Landkreise in MV begehen zehnjähriges Jubiläum
4. September 2021Fast 18 Jahre lang wurde in Mecklenburg-Vorpommern – teilweise sehr heftig – über Kreisgebietsreformen gestritten. Nun begehen die heutigen Landkreise ihren zehnten Geburtstag.
Vor zehn Jahren ist in Mecklenburg-Vorpommern eine Kreisgebietsreform in Kraft getreten, die das Land in nur noch sechs Landkreise und zwei kreisfreie Städte einteilte. Kosten und Personal sollten in der Verwaltung eingespart werden, die Bürokratie sollte effizienter werden, so die Ziele von Politikern und Verwaltungsexperten. Die Bevölkerung allerdings beschäftigte am meisten, wo welche Kreisgrenzen verlaufen und in welchen Städten die Kreisverwaltungen unterkommen sollten.
Innenminister Timm legt 2002 radikalen Plan vor
Als 2011 die Kreisgebietsreform in Kraft trat, lag die letzte Zusammenlegung der Verwaltungsregionen nur 17 Jahre zurück. Im Sommer 1993 zum Beispiel standen hunderte Demonstranten aus dem Südwesten Mecklenburgs vor dem Landtag in Schwerin. Sie forderten, die alten Kreise und Kreisstädte zu erhalten. Die vom Landtag verabschiedete Gebietsreform reduzierte die Zahl der Kreise 1994 von 30 auf zwölf. Zusätzlich blieben sechs kreisfreie Städte. Die Verwaltung sollte dadurch effizient und zukunftssicher werden. Als SPD und PDS, die Vorgängerin der Linkspartei, vier Jahre später eine Koalition eingingen, bestand aus Sicht der Genossen erneut Handlungsbedarf. „Wir wissen, dass wir nach wie vor ein strukturschwaches Land sind und dass wir auch ein Land sind, das nicht beliebig Finanzen zur Verfügung hat“, sagte Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) damals. Vier Jahre lang wurde erneut debattiert. Gleich nach der nächsten Landtagswahl legte SPD-Innenminister Gottfried Timm 2002 einen radikalen Plan vor: Er sah nur noch vier Landkreise und keine kreisfreien Städte vor.
SPD-PDS-Koalition droht zu platzen
Die Empörung war groß – bei den Kreisen, bei den Kommunen, bei der Opposition. Und beim SPD-Koalitionspartner PDS. Große Teile der Partei lehnten Timms Modell ab. Die rot-rote Koalition schien vor dem Aus zu stehen. Ministerpräsident Ringstorff zeigte sich genervt. „Ich appelliere nochmal an alle, diese Reform zu keinem parteipolitischen Schauspielplatz oder Schauplatz zu machen.“ Im Sommer 2006, wenige Monate vor der nächsten Landtagswahl, kam ein Kompromiss-Vorschlag in den Landtag. Als Zugeständnis an die PDS sollten es nun fünf Landkreise werden. Viele PDS-Abgeordnete wollten trotzdem gegen die eigene Regierung stimmen. Mit hauchdünner Mehrheit passierte diese Kreisgebietsreform schließlich den Landtag.
Reformpläne scheitern vor Verfassungsgericht
Die oppositionelle CDU-Landtagsfraktion, viele Landkreise und Städte klagten daraufhin vor dem Landesverfassungsgericht. Das erklärte die Reformpläne, noch bevor sie umgesetzt waren, 2007 für verfassungswidrig. „Es ist vorauszusehen, dass in den neuen Kreisen die Selbstverwaltung sich noch deutlicher von kraftvoller Selbstverwaltung entfernen würde“, begründet Gerhardt Hückstädt, Präsident des Landesverfassungsgerichts, damals das Urteil. In Schwerin regierte zu diesem Zeitpunkt bereits eine neue Koalition aus SPD und CDU.
Erst klagte Caffier, dann plante er
Innenminister Lorenz Caffier (CDU), der selbst als Oppositionspolitiker gegen die Kreisgebietsreform geklagt hatte, musste nun selbst einen Plan vorlegen. Der sah sechs Landkreise vor, Rostock und Schwerin sollten kreisfrei bleiben. 2010 stimmte der Landtag dafür. Wieder landete das Gesetz vor dem Landesverfassungsgericht. Diesmal stimmte es zu. Kaum ein anderes Thema hat die Landespolitik so lange beschäftigt wie die Kreisgebietsreform. Ob mit ihr all die Ziele erreicht wurden, die mit ihr angepeilt wurden, mag umstritten sein. Aber in einer Hinsicht hat sie Mecklenburg-Vorpommen bundesweit an die Spitze katapultiert. In der Liga der größten Landkreise Deutschlands rangieren fünf der sechs Kreise des Landes auf Platz 1 bis 5.
Die größten Landkreise Deutschlands – die Fakten
In Mecklenburg-Vorpommern sind nach den Wahlen vom 4. September die bisherigen zwölf Landkreise in sechs neue aufgegangen. Fünf der neuen Großkreise stehen flächenmäßig an der Spitze in Deutschland.
Von den sechs kreisfreien Städten behielten nur Schwerin und Rostock diesen Status. Wismar, Neubrandenburg, Greifswald und Stralsund verloren ihre Kreisfreiheit, wurden dafür aber jeweiliger Kreissitz.
Landkreis | Fläche in Quadratkilometern | Kreissitz |
---|---|---|
Mecklenburgische Seenplatte | 5.469 | Neubrandenburg |
Ludwigslust-Parchim | 4.751 | Parchim |
Vorpommern-Greifswald | 3.928 | Greifswald |
Rostock | 3.421 | Güstrow |
Vorpommern-Rügen | 3.190 | Stralsund |
Nordwestmecklenburg | 2.118 | Wismar |
Hinsichtlich der Einwohnerzahl liegt der größte neue Landkreis Mecklenburgische Seenplatte mit seinen 275.406 Einwohnern (Stand 31.12.2009) nur auf Platz 53 der Landkreise. Nach der Einwohnerdichte finden sich alle sechs neuen Landkreise unter den 25 am dünnsten besiedelten Landkreisen. Der am dichtesten besiedelte neue Landkreis Nordwestmecklenburg nimmt mit 76 Einwohnern pro Quadratkilometer gerade einmal Platz 271 von 295 ein.