ältere Menschen und Personen mit einem eingeschränkten Immunsystem. Die dritte Impfung soll vom Immunsystem noch ein weiteres Mal eine Antikörperantwort fordern. Der Schutz gegen Sars-CoV-2 und insbesondere gegen ansteckendere Virusvarianten wie Delta, wäre damit noch höher, so Spahn.
Vier Gruppen sollen ab September dritte Dosis bekommen
Bekommen sollen die dritte Impfung all diejenigen, die besonders gefährdet sind. Das sind in erster Linie diese vier Gruppen:
1. Ältere Menschen
Bei älteren Menschen kann es grundsätzlich vorkommen, dass die Impfung nicht so eine starke Immunantwort auslöst wie bei Jüngeren. Das erklärt auch, wieso es etwa in verschiedenen Pflegeheimen trotz Impfungen in den vergangenen Monaten bereits erneut zu Ausbrüchen gekommen war.
Um dieses Phänomen besser zu verstehen, hatte ein Forschungsteam der Charité zuletzt einen solchen Ausbruch in einer Berliner Einrichtung analysiert und die Immunreaktion älterer Menschen auf die Impfung untersucht. Die im Fachblatt „Emerging Infectious Diseases“ veröffentlichten Ergebnisse deuten auf eine verzögerte und leicht reduzierte Immunantwort bei Älteren hin. Aus diesem Grund erscheint es also sinnvoll, älteren Menschen schon bald ein drittes Vakzin zu verabreichen.
2. Patienten nach einer Organtransplantation
Im Mai hatte eine US-Studie gezeigt, dass Impfungen bei Patienten, die nach Organtransplantationen dauerhaft immunsupprimierende Medikamente einnehmen müssen, nur eine beschränkte Wirkung haben. Auch nach der zweiten Dosis eines mRNA-Impfstoffs kam es nur bei etwa der Hälfte der rund 650 untersuchten Patienten zum Anstieg von Antikörpern gegen Sars-CoV-2.
Wird ein Organ transplantiert, müssen Patienten lebenslang Medikamente einnehmen, die verhindern, dass der Körper das fremde Organ abstößt. Man spricht hier von Immunsuppressiva, die Präparate unterdrücken die Abwehrreaktion des Immunsystems. Damit sind Patienten anfälliger für Infektionen und auch die Wirksamkeit von Impfstoffen ist geschwächt. Das bestätigte auch Stiko-Chef Thomas Mertens Ende Juni. Bislang gebe es nur vorläufige Daten. Diese zeigten allerdings, „dass die Immunantwort in Abhängigkeit zur Immunsuppression bei Organtransplantierten viel schlechter sein kann. Sie liegt dann nur noch bei 50 Prozent.“
Bei einem solchen Mangel an Immunschutz wäre relativ kurzfristig eine Nachimpfung zu empfehlen. Auch solche Patienten gehören damit zu der von Spahn angesprochenen Gruppe der Menschen, die ab Spätsommer ihre dritte Corona-Impfung bekommen sollen.
3. Krebspatienten
Auch Krebspatienten nehmen häufig Medikamente ein, die die Immunreaktion unterdrücken. Zwar hatte unlängst eine Anitkörperstudie darauf hingewiesen, dass die Immunantwort bei ihnen besser ist, als befürchtet. Wie wirksam die Corona-Impfstoffe bei ihnen in ihrer individuellen Erkrankungssituation allerdings sind, kann zum jetzigen Zeitpunkt laut Deutschem Krebsforschungszentrum noch nicht sicher beantwortet werden. Gleiches gelte auch für eine Corona-Impfung unter bestimmten Krebstherapien wie einer Chemotherapie.
Denn Personen, deren Immunsystem durch die Krebserkrankung oder die Krebstherapie stark unterdrückt ist, sind unter den Probanden der bisherigen Zulassungsstudien nicht vertreten. Experten gehen aber davon aus, dass die Impfung bei Menschen mit beeinträchtigtem oder unterdrücktem Immunsystem nur eingeschränkt wirksam ist.
Onkologen sprachen sich im April sogar dafür aus, Betroffenen früher eine zweite Impfdosis zu verabreichen. Schon drei Wochen nach der ersten Impfung sollten Krebspatienten die zweite Dosis erhalten, erklärten etwa Forscher vom Francis Crick Institute in London, nachdem sie die Antikörperkonzentration von Krebspatienten mit denen von Gesunden nach der Impfung verglichen hatten. Neben einer verfrühten Zweitimpfung erscheint es ebenfalls logisch, diesen Risikopatienten zusätzlich eine dritte Impfung zu verabreichen.
4. Rheumapatienten
Reduziert ist die Immunantwort auf die Covid-19-Impfung laut Stiko-Chef Thomas Mertens auch bei Rheumapatienten. Wie die Deutsche Rheuma-Liga schreibt, bilden zwar die meisten Rheumapatienten nach der Impfung schützende Antikörper – die Antikörperbildung scheint aber etwas schwächer ausgeprägt zu sein als bei gesunden Menschen. Dabei beruft sich die Liga auf erste Studienergebnisse.
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie geht hingegen davon aus, dass der Großteil der Medikamente den Impferfolg nicht gefährdet. Eine Ausnahme bilde das Medikament Rituximab, das möglichst in größerem zeitlichem Abstand zur Impfung gegeben werden sollte. Von einem generellen Absetzen oder Pausieren rät die Fachgesellschaft allerdings ab. Rheumapatienten könnten somit ebenfalls zu den Gruppen zählen, die als erstes eine dritte Impfung bekommen.
Israel und Russland verabreichen schon jetzt dritte Dosis
Neben Deutschland plant auch Großbritannien, ab September mit den Drittimpfungen zu starten. In Israel können sich immungeschwächte Personen schon jetzt mit einer dritten Dosis gegen das Coronavirus impfen lassen.
Der israelische Gesundheitsminister Nitzan Horowitz sagte dem Sender Kan, für solche bereits zweimal geimpften Patienten stehe der Impfstoff des Anbieters Moderna zur Verfügung. Das Virus werde „uns noch lange begleiten“. Man müsse mithilfe einer „Corona-Routine“ einen Weg finden, ohne zu starke Einschränkungen in seinem Schatten zu leben.