MV-Landtagswahl: So lief das TV-Duell zwischen Schwesig und Sack

MV-Landtagswahl: So lief das TV-Duell zwischen Schwesig und Sack

15. September 2021 Aus Von mvp-web
Stand: 15.09.2021 06:06 Uhr

Zwölf Tage vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern sind Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, Spitzenkandidatin der SPD, und ihr Herausforderer Michael Sack von der CDU im TV-Duell aufeinander getroffen. In der einstündigen Debatte im NDR Fernsehen standen die wichtigen landespolitischen Themen wie Bildung, Wirtschaft und Soziales im Mittelpunkt.

von Henning Strüber, NDR.de

Als die beiden Kontrahenten nach 60 Minuten TV-Duell gegen 22 Uhr am Dienstagabend ihre Schluss-Statements abgegeben hatten, bedankte sich Moderator Andreas Cichowicz bei Schwesig und Sack für ein „faires“ Duell. Tatsächlich hatten die Zuschauer über weite Strecken eine sachliche Auseindersetzung gesehen. So kontrovers wie am frühen Abend bei der TV-Runde mit den Spitzenkandidaten von AfD, Linken, FDP und Grünen ging es nicht zu. Schwesig konnte die Leistungen der derzeitigen Regierungskoalition im Stile einer Landesmutter routiniert herausstellen – etwa die kostenfreie Kita, das millionenschwere Schulsanierungsprogramm sowie die vergleichsweise gelungene Bewältigung der Pandemie im Nordosten. In ihrem Schlusswort warb sie bei den Wählern darum, ihre Arbeit als Ministerpräsidentin weiter fortsetzen zu können. Zuweilen klang sie vom Ton fast so wie Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Die Menschen im Land kennen mich. Sie können sich auf mich verlassen.“

Sack: „Warum darf ein Politiker nicht auch nett sein?“

Der von manchem erwartete offene Schlagabtausch blieb aus. Statt auf Attacke setzte der Herausforderer Sack auf sachliche Auseinandersetzung. In Bedrängnis brachte Sack die Ministerpräsidentin so kaum. In Themenfeldern wie etwa der Corona-Politik sowie bei der Mobilität wichen die Positionen Schwesigs und Sacks kaum voneinander ab, was angesichts der nunmehr knapp 15 Jahre andauernden Regierungskoalition zwischen beiden Parteien wohl kaum verwundern kann. Sack, dessen Bekanntheitswerte weit unter denen Schwesigs liegen und dem von manchem Kritiker ein zu konzilianter Stil vorgeworfen wird, griff diesen vermeintlichen Malus in seinem Schlusswort auf und versuchte, ihn ins Positive zu wenden: „In den letzten Wochen ist mir die Frage oft begegnet: ‚Michael Sack ist doch zu nett. Der ist zu unbekannt.‘ Warum darf ein Politiker nicht auch nett sein?“ fragte Sack rhetorisch. Er stehe nun einmal für einen „integrativen, mitnehmenden“ Führungsstil. Sack schloss mit den Worten: „Mein Name ist Michael Sack. Jetzt kennen Sie mich.“

Umfragen: SPD und Schwesig lassen Sacks CDU weit hinter sich

Die Ausgangslage vor dem Duell war klar: Sack will Schwesig ablösen und neuer Regierungschef in Mecklenburg-Vorpommern werden, so die klare Ansage des Landrats von Vorpommern-Greifswald und CDU-Landeschefs im NDR Sommerinterview. Doch in den jüngsten Wahlumfragen hat die SPD von Amtsinhaberin Schwesig ihren Vorsprung auf den Junior-Partner in der aktuellen rot-schwarzen Koalition kontinuierlich ausgebaut. Lagen SPD und CDU in der Mai-Umfrage noch nahezu gleichauf (SPD 23 Prozent, CDU 21), bauten die Sozialdemokraten ihren Vorsprung auf die CDU immer weiter aus – auf zuletzt 25 Prozentpunkte (SPD 39 Prozent, CDU 14). Bei den Persönlichkeitswerten liegt Schwesig sogar noch deutlicher vorn. Würde der Regierungschef direkt gewählt, würden laut Umfrage 65 Prozent für Schwesig votieren und nur elf Prozent für Sack. Um zwölf Tage vor der Wahl noch Boden gut zu machen, musste sich Sack also mächtig ins Zeug legen.

Die erste Attacke geht von Schwesig aus – beim Thema Kita-Gesetz

Doch die erste Attacke ging dann ausgerechnet von der Ministerpräsidentin aus. Schwesig bezichtigte Sack, die Unwahrheit gesagt zu haben. Es ging um das kostenfreie-Kita-Gesetz. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald, dem Sack als Landrat vorsteht, hat beim Landesverfassungsgericht Beschwerde gegen das Gesetz eingereicht, weil die Landkreise laut Sack deutlich höhere finanzielle Lasten als ursprünglich mit dem Land vereinbart durch das Gesetz zu tragen hätten – und die Frist, sich juristisch zu wehren, bald abzulaufen drohe. „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen“, so Sack. Die Kommunen würden auf ein Gesprächsangebot warten.

Sack setzte auf Sachlichkeit, Schwesig stellte die Erfolge ihrer Regierung heraus.

Schwesig warf Sack vor, dass eine Einigung leicht möglich gewesen wäre. Sack hätte als CDU-Landeschef das Thema in die Haushaltberatungen längst einbringen können. „Leider sind Sie ja zu den Haushaltsberatungen nicht gekommen, Herr Sack.“ Man sei dennoch in der Landesregierung übereingekommen, im November mit allen Beteiligten zusammenzukommen und eine Lösung zu finden. „Lieber Herr Sack, das unterscheidet uns: Sie setzen sich nicht mit den Akteuren zusammen, sondern klagen gegen das Gesetz und gefährden die kostenfreie Kita.“ Sack widersprach: Man habe die Klage vermeiden wollen, doch dazu wäre ein verlässliches Gespräch mit Schwesig notwendig gewesen. „Diese Termine sind verschoben worden, ausgesessen worden.“ Im Endeffekt sei nur noch der Klageweg geblieben. Dies stimme nicht, entgegnete Schwesig. So stand Aussage gegen Aussage.

Sack setzt Nadelstiche bei Infrastruktur und Gesundheit

Sack setzte Nadelstiche, indem er insbesondere Kritik an der Arbeit der SPD-geführten Ministerien für Bildung und Infrastruktur übte – so etwa mit Blick auf die Lage der Krankenhausversorgung für Kinder im Land und speziell die massiven Probleme bei der Unimedizin Rostock. „Wenn es schon die größte Universität des Landes trifft, dann ist das schon ein Zeichen, dass es fünf nach zwölf ist.“ Bei der Digitalisierung müsse „mehr Dampf drauf“, forderte Sack, um die Schulen endlich aus der „Kreidezeit“ zu holen. Auch beim Schließen von Funklöchern sei viel Zeit verloren worden. Gleiches befürchtet Sack auch bei der aktuellen Vergabe von milliardenschweren Bundesgeldern für die Wasserstoffforschung.

Gegensätze beim Thema Mindestlohn-Erhöhung

Uneins waren beide Kandidaten beim Thema Mindestlohn. Die von der SPD geforderte Erhöhung auf zwölf Euro hält Sack für den falschen Weg. Es gebe eine mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzte Kommission, die tragbare Vorschläge erarbeite. Die Politik habe sich da herauszuhalten. „Es gibt eine Tarifautonomie in Deutschland“, betonte Sack. Das in Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern vergleichsweise niedrige Lohnniveau lasse sich durch einen höheren Mindestlohn nicht beheben. „Das ist ein Irrglaube.“ Zudem werde ein solcher Mindestlohn auch nicht dazu führen, dass Fachkräfte aus anderen Teilen der Republik in den Nordosten kämen. Vielmehr müsse es darum gehen, mehr gut bezahlte Industriearbeitsplätze zu schaffen und die Wertschöpfung im Land zu steigern. Sack sprach von einer „Entfesselung der Wirtschaft“, die angestrebt werden müsse. Schwesig widerprach: „Der Mindestlohn hat geholfen, dass sich die Löhne in Ostdeutschland besser entwickeln und das sich die Renten besser entwickeln.“ Zudem liege der Vergabe-Mindestlohn im Bundesland bereits bei fast elf Euro. „Also gehen auch die zwölf Euro für alle“, so Schwesig.

Einigkeit beim Thema Nord Stream – Dissens im Umgang mit Russland

Keine Meinungsunterschiede gab es beim Thema Ostseepipeline. Schwesig und Sack stehen beide hinter dem Bau von Nord Stream 2. Mit Blick auf das umstrittene Wirtschaftstreffen „Russlandtag“ sprach sich Sack jedoch gegen eine „zu einseitige Auslastung der Wirtschaft des Landes auf Russland“ aus. Andere Nationen, mit denen das Bundesland viel höhere Handelsvolumina habe, drohten aus dem Blick zu geraten. Weitgehend einig waren sich Schwesig und Sack auch beim Thema Pendler. Die Menschen im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern seien auf das Auto angewiesen. Sprit und Unterhalt müssten bezahlbar bleiben. Das Auto werde nicht durch Bus und Bahn ersetzt werden können. Bei diesem Thema konnte Sack mit Sachkenntnis punkten, als er auf die Frage des Moderators den Anteil der Berufspendler im Land ziemlich genau schätzte. Schwesig blieb bei der gleichen Frage eher vage.

Koalitionen: Schwesig legt sich nicht fest – Sack warnt vor „linken Experimenten“

Bei der Frage nach einem Koalitionspartner bei der Regierungsbildung nach der Wahl legte sich Schwesig nicht fest. Es bleibe ihr Ziel, eine „verlässliche und stabile“ Regierung zu bilden. Sack warnte hingegen vor „linken Experimenten“ – sei es durch Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün. Er warb stattdessen dafür, dass die CDU auch nach der Wahl in Regierungsverantwortung bleiben solle.