Erlaubt, aber umstritten – Der große Kinder-Impf-Check: Was Sie wissen sollten, bevor Sie sich entscheiden

Erlaubt, aber umstritten – Der große Kinder-Impf-Check: Was Sie wissen sollten, bevor Sie sich entscheiden

6. August 2021 Aus Von mvp-web

Nicht nur bei Erwachsenen, auch bei Kindern und Jugendlichen wächst der Wunsch, zum Teil aber auch einfach der gesellschaftliche Druck, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Was aber sagt die Wissenschaft zu Nutzen, Risiken und Nebenwirkungen?

Im Mai 2021 hat die europäische Arzneimittelbehörde EMA den Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen. Auch Moderna hat nun eine Zulassung ab 12 Jahren. Laut Bundesgesundheitsministerium sind bereits 920.000 der 4,5 Millionen 12- bis 17-Jährigen in Deutschland geimpft. Studien der Impfstoff-Hersteller gehen bislang von einer 100-prozentigen Wirksamkeit der Kinder-Impfung aus.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) lässt diese Impfung übrigens explizit zu. Ärzte, die Mädchen und Jungen über 12 Jahren nach entsprechender Aufklärung und Risiko-Abwägung impfen, handeln also nicht gegen die Leitlinien der Stiko. Allerdings empfehlen die Mediziner die Impfung wegen noch fehlender Erfahrungen mit den neuartigen Impfstoffen nicht als Standard.

Kinder-Impfung gegen Covid-19: „Empfehlung ist keine politische Frage“

Viele Spitzenpolitiker dringen indes darauf, auch gesunde Kinder und Jugendliche schnell zu impfen. Viele Mediziner und Wissenschaftler kritisieren das. „Problematisch ist, dass der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz als Impfempfehlung interpretiert werden könnte. Eine Empfehlung ist keine politisch zu entscheidende Frage, sondern eine wissenschaftsbasierte Frage, für deren Beantwortung die Stiko zuständig ist und dieses auch wahrnimmt“, sagt etwa Ingeborg Krägeloh-Mann, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, gegenüber FOCUS Online.

Sollen Eltern nun also ihre Kinder impfen lassen? Und sollen Jugendliche, die das bereits selbst entscheiden können, es tun oder nicht? Jede Impfung ist schließlich immer eine individuelle Abwägung zwischen persönlichem Risiko für eine Erkrankung einerseits und Nebenwirkungen und Risiken der Impfung andererseits. FOCUS Online ordnet die Sachlage:

  • Welches Risiko gibt es bei Kindern und Jugendlichen, wenn sie nach einer Infektion – die in den meisten Fällen symptomlos oder sehr mild verläuft – tatsächlich an Covid-19 erkranken?
  • Welche Erfahrungen gibt es für die sogenannten „Long Covid“-Folgen bei Kindern und Jugendlichen?
  • Welche Nebenwirkungen und Risiken birgt die Impfung gegen Covid-19?
  • Welche Empfehlung geben Experten und warum?
  • Welche Rolle spielt der politische Druck bei der Entscheidungsfindung?

1. Das Corona-Risiko von Kindern und Jugendlichen

Auch Kinder und Jugendliche können an Covid-19 schwer erkranken. Für Risikogruppen, etwa übergewichtige oder an Vorerkrankungen leidende Kinder, war daher mit einem der zugelassenen Impfstoffe schon länger eine Impfung möglich. Doch wie groß ist das Risiko im Vergleich zu Erwachsenen? Für das Sterbe-Risiko lässt sich das sehr schnell beantworten, für mögliche Folgen wie „Long Covid“ weniger. Doch auch dort gibt es eher beruhigende Tendenzen.

  • Sterbefälle: Auch nach eineinhalb Jahren Pandemie und diversen Varianten bleibt das Risiko, dass Kinder oder Jugendliche an Covid-19 versterben, extrem niedrig. Das RKI teilt auf Anfrage von FOCUS Online mit: „Bislang sind dem RKI 23 validierte Covid-19-Todesfälle bei unter 20-Jährigen übermittelt worden. Diese Kinder und Jugendlichen waren zwischen 0 und 19 Jahre alt. Bei allen 16 Fällen mit Angaben hierzu sind Vorerkrankungen bekannt.“ Zur Einordnung: Die Gesamtzahl aller offiziell als Corona-Toten registrierten Verstorbenen in Deutschland beträgt bislang knapp 92.000.
  • Krankenhaus-Einweisung: Spezielle Daten zur Hospitalisierungs-Rate bei Kindern – also wie oft Kinder im Vergleich zu Erwachsene oder nach Altersklassen wegen einer Covid-Erkrankungen im Krankenhaus behandelt werden – liegen nicht vor. Der Leiter einer Lungenfachklinik, in der auch viele Kinder behandelt werden, berichtete FOCUS Online von insgesamt vier Fällen in seiner Klinik seit Beginn der Pandemie. Eine Statistik der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) führte bis Mai 2021 für ganz Deutschland insgesamt 1548 Fälle auf, in denen Kinder wegen Covid-19 ins Krankenhaus mussten.
  • PIMS – das sogenannte Pädiatrische Inflammatorische Multiorgan-Syndrom – ist eine seltene Folge von Virusinfekten (also nicht nur von Corona-Infektionen). Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) verzeichnete seit Beginn der Pandemie 398 solcher Fälle (Stand: 1.8.2021). „Die Mehrheit der PIMS-Fälle wurden intensivmedizinisch behandelt, fast alle Patienten erhielten immunmodulatorische Therapien, ein hoher Prozentsatz auch eine systemische Antibiotikatherapie. Das Outcome [das abschließende Ergebnis der Behandlung, Anm.d.Red.] der Patienten war günstig, Folgeschäden, vor allem bezogen auf Herz- und Kreislauf, wurden in weniger als zehn Prozent der Fälle bei Entlassung beobachtet. Tödliche Verläufe wurden bisher nicht berichtet“, so die DGPI weiter.
  • Long-Covid: Zu den gefürchteten Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung sagt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin: „Die Datenlage zu dieser Frage ist noch nicht ausreichend, um eine klare Bewertung vornehmen zu können. Die Daten bislang weisen darauf hin, dass auch Kinder ein Long-Covid-Syndrom entwickeln können (man sieht ein solches ‚Syndrom‘ bei Kindern auch nach anderen Virusinfektionen, also ist dies nicht unerwartet), jedoch wohl seltener ; die Beurteilung der Schwere ist noch unklarer.“ Der bekannte Mathematiker und Medizinstatistiker Gerd Antes, einer der Gründer des Netzwerkes Evidenzbasierter Medizin, sagte gegenüber FOCUS Online: „Aussagen zu Long-Covid sind bislang nicht mehr als eine Sammlung anekdotischer Mitteilungen, die jedoch weit entfernt sind von einer fachlich belastbaren Aussage, auf die sich Entscheidungen stützen lassen.“

2. Nebenwirkungen und Langzeitwirkungen

Neben den bekannten und in der Regel harmlosen kurzfristigen Impfreaktionen nach einer Impfung (Schmerzen an der Einstichstelle, Fieber, Kopfschmerzen) gibt es nach der Covid-Impfung auch schwerwiegende gemeldete Nebenwirkungen. Sie sind allerdings im Verhältnis zur Zahl der Geimpften bislang sehr gering.

Zu den sehr seltenen Nebenwirkungen nach der Covid-19-Impfung zeigte sich (weniger als einmal pro 100.000 Geimpfte) die Bildung von Hirnvenenthrombosen bei den Impfstoffen von Astrazeneca und Johnson & Johnson; dies trat vor allem bei Frauen auf. Eine weitere sehr seltene Nebenwirkung betraf Entzündungen des Herzmuskels (Myokarditis); dies trat gerade bei jüngeren Impflingen und auch bei Jugendlichen auf. Wichtig ist daher, dass die Empfehlung, nach der Impfung einige Tage lang keinen Sport zu treiben oder sich körperlich stark zu belasten, auch von jungen Menschen befolgt wird.

Die deutsche Herzstiftung schreibt auf ihrer Webseite: „Wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in einem Sicherheitsbericht verweist, traten die Fälle in Übereinstimmung mit anderen, internationalen Daten (vor allem aus Israel und den USA) überwiegend bei männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab 16 bis 29 Jahren auf.

Meist war das innerhalb von 14 Tagen der Fall und häufiger nach der zweiten Dosis einer mRNA-Covid-19-Impfung. Nach Durchsicht der Daten hat im Juli nun der Ausschuss für Risikobewertung (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) beschlossen, Myokarditis und Perikarditis als mögliche Nebenwirkung in die Fach- und Gebrauchsinformationen beider mRNA-Impfstoffe (Comirnaty/Biontech und Spikevax/Moderna) aufzunehmen.“ Die Experten sehen jedoch das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Impfung weiterhin als positiv an.

Kinder- und Jugendmediziner befürchten „Underreporting“

FOCUS Online hat mehrere Mediziner befragt, die Impfungen durchführen. Einige berichten davon, dass die Zahl der beobachteten Nebenwirkungen bei Erwachsenen im Vergleich zu anderen Impfstoffen durchaus erheblich sei. Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, auf den sie hinweisen: Werden alle Nebenwirkungen als solche erkannt und auch gemeldet?

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin sagte dazu gegenüber FOCUS Online: „Alle Erfassungssysteme von Impfkomplikationen beruhen nicht auf epidemiologischen (d. h. bevölkerungsbezogenen) Studien, sondern lediglich auf Einzel-Beobachtungen, die an die Erfassungsorgane berichtet werden wie zum Beispiel das Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland. Eine genaue Abschätzung der Häufigkeit von Impfkomplikationen ist damit kaum möglich. Es besteht die Gefahr des so genannten Underreportings, damit werden Komplikationen systematisch unterschätzt.“

Langzeitfolgen als Restrisiko?

Besonders schwierig sind Erkenntnisse über Langzeitfolgen einer Impfung. Das zeigte sich bei der Schweinegrippe-Pandemie 2009. In dem vom Robert-Koch-Institut und der Bundesgesundheitszentrale für gesundheitliche Aufklärung herausgegebenen „Impfbuch für alle“, das in deutschen Apotheken verteilt wird, findet sich dazu folgender Eintrag: „Insgesamt waren gegen dieses Grippevirus fünf Impfstoffe zugelassen worden. Bei einem davon, Pandemrix, traten später Fälle von Narkolepsie auf – nämlich bei je einem von 181.000 geimpften Erwachsenen sowie bei je einem von 18.400 geimpften Kindern. Die Betroffenen leiden unter unkontrollierbaren Einschlafanfällen und häufigen Stürzen.“

Es handelte sich laut „Ärzteblatt“ bei der Narkolepsie um eine Autoimmunerkrankung, die gegen bestimmte Rezeptoren im Gehirn gerichtet war. Verantwortlich dafür seien Antikörper im Blut gewesen. Entscheidend ist hier der Zeitablauf: Die ersten Komplikationen gab es 2010, insgesamt wurden aber bis 2015 rund 1300 Fälle bekannt, so das „Ärzteblatt“.

Spätere Erkrankungen erklärten Wissenschaftler in einer Hypothese damit, dass die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, die normalerweise Antikörper nicht durchlässt, bei einer weiteren Erkrankung oder schweren Entzündung kurzzeitig durchlässig geworden sei. „Dieses Ereignis müsste nicht mit der Impfung zusammenfallen, da die Antikörper ja lebenslang im Blut vorhanden sind. Dies würde erklären, warum Geimpfte auch Jahre nach der Impfung noch an einer Narkolepsie erkranken können“, so das Fachblatt weiter.

Langzeit-Nebenwirkungen bei Impfungen sind untypisch

Über mögliche unerwünschte Langzeitfolgen einer Corona-Impfung lässt sich also noch keine Aussage treffen. Zwar vermuten Mediziner sehr stark, dass sie, wenn überhaupt, nur sehr selten auftreten – und das Pandemrix-Beispiel die Ausnahme von der Regel darstellt. So sagte die Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts Susanne Stöcker gegenüber dem ZDF: „Langzeit-Nebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, sind bei Impfstoffen generell nicht bekannt. Die meisten Nebenwirkungen von Impfungen treten innerhalb weniger Stunden oder Tage auf. In seltenen Fällen auch mal nach Wochen.“ Der Medizin-Statistiker Gerd Antes gibt jedoch gegenüber FOCUS Online zu bedenken: „Langzeitschäden, die womöglich nach zwei Jahren auftreten, kann man nun einmal nicht nach sechs Monate beurteilen. Das ist unseriös“, so Antes.

3. Welche Impf-Empfehlungen gibt es?

Da Kinder von Covid-19 erheblich seltener und vor allem weniger schwerwiegend betroffen sind als Erwachsene, geschweige denn als Menschen im Seniorenalter, legen Experten die Maßstäbe hier besonders streng an, wenn es darum geht, eine Impfung für Kinder zu empfehlen. Denn eine Empfehlung löst automatisch politischen Druck aus, diese auch umzusetzen – und gerade bei Kindern und Jugendlichen steht hier perspektivisch eine verpflichtende Impfung im Raum, ohne die dann etwa der Schulbesuch nicht mehr möglich sein könnte.

Der bekannte Professor für Kinderheilkunde Johannes Hübner sagte im Interview mit der FAZ: „Wenn die Schutzwirkung einer Impfung die Gefahren durch Nebenwirkungen überwiegt, ist das auch gegen Corona der richtige Weg. Nur wissen wir das bei Personen unter 16 Jahren noch nicht. Also: Impfen gern, aber erst will ich vernünftige Daten sehen. Die Zahl der Testpersonen war so niedrig, dass man seltenere Verläufe gar nicht darstellen konnte. Für verlässliche wissenschaftliche Aussagen reicht das nicht aus. Und die braucht man, wenn man ruhigen Gewissens gesunde Kinder impfen will“, so Hübner. Er geht jedoch davon aus, dass diese Daten aus den USA bald vorliegen könnten. Dort seien bereits 15 Millionen Kinder geimpft worden.

In den USA spielte bei der Risiko-Abwägung allerdings auch eine Rolle, dass im Vergleich zu anderen Ländern ein höherer Anteil von übergewichtigen Kindern und an Diabetes erkrankten Kindern zu verzeichnen ist – das zählt als ein bedeutender Risikofaktor bei einer Corona-Erkrankung. Daten aus den USA sind also nicht zwingend mit denen anderer Länder vergleichbar.

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Lauterbach: „Schlimmere Varianten sind möglich“

Gesundheitsökonom Karl Lauterbach geht davon aus, dass mögliche Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen im Verhältnis zum Erkrankungsrisiko in jedem Fall für eine Impfung sprächen. „Falls wir die Kinder nicht impfen, droht ihnen ein Jahr von vielen Quarantänen und zum Schluss die Infektion mit der Delta-Variante. Selbst schlimmere Varianten sind möglich. Im Vergleich dazu ist die Impfung ein Segen. Auch für Kinder ist Covid ein Risiko“, so Lauterbach auf Twitter.

Die wesentlichen Studien zur Impfung von Kindern zeigten, dass eine Durchseuchung mit der Delta-Variante des Coronavirus gefährlicher sei als eine Impfung, sagte Lauterbach dem „Spiegel“. Eine Anfrage von FOCUS Online, auf welche Studien er sich genau bezieht, ließ Lauterbach unbeantwortet.

Auch die sächsische Impfkomission (SiKo) empfiehlt die Kinder-Impfung. In der Empfehlung vom 1. August heißt es: „Zur generellen Impfempfehlung bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 12-15 Jahren sind die Daten aus den USA und Israel zur individuellen und auch epidemiologischen Nutzen-Risiko-Abwägung eingeflossen. Hier überwiegt der Nutzen eindeutig das Risiko adverser Reaktionen.“

Länder wie Israel oder die USA impfen Kinder ab 12 Jahren. Schweden, das trotz der Kritik an seinem Pandemie-Kurs seit Monaten stabil niedrige Infektionszahlen und vor allem extrem niedrige Todeszahlen vorweisen kann, impft Kinder ab 16 Jahren. Für Kinder ab 12 bleibt die Impfung in Schweden, ähnlich wie in Deutschland bisher, ebenfalls möglich, aber erst nach einer speziellen Risiko/Nutzen-Abwägung.

Impfen auch von 0 bis 12 Jahren?

Vor kurzem wurde bekannt, dass einige Kinderärzte in Deutschland bereits Kinder unterhalb von 12 Jahren impfen. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin lehnt das ab: „Das entspricht einem so genannten ‚Off-label-Use‘ (Anwendung jenseits der Zulassung), von dem wir abraten. Ein Nutzen einer Covid-19-Impfung bei Kindern unter 12 Jahren ist wahrscheinlich, aber noch nicht belegt; letzteres betrifft auch die klare Abgrenzung von Risikofaktoren bzw. potentielle Gefährdung der Gesundheit. Zum Schutz der Risikopopulation in diesem Alter empfehlen wir nachdrücklich die Impfung der Kontaktpersonen bzw. Eltern der betroffenen Kinder.“

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4. Welche Rolle spielt politischer und gesellschaftlicher Druck?

Neben dem medizinischen Nutzen einer Impfung ist ein anderer wesentlicher Aspekt der politische Druck, der aufgebaut wird, auch Kinder in die Impfkampagne mit einzubeziehen. Konflikte sind hier vorprogrammiert. Die Vorsitzende des Allgemeinen Schulleitungsverbandes Deutschlands, Gudrun Wolters-Vogeler, erwartet wegen des unterschiedlichen Corona-Impfstatus der Schülerinnen und Schüler Spannungen an den Schulen.

„Natürlich wird es im Alltag heftige Diskussionen geben“, sagte Wolters-Vogeler den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Denn wenn es künftig einen positiven Fall in einer Klasse gebe, müssten jene in Quarantäne, die nicht doppelt geimpft sind.“ Die anderen dürften hingegen im Präsenzunterricht bleiben und können sich weiterhin an schulischen Aktivitäten beteiligen. Diese Unterscheidung könnte aus Sicht von Wolters-Vogeler viele Eltern dazu bringen, ihre Kinder impfen zu lassen, wenn sie nicht wollen, dass diese wegen jeder Infektion in der Klasse in Quarantäne müssen.

Impfen, um Quarantäne zu umgehen?

Im Alltag würde das bedeuten: Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung hängt nicht unbedingt von einer individuellen Risikoabwägung ab, sondern von der Angst, in der Schule durch immer neue Quarantäne-Maßnahmen isoliert zu sein. In einem Memo des Bundesgesundheitsministerium vom 2. August, das FOCUS Online vorliegt, heißt es: „Unabhängig von den gesundheitlichen Risiken stellen zu hohe Infektionszahlen auch den regulären Schulablauf als solchen in Frage. Denn viele Infektionsfälle und Ausbrüche bedeuten auch zahlreiche Quarantäne-Erfordernisse für Kontaktpersonen in einer Schulklasse. Im Vereinigten Königreich beispielsweise waren kurz vor den Schulferien fast ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler in Quarantäne.“

Die beiden Strafrechtsprofessorinnen Frauke Rostalski und Elisa Hoven warnen davor, dass die Politik damit zumindest indirekten Druck auf Eltern und Kinder ausübt. Die Juristinnen schreiben in der „Welt“: „Schulschließungen erfolgen nicht zum Schutz der Kinder und Jugendlichen, sondern zum Schutz der Risikogruppen. Wenn aber eine Schutzimpfung für alle Gefährdeten – und darüber hinaus für jede andere und jeden anderen – möglich ist, lassen sich Schulschließungen nicht mehr rechtfertigen. Sie wären eine unverhältnismäßige Maßnahme der Pandemiebekämpfung. Wenn sich jeder effektiv selbst schützen kann, dürfen Dritte hierfür nicht länger herangezogen und in ihrer Freiheit beschnitten werden. Kinder und Jugendliche haben also ein Recht darauf, dass ihre Schulen geöffnet werden – und müssen sich dafür nicht erst impfen lassen„, so Rostalski und Hoven.

Impfung darf kein „Sonder-Opfer“ der Kinder sein

Die Staatsrechtlerinnen gehen sogar noch weiter: „Dass Kinder seit über eineinhalb Jahren massive Eingriffe in ihre Freiheitsrechte hinzunehmen haben, ist ein Sonderopfer, das sie dem Gemeinwesen gegenüber erbringen. Solche Sonderopfer werden im Recht üblicherweise ausgeglichen. Im Zusammenhang mit Corona scheint dieser Mechanismus allerdings zum Leidwesen der Kinder und Jugendlichen vergessen. Vielmehr soll hier gewissermaßen ein Sonderopfer (Schulschließung) mit einem weiteren Sonderopfer (Impfung) behoben werden. Ob eine Impfung für Kinder erforderlich ist, darf sich allein nach den Folgen für ihre Gesundheit richten. Sie dadurch sinnvoll zu ‚machen‘, weil man anderenfalls nicht begründete Nachteile in Aussicht stellt, ist schlicht unredlich.“

Fazit

Das Thema Kinder-Impfung gegen Covid-19 bleibt ein schwieriges, weil das Risiko-Nutzen-Verhältnis nicht so deutlich ausfällt wie zum Beispiel bei Menschen über 50. Festzuhalten bleibt:

  • Für abschließende Beurteilungen fehlen noch mehr Daten.
  • Die Impf-Entscheidung bleibt eine individuelle Entscheidung, die Eltern für ihre Kinder, oder Jugendliche selbst treffen müssen.
  • Politischer Druck, etwa durch die Verbindung von Impfungen mit Drohungen von Schulschließungen oder besonderen Quarantäne-Maßnahmen, sollte auf diese Entscheidung keinen Einfluss nehmen.