Zwar hätten Personen in Deutschland derzeit ein sehr unterschiedliches Kontaktverhalten – viele leben eher kontaktarm, andere jedoch besonders kontaktfreudig. Insgesamt nehme der Kontaktindex nach einer stabilen Phase von Anfang des Jahres bis Mitte Juli aktuell aber wieder stark zu.
Modell prognostiziert „signifikante Erhöhung“ des R-Werts – und damit der Inzidenz
„Während die Alpha- und Delta-Wellen (in März/April und Juli) durch den Fortschritt der Impfkampagne begrenzt werden konnten, lässt die starke Zunahme der Kontakte in den letzten Wochen eine signifikante Erhöhung des R-Wertes und damit der Inzidenzen in den nächsten Wochen erwarten“, schreibt das Unternehmen in einer Pressemitteilung.
Demnach sei es nicht so sehr die Delta-Variante an sich, die das Infektionsgeschehen treibe, sondern überwiegend die extreme Zunahme der Kontakte, wie Datenanalyst Sten Rüdiger FOCUS Online erklärt.
R-Wert von mehr als 1,5 gab es seit Superspreading bei Tönnies nicht mehr
Konkret prognostiziert das Modell einen R-Wert von mehr als 1,5 im September. Das bedeutet: Zehn Infizierte stecken dann mehr als fünfzehn weitere Menschen an. Die Infektionszahlen gingen dann schnell stark nach oben.
Aktuell gibt das RKI den 7-Tage-R-Wert mit 1,16 an. Zehn Infizierte stecken aktuell also „nur“ etwa elf Menschen an. Einen R-Wert von mehr als 1,5 hat es in Deutschland seit dem Ausbruch des Coronavirus beim Fleischbetrieb Tönnies im Juni 2020 nicht mehr gegeben.
Prognosen auf Basis des R-Werts sind allerdings immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, wie Statistikerin Katharina Schüller bereits in mehreren Interviews mit FOCUS Online deutlich gemacht hat. Der Reproduktionswert schwanke statistisch gesehen immer um 0,1 bis 0,2. „Das ist normal“, so die Vorständin der Deutschen Statistischen Gesellschaft. Dass die Infektionszahlen bei immer mehr fallenden Beschränkungen allerdings in der Tendenz nach oben gehen, entspricht den Erwartungen der Experten.
Einfluss von Impf- und Testquote unklar
Ein weiterer Aspekt, der konkrete Prognosen der Infektionszahlen schwierig macht: die Konsequenzen der Impf- und Testmaßnahmen. „Zum Beispiel könnte der Einfluss der gestiegenen Kontaktzahl weitaus geringer als bei den vorherigen Wellen sein, wenn die Personen, die wieder vermehrt Kontakte haben, geimpft sind“, gibt Netcheck zu Bedenken.
Das Unternehmen erweitere daher derzeit sein Prognosemodell, mit dem es schon seit 2020 das Infektionsgeschehen in Deutschland regelmäßig zu prognostizieren versucht, und beabsichtige künftig eine engere Verknüpfung des Modells mit Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI). Seine Analysedaten würden bereits jetzt mit dem RKI geteilt. Falls steigende Kontaktzahlen ursächlich für eine weiter kritische Entwicklung seien, müsste der Kontaktindex demnach zunächst wieder sinken, bevor eine Erhöhung des Impfanteils weitere Lockerungen erlaube, so Netcheck weiter.