++ Linken-Spitze will im Amt bleiben ++
27. September 2021Die beiden Chefinnen der Linken wollen trotz der klaren Verluste bei der Bundestagswahl im Amt bleiben. Der CSU-Vorstand kritisiert laut Kreisen Unionskanzlerkandidat Laschet. Alle Entwicklungen im Liveblog.
- SPD benennt Sondierungsteam
- FDP beschließt „Vorsondierungen“ mit den Grünen
- Hennig-Wellsow und Wissler wollen weiter Linke führen
- CSU-Vorstand kritisiert offenbar Laschet
- Kellner sieht größere Nähe zur SPD
- Scholz sieht Auftrag für Ampel
- Die SPD feiert ihre Wahlsieger
- Walter-Borjans: „Die Kirche im Dorf lassen“
Klöckner tritt nicht mehr als CDU-Chefin in Rheinland-Pfalz an
Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner will sich vom CDU-Landesvorsitz in Rheinland-Pfalz zurückziehen. Bei der Vorstandswahl am 20. November werde sie nicht mehr antreten, teilte sie nach Angaben des Landesverbandes bei einer Vorstandssitzung mit. Das habe sie bereits vor einiger Zeit mit ihrer Familie besprochen. Sie wolle damit nach einer Dekade Vorsitz eine Erneuerung ihrer Partei anstoßen. „Wir wollen die kommenden Wochen für die Neuaufstellung nutzen, um unsere Basis breit einzubinden und die neue Führung mit einem starken Votum für die Zukunft auszustatten“, wird Klöckner in der Mitteilung zitiert.
Washington sichert künftiger Bundesregierung enge Zusammenarbeit zu
Nach der Bundestagswahl hat die US-Regierung der künftigen Bundesregierung eine enge Zusammenarbeit zugesichert. „Wir warten den Ausgang der Verhandlungen für die Bildung der nächsten deutschen Regierung ab“, sagte die stellvertretende Sprecherin des US-Außenministeriums, Jalina Porter, in Washington. „Wir freuen uns darauf, unsere starke Partnerschaft mit Deutschland bei vielen Schlüsselthemen fortzusetzen, die im beiderseitigen Interesse sind.“
ARD-DeutschlandTrend extra: Mehrheit für die Ampel
In einer Umfrage von infratest dimap für die ARD sprachen sich 62 Prozent der Befragten für den SPD-Kandidaten Scholz als Kanzler aus, 16 Prozent für Unions-Kandidat Laschet. 37 Prozent waren mit dem Ausgang der Bundestagswahl zufrieden oder sehr zufrieden. Würde der Kanzler direkt gewählt werden, entschieden sich 62 Prozent der Befragten für den SPD-Kandidaten Olaf Scholz und 16 Prozent für den Kandidaten der Union, Armin Laschet.
CDU-Bundesvize Bouffier sieht nach Wahl keinen Regierungsanspruch
Nach dem Absturz der Union bei der Bundestagswahl hat Hessens Regierungschef Volker Bouffier einen Regierungsanspruch verneint. Es sei ein bitterer Tag für die Union gewesen. „Es war eine Niederlage“, sagte der CDU-Bundesvize in Hofheim am Taunus vor einer Sitzung des Landesausschusses zur Wahl. „Wir haben keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung.“ Jetzt seien zuerst andere gefragt. Mit Blick auf scharfe Kritik am CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet warb Bouffier jedoch dafür, jetzt Disziplin zu wahren. Es wäre nicht klug, jetzt alles zu zerlegen.
Mecklenburg-Vorpommern: Ex-Landesparteichef Rehberg übernimmt CDU-Landesvorsitz
Personalwechsel bei der CDU in Mecklenburg-Vorpommern: Nach den Rücktritten des CDU-Landesvorsitzenden Michael Sack und des bisherigen Fraktionsvorsitzenden und Generalsekretär Wolfgang Waldmüller übernimmt Eckhardt Rehberg übergangsweise. Der Ex-Landesparteichef erklärte, dass die CDU trotz der personellen Ungewissheit für eine erneute Regierungszusammenarbeit mit der SPD bereit stehe.
Neue Fraktionen kommen zu ersten Sitzungen zusammen
Die meisten der neugewählten Bundestagsfraktionen kommen am Dienstag zu ihren ersten Sitzungen zusammen. Als erstes tagt um 9.00 Uhr die SPD. Sie hat ihre Beratungen aufgeteilt: In einer weiteren Sitzung am Mittwoch soll Rolf Mützenich als Fraktionschef wiedergewählt werden.
Am Dienstagvormittag kommt die Linken-Fraktion zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen (11.00 Uhr). Die neue Grünen-Fraktion trifft sich erstmals am Mittag (13.00 Uhr). Am Nachmittag folgt die CDU/CSU (17.00 Uhr), die ihren Fraktionschef Ralph Brinkhaus zumindest vorerst im Amt bestätigen dürfte. Die neue AfD-Fraktion berät erstmals am Mittwoch. Den Auftakt hatte heute Nachmittag die FDP gemacht.
Nutzerrekord für „Wahl-O-Mat
Der Wahl-O-Mat als Selbsttest für Parteiprogramme hat vor der Bundestagswahl einen Nutzerrekord verbucht. In der Zeit vom 2. bis 26. September wurde das Online-Angebot 21,25 Millionen Mal verwendet, teilte die Bundeszentrale für politische Bildung mit. Zur Bundestagswahl 2017 sei es 15,7 Millionen Mal durchgespielt worden. In 38 Thesen konnten sich Bürger über die Wahlprogramme der Parteien informieren. Der Wahl-O-Mat ging 2002 an den Start. Inzwischen gibt es auch einige Online-Konkurrenten.
Kretschmer gibt Wanderwitz Mitschuld an Unions-Ergebnis
Sachsens CDU-Chef und Ministerpräsident Michael Kretschmer hat dem Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder, Marco Wanderwitz (CDU), eine Mitschuld für das schlechte Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl gegeben. Äußerungen von Wanderwitz, wonach Menschen in Ostdeutschland teilweise „diktatursozialisiert“ seien, seien „sicher nicht hilfreich“ gewesen, sagte Kretschmer der „Leipziger Volkszeitung“
Wirtschaftsverbände für schnelle Regierungsbildung
Führende Wirtschaftsverbände haben vor einer langen Regierungsbildung nach der Bundestagswahl gewarnt. Alle Parteien müssten Verantwortung zeigen, Prioritäten angehen und auf „taktische Manöver“ verzichten, sagte der Präsident des Industrieverbandes BDI, Siegfried Russwurm. Um Herausforderungen wie Klimaschutz, digitalen Wandel oder geopolitische Krisen zu bewältigen, brauche man etwa eine Verwaltungsreform, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und ein Wachstumsprogramm.
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte, das einzig klare Wahlergebnis sei, dass es viele Koalitionsmöglichkeiten gebe. „Das lässt leider befürchten, dass es Wochen dauern kann, bis Koalitionsverhandlungen zu einem Ergebnis führen.“ Genau das müsse vermieden werden, solle eine Erholung der Wirtschaft nicht abgebremst werden.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft forderte Perspektiven für Investitionen. „Der Wirtschaftsstandort Deutschland verträgt angesichts schlechter Wirtschaftsdaten nicht noch einmal Koalitionsverhandlungen im Bummelzugtempo“, sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger.
Mecklenburg-Vorpommern: CDU-Landesvorsitzender Sack tritt zurück
Der Landesvorsitzende der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, Michael Sack, ist nach der Niederlage seiner Partei bei der Landtagswahl mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Auch CDU-Generalsekretär Wolfgang Waldmüller tritt zurück.
Lindner als FDP-Fraktionschef wiedergewählt
Die neue FDP-Fraktion im Bundestag hat sich konstituiert. Fraktionsvorsitzender bleibt Parteichef Christian Lindner, der mit 97,83 Prozent wiedergewählt wird. Wie lange der 42-Jährige das Amt ausübt, ist allerdings offen. Die FDP wird aller Voraussicht nach einer neuen Bundesregierung angehören und Lindner könnte dann ein Ministeramt übernehmen.
Junge Union in Sachsen fordert Laschets Rücktritt
Nach den starken Verlusten für die Union bei der Bundestagswahl hat die Junge Union in Sachsen den Rücktritt von CDU-Parteichef Armin Laschet verlangt. „Wir brauchen einen echten Neuanfang. Dieser kann nur erfolgreich sein, wenn unser Bundesvorsitzender und Kanzlerkandidat, Armin Laschet, die Konsequenzen aus diesem Vertrauensverlust zieht und zurücktritt“, sagte der Landesvorsitzende Marcus Mündlein in Dresden.
NRW: CDU-Nachwuchs will Wüst als Laschet-Nachfolger
Der Vorsitzende der Jungen Union in Nordrhein-Westfalen hat sich dafür ausgesprochen, dass NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst Nachfolger von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) werden soll. „Armin Laschet zieht über die Landesliste in den Deutschen Bundestag ein. Ich fände es gut, wenn wir einen Fahrplan für die NRW-CDU für die kommenden Tage und Wochen erarbeiten würden“, sagt Johannes Winkel der „Rheinischen Post“. Es sei kein Geheimnis, dass er selbst Wüst für einen geeigneten Nachfolger halte, sowohl als Landesvorsitzender als auch als Ministerpräsident. Am Abend tagt der Landesvorstand der NRW-CDU. Im Mai 2022 finden in NRW Landtagswahlen statt.
ARD-Brennpunkt: Der Koalitionskrimi nach der Wahl
Das Erste informiert ab 20.15 Uhr in einem Brennpunkt über die Lage nach der Bundestagswahl. Die 45-minütige Sondersendung aus dem ARD-Hauptstadtstudio analysiert die Wahlergebnisse. Tina Hassel vom ARD-Hauptstadtstudio spricht mit Spitzenvertreterinnen und -vertretern der Parteien, darunter SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, dem Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen Robert Habeck und FDP-Generalsekretär Volker Wissing.
ARD und ZDF erwägen wegen Wahl juristische Schritte gegen Bild TV
ARD und ZDF prüfen rechtliche Schritte gegen die Wahlberichterstattung von Bild TV. Die öffentlich-rechtlichen Sender werfen dem neuen Fernsehkanal des Axel-Springer-Verlags vor, ohne Erlaubnis am Wahlabend Material von ARD und ZDF genutzt zu haben. So habe Bild TV die 18.00-Uhr-Prognosen übernommen und den Anfang der traditionellen Elefantenrunde mit den Spitzenkandidaten der Parteien von ARD und ZDF gesendet, sagte ein ARD-Sprecher. Dies sei ohne Absprache geschehen. „Wir lassen das juristisch prüfen.“ Auch das ZDF erklärte: „Bild TV hatte keine Vereinbarung mit dem ZDF für die Verwendung der Live-Signale.“
„Falls sich aus der Übernahme seitens Bild Ansprüche von ARD und ZDF ergeben sollten, sind wir gerne bereit, diese zu begleichen“, sagte ein Sprecher von Bild TV. Man würde dann allerdings davon ausgehen, dass ARD und ZDF Leistungsschutzrechte auch gegenüber den sogenannten Gafa-Plattformen (Google, Amazon, Facebook, Apple) in gleicher Konsequenz geltend machten. Der Sprecher bezeichnete die Bundestagswahl als zeithistorischen Moment. Man habe die stark unterschiedlichen Prognosen mit klarem Quellenhinweis live zitiert und ausgewählte Sequenzen aus der „Berliner Runde“ übernommen und für die Zuschauer von Bild TV eingeordnet.
Dobrindt soll CSU-Landesgruppenchef bleiben
Alexander Dobrindt soll auch im neuen Bundestag die CSU-Landesgruppe anführen. Parteichef Markus Söder sagt, er werde Dobrindt wieder als Chef der 45 Parlamentarier vorschlagen. Die Zahl der CSU-Abgeordneten, die alle über Direktmandate in den Bundestag eingezogen sind, ist nur um eins geschrumpft, sie machen damit fast ein Viertel aller Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion aus. Die Fraktionsgemeinschaft muss nach jeder Bundestagswahl formal neu beschlossen werden.
Laschet will vorerst Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen bleiben
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) will nach der Niederlage bei der Bundestagswahl vorerst Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen bleiben. Er habe im Bundestagswahlkampf „sehr darauf geachtet“, seine Aufgabe als Ministerpräsident „sehr ernsthaft“ bis hin zu jeder Kabinettssitzung und Bearbeitung jedes Vorgangs weiterzuführen, sagte er in Berlin. „Deshalb können Sie davon ausgehen, dass ich das auch in der nächsten Zeit bis zu einem Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten in vollem Umfang machen werde.“
Laschet hat über die Landesliste ein Bundestagsmandat gewonnen. Mit der konstituierenden Sitzung des Bundestags am 26. Oktober würde Laschet dann Abgeordneter in Berlin. Sollte er das Bundestagsmandat annehmen, kann er laut Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen nicht länger Ministerpräsident bleiben. In dem Fall muss ein Übergangsregierungschef bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2022 gefunden werden.
Ziemiak kündigt nach Wahldebakel „schonungslose Analyse“ an
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat nach dem Wahldebakel der Union eine „schonungslose Analyse“ angekündigt. Es gebe keinen Grund, irgendetwas schönzureden, sagte er nach Beratungen der Parteigremien in Berlin. „Die Verluste sind bitter und sie tun weh.“ Besonders schmerze das Abschneiden im Osten, dort seien viele Mandate verloren worden. Die Analyse solle „brutal offen“ sein.
Die Union hatte bei der Wahl ein Debakel erlitten, sie stürzte von 32,9 Prozent auf den historischen Tiefpunkt von 24,1 Prozent ab.
Konflikte in der AfD-Spitze nach Wahlergebnis
Nach der Bundestagswahl sind in der AfD-Spitze erneut Konflikte zwischen den verschiedenen Lagern zutage getreten. Während sich das Spitzenduo Alice Weidel und Tino Chrupalla mit dem Ergebnis insgesamt zufrieden zeigte, übte Co-Parteichef Jörg Meuthen scharfe Kritik am Auftritt seiner Partei. Das Ergebnis dürfe nicht nach „Altparteien-Manier“ schöngeredet werden, sagte er bei einem gemeinsamen Auftritt mit Chrupalla und Weidel. Die AfD kam bei der Bundestagswahl auf 10,3 Prozent der Stimmen. Die Partei verlor damit im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren 2,3 Prozentpunkte.
Evangelische Kirche besorgt über AfD-Erfolg in Sachsen
Führende Vertreter der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens haben sich besorgt über den Ausgang der Bundestagswahl im Freistaat geäußert. Während die AfD bundesweit 10,3 Prozent der Wählerstimmen erhielt, wurde sie in Sachsen mit 24,6 Prozent der Zweitstimmen stärkste Kraft. „Mit Sorge sehe ich, dass gerade in unserem Bundesland jene Partei so viel Zuspruch erfahren hat, deren Vertreter zum Teil offen nationalistische und rassistische Vorurteile bedienen“, sagte Sachsens evangelischer Landesbischof Tobias Bilz in Dresden. Mit Ausländerfeindlichkeit und einer Offenheit für Verschwörungstheorien schüre die AfD Misstrauen in die Demokratie und trage zu einem gesellschaftlichen Unfrieden maßgeblich bei.
Beunruhigt über das Wahlergebnis äußerte sich auch Sachsens Diakoniechef Dietrich Bauer. „Bestehende Gräben haben sich weiter gefestigt, und das Ergebnis ist auch eine starke Belastungsprobe für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagte er.
Panne bei der Deutschen Post führt zum Verlust von 352 Stimmen
Eine Panne in einem Verteilerzentrum der Deutschen Post in Hamburg-Altona hat zum Verlust von 352 Briefwahlstimmen bei Bundestags-, Landtags- und einer Bürgermeisterwahl im Nordosten geführt. Diese Stimmen seien verloren, sagte die Landeswahlleiterin von Mecklenburg-Vorpommern, Gudrun Beneicke. Der Versand von zwei Postkisten sei versäumt worden, hierdurch seien sie zu spät bei der Landeswahlleitung eingetroffen.
Die Deutsche Post teilte auf Anfrage mit:
Wir haben nach Kenntnis des Vorfalls umgehend die Landeswahlleitung und den Bundeswahlleiter darüber informiert. Wir bedauern die Transportverzögerung außerordentlich, möchten aber betonen, dass dies ein Ausnahmefall war.
168 Wahlbriefe waren laut der Landeswahlleiterin für die Bundestagswahl im Nordosten bestimmt, 163 für die Landtagswahl und 21 für die Bürgermeisterwahl in Bolzenburg, einer kleinen Stadt in Mecklenburg-Vorpommern.
Grünen-Chef Habeck hält sich bedeckt bei Vizekanzler-Frage
Bei der Pressekonferenz der Grünen antwortet Parteichef Habeck antwortet auf die Frage, ob er oder Annalena Baerbock Vize-Kanzler beziehungsweise Vize-Kanzlerin werden würde: „Sie können davon ausgehen, dass wir diese Frage geklärt haben, sie zur gegeben Zeit kundtun.“
Falschmeldungen über angebliche Manipulationen
In Berlin hat es schwere Pannen bei der Bundestagswahl gegeben, die für viel Kritik sorgen. Gleichzeitig kursieren irreführende Behauptungen, die einen angeblichen Wahlbetrug belegen sollen.
Özdemir bundesweit erfolgreichster Grünen-Direktkandidat
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir hat bundesweit die meisten Stimmen aller erfolgreichen Grünen-Direktkandidaten geholt. Bei der Bundestagswahl entfielen auf ihn im Südwesten in seinem Wahlkreis Stuttgart I 40 Prozent der Erststimmen, wie aus vorläufigen Zahlen des Bundeswahlleiters hervorgeht. Nur Canan Bayram verbuchte in seinem Wahlkreis in Berlin mit 37,8 Prozent ein annähernd ähnlich hohes Ergebnis. In Baden-Württemberg ist Özdemir sogar Stimmenkönig unter den Direktkandidaten aller Parteien. Auf Platz zwei folgt Roderich Kiesewetter, der als CDU-Direktkandidat im Wahlkreis Aalen-Heidenheim 37,0 Prozent der Stimmen bekam.
Laschet: „Söder und ich schlagen Brinkhaus als Fraktionschef vor“
CDU-Chef Armin Laschet schlägt Ralph Brinkhaus zur Wiederwahl als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor. Er werde dies zusammen mit CSU-Chef Markus Söder vorbringen, sagt Laschet nach den Gremiensitzungen seiner Partei. Wie dies formal ablaufen solle, werde im Laufe des Tages geklärt, fügt der CDU-Chef hinzu. Hintergrund ist, dass es innerparteiliche Kritik daran gibt, dass Brinkhaus bei der konstituierenden Sitzung am Dienstag gewählt werden soll.
Habeck und Baerbock wollen als Team in Sondierungen gehen
„Wir führen die Verhandlungen gemeinsam“, sagt Grünen-Co-Chef Robert Habeck. Das Verhältnis zur Co-Chefin Annalena Baerbock sei vertrauensvoll und solle zu einem Anker einer stabilen Regierung werden. Laut Baerbock steht das genaue Sondierungsteam der Grünen noch nicht, weil es noch nicht in allen Gremien abgeklärt sei.
Habeck: Ampel hat Vorrang – Gespräche mit Union aber möglich
Grünen-Chef Robert Habeck schließt Gespräche mit der Union nicht aus. Es gebe durch das Wahlergebnis aber eine gewisse Logik, zunächst über eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP zu sprechen, sagt Habeck in Berlin. „Das heißt aber nicht, dass wir nicht mit der Union reden werden.“
Baerbock: „Klarer Auftrag, für Aufbruch zu sorgen“
Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat in einer Pressekonferenz ihrer Partei gesagt, dass man einen klaren Auftrag von den Wählerinnen und Wählern bekommen habe, für einen Aufbruch in Deutschland zu sorgen. Wichtig sei nun die Erneuerung des Landes.
SPD benennt sechs Mitglieder für Sondierungsteam
Ein sechsköpfiges Sondierungsteam soll für die SPD erste Gespräche mit Grünen und FDP führen, um die Chancen zur Bildung einer Ampelkoalition auszuloten. Das beschließt der Parteivorstand laut Teilnehmerkreisen. Zum Team gehören demnach Kanzlerkandidat Olaf Scholz, die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Im Parteivorstand habe Einigkeit geherrscht, dass vor den Gesprächen keine roten Linien formuliert würden.
Laschet: „Keine Partei kann klaren Regierungsauftrag ableiten“
Armin Laschet sieht nach dem Ausgang der Wahl keinen klaren Regierungsauftrag an eine Partei. Gespräche mit anderen Parteien müssten auf Augenhöhe geführt werden.
Laschet: „Stehen zu Jamaika-Gesprächen bereit“
CDU-Chef Laschet hat nach der Sitzung des Parteivorstandes angekündigt, die CDU stehe zu Koalitionsgesprächen mit der FDP und den Grünen bereit.
Laschet spricht von Anteil an Wahlniederlage
Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat einen persönlichen Anteil an der Wahlniederlage der Union eingeräumt. Nötig sei nun ein Prozess der Erneuerung.
Sichtbare Kreuzchen: Laschet-Stimmabgabe ohne Folgen
Die Stimmabgabe von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet mit zwei sichtbaren Kreuzen bei der CDU auf dem Wahlzettel bleibt folgenlos. „Der Stimmzettel von Herrn Laschet wird nicht aussortiert“, teilte eine Sprecherin der Stadt Aachen mit. Da der Bundeswahlleiter noch am Wahlsonntag geschrieben habe, dass die Stimme gültig sei, werde diese wie alle anderen Stimmen und Stimmzettel behandelt.
Der CDU-Bundesvorsitzende hatte am Wahlsonntag im Wahllokal bei einem Fototermin seinen Stimmzettel in die Urne gesteckt. Dabei waren seine Kreuze bei der CDU zu erkennen.
Söder kündigt umfassende Aufarbeitung an
Nach dem schlechten Abschneiden der Union bei der Bundestagswahl hat CSU-Chef Markus Söder eine umfassende Aufarbeitung und Fehleranalyse angekündigt. „Wir dürfen es nicht schön reden“, sagte der bayerische Ministerpräsident nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Die Union dürfe jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
Söder betonte, dass damit aber „keine Rückspiele oder Zusatzkritik“ an Kanzlerkandidat Armin Laschet verbunden sei. „Es ist wichtig, dass wir uns jetzt ernsthaft damit auseinandersetzen“, die Union müsse sich mit einer Analyse „ehrlich machen“. „Es ist eine sehr ernste Zeit für die Union.“ Erneuern gehe am besten in der Regierung.
Söder: „Jamaika-Koalition nicht um jeden Preis“
CSU-Chef Markus Söder umwirbt FDP und Grüne zur Bildung einer sogenannten Jamaika-Koalition im Bund. „Aus Platz zwei ergibt sich kein Anspruch auf die Regierungsbildung. Wir können nur ein Angebot machen“, sagt der bayerische Ministerpräsident nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Die Union werde das aus Verantwortung für das Land tun, wolle sich dabei aber nicht anbiedern, betont er. Die CSU werde eine solche Koalition nicht um jeden Preis anstreben. Eine bayerische Handschrift und die Union-Konturen müssten dabei noch erkennbar sein.
Die FDP beschließt „Vorsondierungen“ mit den Grünen
Der FDP-Vorstand hat „Vorsondierungen“ mit den Grünen über eine Regierungszusammenarbeit beschlossen. Das erklärte Parteichef Christian Lindner im Anschluss an die Vorstandssitzung. Lindner sieht seine Partei als eine der Siegerinnen der Bundestagswahl. Es sei erstmals in der Geschichte gelungen, an zwei aufeinanderfolgenden Wahlen zweistellige Ergebnisse zu erzielen, sagte er in Berlin. Den Grund hierfür sieht er in der Wahlkampagne: „Wir haben im Wahlkampf sehr eigenständig für unsere Grundwerte geworben, wir haben den Wert der Freiheit ins Zentrum gestellt, wir haben für das wirtschaftliche Vorankommen eines jeden einzelnen Menschen und unseres Landes insgsamt Partei ergriffen.“ Für diese Grundeinstellungen sei die FDP auch gewählt worden.
Meuthen: „Wahlergebnis nicht schönreden“
AfD-Co-Sprecher Jörg Meuthen hat nach den Stimmverlusten seiner Partei eine gemischte Bilanz gezogen. Es gebe Licht und Schatten; die AfD habe in alle Richtungen Stimmen abgegeben. „Unter dem Strich wird man sich das als Erfolg nicht verbuchen können. Versuche, sich das in einer Art von ‚Altparteien-Manier‘ schönzureden, darf es bei uns nicht geben.“ Die AfD habe als Parteimotto „Mut zur Wahrheit“, „und dazu gehört dann eben auch, die Dinge nicht schönzureden.“ Das politische Ziel, die Dinge in Deutschland zum Positiven zu verändern, gelinge mit diesem Wahlergebnis nicht. Meuthen regte eine „schonungslose innerparteiliche Aufarbeitung“ an.
Politologe: Wahlergebnis „politische Kernschmelze“ für die CDU
Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer sieht nach der Bundestagswahl schwere Zeiten auf die Union zukommen. „Das schlechteste Ergebnis ihrer gesamten Geschichte ist für die CDU eine politische Kernschmelze“, sagte Niedermayer dem „Handelsblatt“. Die Wählerbasis sei damit zu gering, „um noch den Volksparteianspruch aufrechterhalten zu können“. Armin Laschet sei „in den Augen der Mehrheit der Wähler und der Unionsanhänger von Anfang an der falsche Kandidat“ gewesen. Die Niederlage müsste nach Ansicht Niedermayers „eigentlich zu heftigen innerparteilichen Diskussionen über eine personelle und inhaltliche Neuaufstellung führen“. Dass die CDU sich momentan hinter ihren Vorsitzenden Laschet stelle, wertete der Politikwissenschaftler als Zeichen, dass dieser die Chance auf die Kanzlerschaft aufrechterhalten wolle.
Nach Ansicht des Passauer Politikwissenschaftlers Heinrich Oberreuter hätte die Union CSU-Chef Markus Söder ins Rennen ums Kanzleramt schicken sollen. „Mit der größeren kommunikativen Klarheit und stärkeren Ausstrahlung als Führungskraft wäre es mit Söder besser gelaufen“, sagte Oberreuter dem „Handelsblatt“. Er sieht aber auch Fehler der CDU-Zentrale im Konrad-Adenauer-Haus: „Katastrophal war die Inkompetenz des Parteiapparats.“ Das von Laschet präsentierte „Zukunftsteam“ und sein „Sofortprogramm“ seien „erkennbar Notstandsmaßnahmen“ gewesen.
Kreml: Sorge um Nord Stream 2
Nach der Bundestagswahl hofft der Kreml auf ein gutes Verhältnis zur neuen Bundesregierung in Berlin. „Wir sind daran interessiert, dass die Beziehungen fortbestehen und ausgebaut werden“, sagte Sprecher Dmitri Peskow in Moskau der Staatsagentur Ria Nowosti zufolge. „Uns eint die Einsicht, dass Probleme nur im Dialog gelöst werden können und sollten.“ Zudem hoffe Peskow auf „Kontinuität in unseren bilateralen Beziehungen“.
Das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau ist wegen verschiedener Konflikte sehr angespannt, etwa wegen der Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny. Moskau sieht sich zudem zu Unrecht in die Verantwortung genommen für den Mord an einem Georgier in Berlin und den Hackerangriff auf den Bundestag 2015.
Der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow sieht insbesondere die Möglichkeit eines neuen grünen Außenministers skeptisch. Das wäre eine nicht sehr vielversprechende Perspektive, schrieb er bei Facebook. „Zwar sind die Grünen nicht mehr die systemfeindlichen Rebellen der 1990er Jahre.“ Aber sie nehmen bei „uns wichtigen Themen fast immer scharfe antirussische Positionen ein“, sagte er und verwies etwa auf die Gaspipeline Nord Stream 2 und die Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim.
Russland hofft nach der Wahl in Deutschland vor allem, dass sich die Inbetriebnahme der Ostseepipeline nicht noch verzögert. In Moskau hatten zuletzt immer wieder Politiker auf die kritische Haltung der Grünen gegenüber der Pipeline verwiesen. Wann die bereits komplett verlegte Leitung in Betrieb geht, ist unklar.
China hofft auf gute Zusammenarbeit mit neuer Bundesregierung
Ohne einer Partei direkt zu gratulieren, hat China nach der Bundestagswahl die Hoffnung auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit mit Deutschland geäußert. „Wir nehmen zur Kenntnis, dass die vorläufigen Ergebnisse der Stimmenauszählung der Bundestagswahl bekannt gegeben wurden“, sagte Hua Chunying, eine Sprecherin des Pekinger Außenministeriums. „Wir hoffen und erwarten, dass die neue deutsche Regierung ihre pragmatische und ausgewogene China-Politik fortsetzt“, so die Sprecherin weiter.
Ausdrücklich lobte sie den Einsatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die in ihrer Amtszeit großen Wert auf den Ausbau der Beziehungen zur Volksrepublik gelegt habe. „China weiß dies sehr zu schätzen“, so Hua Chunying. Vor der Wahl hatten Beobachter in China Befürchtungen geäußert, dass sich unter einer neuen Bundesregierung das Verhältnis verschlechtern und sich Deutschland eher an den USA orientieren könnte, die ein internationales Bündnis gegen Peking schmieden.
Hans: Union darf sich „nicht verbiegen“
Der Ministerpräsident des Saarlandes, Tobias Hans, hat die Wichtigkeit nicht verhandelbarer Themen der CDU bei möglichen Koalitionsverhandlungen betont. „Die DNA der Partei darf dadurch nicht verschoben werden. Es muss vorher klar sein, wofür die CDU steht, was mit ihr nicht verhandelbar ist. Und nur damit können Gespräche geführt werden“, sagte Hans vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. Die CDU stehe „zu dem, was sie vor der Wahl gesagt“ habe und lasse sich in möglichen Koalitionsverhandlungen „nicht verbiegen“.
Aus dem Wahlergebnis lasse sich „kein Regierungsanspruch“ ableiten. „Ansonsten wählen wir den aufrechten Gang in die Opposition.“ Aus „staatspolitischer Verantwortung“ stehe die CDU jedoch für Gespräche bereit. Verhandlungen über eine Ampel-Koalition, also über ein SPD-geführtes Bündnis mit Grünen und FDP bewertete Hans als „nicht einfach“. „Da gehen die Interessen sehr deutlich auseinander.“ Daher geht Hans davon aus, dass Gespräche auch mit der Union geführt werden. Die CDU müsse das Wahlergebnis aber mit einer „gewissen Demut“ entgegennehmen. „Wir haben die Wahl verloren“, sagte der Ministerpräsident.
Rechtsextremismus-Experte: AfD von bestimmten Ämtern fernhalten
Der Rechtsextremismusexperte und Soziologe Matthias Quent hat sich dafür ausgesprochen, die AfD aus bestimmten Posten und Gremien im neuen Bundestag herauszuhalten. „Ein Großteil der Bevölkerung – das wissen wir aus Umfragen – will mit der AfD nichts zu tun haben und erwartet ein klares Vorgehen gegen Rechtsextremismus“, sagte Quent der Nachrichtenagentur dpa. Insofern sei die Ausgrenzung „dieser Rechtsaußen-Partei“ wichtig, dies belegten auch die Verluste der AfD bei der Wahl trotz der historischen Krisensituation der Corona-Pandemie.
Die AfD sei für viele Wähler auch deshalb keine potenzielle Wahloption, weil sie im Parlament auf Bundesebene nicht wie eine normale Partei behandelt werde. „Sie ist keine normale, demokratische Partei und das kann sich durchaus auch in symbolischen Akten, im politischen und zivilgesellschaftlichen Handeln widerspiegeln. Das ist Teil einer Debatte um soziale Normen“, sagte Quent. In der vergangenen Legislaturperiode scheiterte die AfD stets mit ihren Kandidaten für das Amt des Vize-Bundestagspräsidenten. Auch in Länderparlamenten gelingt es der AfD oft nicht, bestimmte Posten – zum Beispiel in Gremien zur Kontrolle des Verfassungsschutzes oder als stellvertretende Landtagspräsidenten – zu besetzen, weil sie für ihre Kandidaten keine Mehrheiten bekommt.
Quent vertritt die Auffassung, das dies ein „richtiges Signal“ sei. „Wehrhafte Demokratie heißt, nach Innen und nach Außen zu demonstrieren, Normen zu schaffen und ein gesellschaftliches Problembewusstsein zu schaffen, dass das eben keine normale Partei ist“, sagte der Experte. Die AfD wurde bei der Bundestagswahl in Sachsen und in Thüringen stärkste Partei.
Scholz: Mützenich soll SPD-Fraktionschef bleiben
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich soll auch Vorsitzender der neuen Bundestagsfraktion bleiben. „Wir sind uns einig, dass der jetzige Fraktionsvorsitzende ein ganz toller Mann ist“, erklärte Kanzlerkandidat Scholz. Mützenich sein ein „ganz wichtiger Baustein für unser gemeinsames Gebäude“ gewesen. „Ein guter Mann, und den brauchen wir da.“ Die neue SPD-Fraktion wählt am Mittwoch ihren Vorsitzenden.
Gratulationen aus Europa für SPD und FDP
Nach der Bundestagswahl hat Europaparlamentspräsident David Sassoli die deutschen Parteien zu einer raschen Regierungsbildung aufgerufen. „Nach dieser historischen Krise gibt es keine Zeit zu verlieren“, schrieb der Italiener mit Verweis auf die Corona-Pandemie auf Twitter. „Europa braucht einen starken und verlässlichen Partner in Berlin, damit wir unsere gemeinsame Arbeit für eine soziale und grüne Erholung fortsetzen können.“ Zugleich gratulierte Sassoli Olaf Scholz und der SPD zu ihrem Wahlsieg. Der 65-Jährige ist Mitglied der italienischen Partito Democratico (PD) an, die im Europaparlament der sozialdemokratischen Fraktion angehört.
Wissler und Hennig-Wellsow wollen Linken-Chefinnen bleiben
Die beiden Co-Vorsitzenden der Linken wollen nach dem drastischen Einbruch ihrer Partei bei der Bundestagswahl im Amt bleiben. „Es geht für uns darum, dass wir die Verantwortung weiter tragen“, sagte Co-Chefin Susanne Hennig-Wellsow in Berlin. Ihre Mitvorsitzende Janine Wissler sagte, die Ursachen für das Ergebnis lägen tiefer, als dass dies durch Personalentscheidungen zu lösen sei. Wissler und Hennig-Wellsow führen die Linke erst seit diesem Frühjahr. Natürlich trügen sie als Vorsitzende die Verantwortung, sagte Hennig-Wellsow. Man sei aber bereit, die Partei durch den nun bevorstehenden gemeinsamen Prozess zu führen. „Das Schlechteste was wir jetzt machen könnten, (wäre) uns in dieser Situation vom Acker zu machen und zu sagen, jetzt macht mal.“
Die Ursachen für das schlechte Abschneiden der Linken sieht Spitzenkandidat und Fraktionschef Dietmar Bartsch in den vergangenen Jahren. Die Partei sei nicht als geschlossene Formation aufgetreten, sondern habe ein Bild der Zerrissenheit abgegeben. Am kommenden Wochenende will der Parteivorstand über das Wahlergebnis und über Konsequenzen beraten, wie die Parteichefinnen ankündigten. Hennig-Wellsow sprach von einem „blauen Auge“ und der letzten Chance, die Linke nach vorn zu entwickeln.
Die Partei war am Sonntag bei der Bundestagswahl von 9,2 auf 4,9 Prozent eingebrochen. Dass sie trotz Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde als Fraktion mit 39 (-30) Abgeordneten in den Bundestag einziehen kann, verdankt sie nur den drei Parteimitgliedern Gregor Gysi, Gesine Lötzsch und Sören Pellmann, die in ihren Wahlkreisen in Berlin und Leipzig Direktmandate gewonnen haben. Eine Partei kann auch dann gemäß ihrem Zweitstimmenanteil in den Bundestag einziehen, wenn sie drei oder mehr Direktmandate gewinnt. Die Fünf-Prozent-Sperre wird dadurch aufgehoben.
Aiwanger: Tweet mit Wahlprognose ein „Missgeschick“
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hat die Verbreitung einer Wahlprognose vor Schließung der Wahllokale als „Missgeschick“ bezeichnet. „Es war ein Missgeschick, nicht mit der Absicht gegen Gesetze zu verstoßen“, sagte Aiwanger in München vor Journalisten. Es sei keine böse Absicht gewesen, die Freien Wähler wollten die Details nun intern klären.
Aiwanger hatte Sonntagnachmittag auf Twitter aus einer ZDF-Prognose zitiert und damit einen Wahlaufruf zugunsten der Freien Wähler verbunden. Später löschte er den Tweet. Nach dem Bundeswahlgesetz ist die Veröffentlichung von Wählerbefragungen vor Schließung der Wahllokale eine Ordnungswidrigkeit, für die bis zu 50.000 Euro Geldbuße drohen.
Die CSU hatte Aiwanger dafür scharf kritisiert. Außerdem warfen CSU-Chef Markus Söder und CSU-Generalsekretär Markus Blume den Freien Wählern, die bundesweit auf gut zwei Prozent kamen, vor, das bürgerliche Lager geschwächt zu haben. Aiwanger sagte, er werde sich nicht dafür rechtfertigen, mit den Freien Wählern angetreten und Stimmen geholt zu haben. Eine Krise der Koalition mit der CSU in Bayern sieht der stellvertretende Ministerpräsident ebenfalls nicht. Er gehe davon aus, sobald sich die CSU-Landesgruppe gebildet habe, „in alter Eintracht“ vernünftig mit der CSU weiterarbeiten zu können.
Franzosen hoffen auf starke deutsche Regierung
Frankreich hofft auf zügige Koalitionsverhandlungen in Berlin. „Es liegt im Interesse Frankreichs, schnell eine starke Regierung in Deutschland zu haben“, sagte Europa-Staatssekretär Clément Beaune dem französischen Sender France2. Es sollten schon jetzt informelle Diskussionen zwischen der französischen Regierung und den deutschen Parteien aufgenommen werden, damit die Arbeit miteinander funktioniere, wenn die Regierung gebildet sei. „Ich hoffe, das passiert bis Ende des Jahres“, fügte er hinzu. „Die Deutschen haben gewissermaßen Merkel gewählt“, sagte Beaune. Stabilität habe im Wahlkampf eine große Rolle gespielt, Frankreich habe keinen Richtungswechsel im Nachbarland zu befürchten. Alle Parteien, die an der Koalition beteiligt sein könnten, seien pro-europäisch eingestellt.
Freilich seien sich Frankreich und Deutschland nicht in allen Punkten einig. „Wir werden uns anpassen müssen, aber sie müssen sich auch an uns anpassen“, sagte Beaune. Mit den Sozialdemokraten sei es einfacher, über Investitionen und Haushaltsregeln zu diskutieren. Mit der CDU hingegen könne Frankreich besser über Verteidigung und Sicherheit reden, sagte Beaune. „Es gibt offensichtlich eine Differenz zu den Grünen mit Blick auf die Atomenergie“, sagte Beaune. Da seien die deutschen Liberalen näher an der französischen Position.
Beaune erinnerte daran, dass Frankreich sich auf EU-Ebene dafür einsetze, Atomenergie als „grüne Investition“ einzustufen. Auf europäischer Ebene könnte Frankreich künftig mehr Gewicht als Ideengeber bekommen, sagte Beaune weiter. „Wir machen schon seit vier Jahren Vorschläge für Europa.“ Außerdem geschehe es demnächst zum ersten Mal seit 20 Jahren, dass ein deutscher Kanzler zum Antrittsbesuch zum französischen Präsidenten komme. Bisher sie dies immer umgekehrt der Fall gewesen.
Scholz zieht Parallelen zu früheren SPD-Regierungen
SPD-Kanzlerkandidat Scholz fühlt sich von der bundesrepublikanischen Geschichte ermutigt, ein Regierungsbündnis mit Grünen und FDP einzugehen. Nach der SPD-Präsidiumssitzung verwies er auf die sozialliberale Koalition in den 1970er Jahren sowie auf die rot-grünen Regierungsjahre zwischen 1998 und 2005. „Jetzt gewissermaßen eine sozial-ökologisch-liberale Koalition zu bilden, hat also Grundlagen in der Geschichte der Regierungstätigkeit in Deutschland und ist auch genau das, was man tun muss, wenn man dafür sorgen will, dass in Deutschland die Zukunftsaufgaben aufgegriffen werden, die vor uns stehen.“ Es gebe große Aufgaben, denen sich die SPD stellen wolle „und über die wir mit den beiden anderen Parteien ins Gespräch kommen wollen.“
Deutliche Kritik an Laschet im CSU-Vorstand
Nach dem Unions-Absturz bei der Bundestagswahl ist im CSU-Vorstand deutliche Kritik an CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet laut geworden. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte in der Vorstandssitzung nach Teilnehmerangaben, es habe bei der CDU Schwächen bei Kurs, Kampagne und beim Kandidaten gegeben.
Bayerns Junge-Union-Chef Christian Doleschal sagte demnach, man müsse ehrlich analysieren, dass die Union diese Wahl nicht gewonnen habe. Der Kandidat sei hierbei als erstes zu nennen: Dieser habe bis zum Wahltag jedes Fettnäpfchen mitgenommen, das es gegeben habe. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sprach intern demnach von einem bitteren Ergebnis für die Union – und erinnerte daran, dass CSU-Chef Markus Söder im Frühjahr das Angebot gemacht hatte, selbst Kanzlerkandidat zu werden. Und mit ihm hätte die Union viel, viel besser abgeschnitten.
Medien: Laschet nimmt Äußerungen zu „Regierungsauftrag“ zurück
CDU-Chef Laschet hat seine Darstellung, dass die Union einen Regierungsauftrag von den Wählerinnen und Wählern erhalten habe, laut Medien revidiert. Wie die „Bild“ und die Zeitung „Die Welt“ übereinstimmend berichten, widersprach in der Präsidiumssitzung in Berlin nach übereinstimmenden Teilnehmerangaben dem Eindruck, er habe in der Wahlnacht einen „Regierungsanspruch“ für die Union formuliert.
Berlin: Giffey braucht Dreierbündnis
Die Berliner SPD musste um den Wahlsieg zittern und steht nun vor schwierigen Koalitionsgesprächen. Um Regierende Bürgermeisterin zu werden, braucht Giffey ein Dreierbündnis.
Merz stützt Kurs der Parteispitze
Der CDU-Politiker Friedrich Merz unterstützt den Kurs der Parteispitze, trotz der Wahlschlappe die Möglichkeit einer Regierungsbildung unter Unions-Führung auszuloten. Die Union habe eine Verantwortung, die über ihre eigene Parteipolitik hinausgehe, sagt der Ex-Unionsfraktionschef in der ARD. Insofern unterstütze er, „dass wir jetzt mit Armin Laschet, mit Markus Söder versuchen, eine Regierung in Deutschland zu bilden“.
Der Abstand zwischen SPD und Union von 1,6 Prozent sei zu gering, um eindeutig einen Gewinner und Verlierer zu benennen. Merz ließ offen, ob er Ambitionen auf das Amt des Fraktionsvorsitzenden der Union hege. Für Personaldiskussionen sei jetzt nicht die Zeit. Merz sprach von einer „schweren „Wahlniederlage“ für die Union. „Das müssen wir erstmal verarbeiten, das braucht Zeit.“
Baerbock: „Sind unter unseren Erwartungen geblieben“
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat eingeräumt, dass ihre Partei bei der Bundestagswahl die selbstgesteckten Ziele nicht erreicht hat. „Wir sind unter unseren Erwartungen geblieben“, sagte sie vor einer Sitzung des Parteivorstands in Berlin. Nun gehe es aber trotzdem darum, bei der Regierungsbildung „einen wirklichen Aufbruch für dieses Land zu schaffen“. Zu Präferenzen und zum Ablauf der Sondierungsgespräche wollte Baerbock sich nicht äußern.
Landeswahlleiterin zu Unregelmäßigkeiten bei Berliner Abgeordnetenhauswahl
Fehlende Stimmzettel, lange Verzögerungen – bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin gab es Chaos. Politiker und Experten fordern Aufklärung. Nun erklärt sich die Landeswahlleiterin.
Politikwissenschaftlerin: „Großes Fragezeichen“ hinter Jamaika-Option
Nach Einschätzung der Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele werden die kommenden Tage zeigen, ob ein Regierungsbündnis aus Union, Grünen und FDP realistisch ist. Es hänge davon ab, „wie die Union mit dem Wahlergebnis umgeht, wie letztendlich auch das Wahlergebnis öffentlich interpretiert wird. Weil, ganz ehrlich: Die Union hat eine krachende Niederlage eingefahren.“ Wie man da einen Regierungsauftrag herauslesen könne, da müsse Armin Laschet sein Präsidium, aber auch die Wählerinnen und Wähler überzeugen. „Ob ihm das überhaupt gelingt? Da habe ich noch ein großes Fragezeichen dahinter“, so Römmele.
Gemischte Gefühle bei den Grünen nach der Wahl
Ein wenig Ernüchterung neben großer Freude – das Wahlergebnis löst bei den Grünen gemischte Gefühle aus. Der Blick zurück zeigt Fehler, der Blick nach vorn gibt Selbstvertrauen.
Experten halten Anfechtung der Wahl für unwahrscheinlich
Nach einigen Pannen konnten zahlreiche Wählerinnen und Wähler in Berlin ihre Stimme erst weit nach 18 Uhr abgeben – während die Prognose schon bekannt war. Die Wahl sei deshalb aber kaum anfechtbar, sagen Experten.
Klimaexperte fordert schnelle Maßnahmen
Der Klimaexperte Otmar Edenhofer fordert nach der Bundestagswahl wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel. „Vor der Wahl haben die Parteien gern und viel vom Klima geredet“, erklärte der Direktor und Chef-Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Nun müsse gehandelt werden. Die neue Regierung müsse eine zielgerichtete Energiesteuerreform angehen, den CO2-Preis zum Leitinstrument machen, einen fairen Sozialausgleich beim CO2-Preis einführen und einen starken Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen.
Auch eine aktive Klima-Außenpolitik sei erforderlich, betonte Edenhofer, der auch Ko-Vorsitzender der von der Bundesregierung berufenen Wissenschaftsplattform Klimaschutz ist. Der „Green Deal“ der EU-Kommission müsse zum Erfolg und USA und China mit Europa an einen Tisch gebracht werden, um einen weltweiten Rückgang der Emissionen zu erreichen. „Das alles gilt, egal welche Koalition sich jetzt zusammenfindet“, betonte Edenhofer: „Denn alle Parteien stehen vor derselben Herausforderung – Klimagefahren wie Fluten und Hitzewellen begrenzen und Tempo machen bei der Klimapolitik als Wirtschaftspolitik.“ Dies sei keine Frage der Parteifarbe, erklärte der Wissenschaftler: „Die Klimakrise ist unparteiisch. Sie trifft auf Dauer alle.“ Wer jetzt zaudere, treibe die Kosten und die Risiken für die Menschen hoch. Weitere Jahre des Stillstands könne sich die Welt nicht leisten.
Bundeswahlleiter prüft Aiwanger-Tweet
Im Fall der von Freie-Wähler-Parteichef Hubert Aiwanger vorab veröffentlichten Wahl-Prognosen prüft der Bundeswahlleiter einen Verstoß gegen das Wahlgesetz. Es bestehe die Möglichkeit, dass Aiwanger mit seinem Post auf dem Online-Kurznachrichtendienst Twitter gegen Paragraf 32 Absatz 2 des Bundeswahlgesetzes verstoßen habe, teilte der Bundeswahlleiter am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit. In dem betreffenden Gesetzespassus heißt es: „Die Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung ist vor Ablauf der Wahlzeit unzulässig.“
Aiwanger äußerte sich bisher auf Anfragen nicht zu dem Vorfall. Der Post wurde umgehend von dem Twitter-Account gelöscht. Der Freie-Wähler-Chef hatte am Sonntagnachmittag auf seinem Twitter-Account die vorläufigen Prognose-Ergebnisse eines Umfrageinstituts veröffentlicht und dies gleich mit einem letzten Wahlaufruf für die Freien Wähler verbunden. Die CSU warf ihm daraufhin Wahlmanipulation vor. „Das geht gar nicht“, sagte Ministerpräsident Markus Söder und kündigte eine Aufarbeitung an.
Wirtschaft mahnt rasche Koalitionsverhandlungen an
Wirtschaftsverbände, Topmanager und Ökonomen mahnen rasche Koalitionsverhandlungen und entschlossene Reformen der nächsten Regierung an. Trotz des engen Wahlausgangs dürfe es nicht zu einer Situation wie 2017 kommen.
Kreise: Söder warnt vor „Schönreden“
CSU-Chef Markus Söder hat das Unions-Resultat bei der Bundestagswahl als enttäuschendes Ergebnis und als Niederlage bezeichnet. In einer CSU-Vorstandssitzung warnte Söder nach Teilnehmerangaben davor, das Ergebnis schönzureden und einfach zur Tagesordnung überzugehen. Auch das CSU-Ergebnis sei schlecht, man sei aber noch mit einem blauen Auge davongekommen – man stelle nun ein Viertel der Fraktion im Bundestag. Zudem verwies Söder darauf, dass man bis auf eines alle Direktmandate in Bayern verteidigt habe.
Die Union könne keinen zwingenden Anspruch auf die Regierungsführung erheben, stellte Söder klar. Die Union sei auf Platz zwei und nicht eins gelandet, es gebe daraus keinen Anspruch auf die Regierungsführung – allerdings ein Angebot für Gespräche. Ein solches Angebot mache man – aber es werde kein „Anbiedern um jeden Preis“ bei Grünen und FDP geben, betonte Söder.
Bericht: Streit zwischen Laschet und Brinkhaus?
Nach Information der Zeitung „Die Welt“ ist es im CDU-Präsidium am Morgen zu einem Streit zwischen CDU-Kanzlerkandidat Laschet und Unionsfraktionschef Brinkhaus gekommen. Laschet schlug vor, Brinkhaus solle den Fraktionsvorsitz zunächst „kommissarisch“ weiterführen. Die für Dienstag geplante Wahl solle ausfallen. Brinkhaus widerspach dem Bericht zufolge – er will sich erneut wählen lassen, zunächst für ein Jahr. Ob es Gegenkandidaten geben wird, ist noch unklar.
Ramelow sieht Regierungsauftrag bei der SPD
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sieht den Regierungsauftrag klar bei der SPD. Der Linken-Politiker sagt im mdr, er sei irritiert, dass Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet „nach dieser vergurkten Wahl sich anmaßt zu sagen, an Herrn Scholz vorbei das Kanzleramt anstreben zu können“. Die SPD habe ein deutliches Signal gesetzt. „In Ostdeutschland haben sich die Sozialdemokraten als kraftvolle Partei zurückgemeldet.“ Wenn man dieser Partei auf einmal sage, „wir können auch ohne euch im Kanzleramt eine Koalition bilden“, dann würden diejenigen, die das machten, „sich am Wählerwillen vergehen“.
Bundestag mit höherem Frauenanteil als zuvor
Der neue Bundestag wird voraussichtlich wieder einen etwas höheren Frauenanteil haben. Das geht aus einer vorläufigen interaktiven Sitzverteilung hervor, die das Parlament am Vormittag auf seiner Website präsentierte. Danach beträgt der Anteil weiblicher Abgeordneter im Parlament etwa 34,7 Prozent. 735 Sitze würden dabei von 480 Männern besetzt und von 255 Frauen. Nach der Wahl 2017 lag der Frauenanteil im Bundestag bei 31 Prozent.
Kellner sieht größere Nähe der Grünen zur SPD als zu der Union
Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, hat vor den Gesprächen zur Bildung einer neuen Regierung die Schnittmengen mit der SPD betont. Die Nähe zur SPD sei größer als zur Union, sagte Kellner am Montag im ARD-Morgenmagazin. Er hob zudem hervor, dass die SPD bei der Wahl vom Sonntag stärkste Kraft geworden sei. Befragungen nach der Wahl hätten auch gezeigt, dass die Menschen SPD-Kandidat Olaf Scholz als Bundeskanzler wollten und nicht den Unionsbewerber Armin Laschet, sagte Kellner.
Er bekräftigte zugleich die Bereitschaft seiner Partei, zunächst mit der FDP zu reden, um Gemeinsamkeiten auszuloten. „Es ist kein großes Geheimnis, dass wir keine besonders innige Beziehung mit der FDP haben.“ Die Gespräche sollten „hinter geschlossenen Türen“ geführt werden, sagte Kellner unter Hinweis auf die schließlich gescheiterten Gespräche über die Bildung einer Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP nach der Bundestagswahl 2017. Damals waren immer wieder Nachrichten aus den Gesprächen „durchgestochen“ worden, was als ein Grund für das Scheitern gilt.
Neben dem Klimaschutz nannte Kellner die Sozialpolitik als ein wichtiges Thema für die Grünen. „Wir haben im Wahlkampf gesagt, wir wollen soziale Ungleichheit in unserem Land verringern“. Es dürfe nicht akzeptiert werden, dass jedes fünfte Kind in Armut aufwächst.
Bartsch fordert „tabulose“ Aufarbeitung der Linken-Wahlschlappe
Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch hat eine bedingungslose Analyse der Schlappe bei der Bundestagswahl gefordert. „Nichts darf Tabu sein“, sagte Bartsch am Montag im ARD-Morgenmagazin. Es müsse „tabulos“ über inhaltliche, strategische und auch personelle Fragen gesprochen werden. Bartsch bezeichnete das Wahlergebnis als „herbe Niederlage“. Die Linke müsse jetzt „Grundfragen“ stellen. Es sei ein Problem, wenn die Partei nicht mehr für die Interessenvertretung im Osten stehe und als Partei für soziale Gerechtigkeit gelte. Auch die Auseinandersetzung innerhalb der Partei habe geschadet, „nur gemeinsam haben wir eine Chance“, sagte Bartsch.
Die Linke war bei der Bundestagswahl am Sonntag auf 4,9 Prozent der Stimmen gekommen – sie verfehlte damit die Fünf-Prozent-Hürde. Da sie aber drei Wahlkreise direkt gewann, greift die sogenannte Grundmandatsklausel. Das bedeutet, dass die Linke mit der vollen Zahl von 39 Abgeordneten in den Bundestag einzieht, die ihr laut dem Zweitstimmenergebnis zusteht.
Scholz sieht Regierungsauftrag für Ampel
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat am Morgen nach der Bundestagswahl den Anspruch der Sozialdemokraten zur Regierungsbildung bekräftigt. Die SPD habe den Auftrag bekommen, die Regierung zu bilden – im Bund, und bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin, sagte Scholz am Montag im Willy-Brandt-Haus in Berlin. Die Wählerinnen und Wähler hätten drei Parteien gestärkt, sagte er mit Blick auf SPD, Grüne und FDP. Dies sei ein „sichtbarer Auftrag“ für eine Regierung. Die Union hingegen solle nicht mehr regieren. „Sie sollen jetzt nicht mehr in der Regierung sein“, sagte Scholz, „sondern in die Opposition gehen“. Scholz sagte: „Jetzt ist Pragmatismus und Führungskunst gefragt.“ Die SPD wolle „in Ruhe“ zustande bringen, was nun gefragt sei. „Wir werden das, was uns die Bürgerinnen und Bürger als Aufgabe gegeben haben, umsetzen.“
Wissing: Regierungsbildung an Inhalten festmachen
FDP-Generalsekretär Volker Wissing will die Bildung einer Regierungskoalition an den Inhalten festmachen. „Das Wahlergebnis stellt ja eines klar: Die Menschen wollen keinen Klimaschutz zulasten des Wohlstands, und die Menschen wollen auch keinen Wohlstand zulasten von Natur und Umwelt“, so Wissing im ARD-Morgenmagazin. „Deswegen müssen wir diese Dinge zusammenbringen und müssen eine Lösung erarbeiten, wie wir Klimaschutz und Wohlstand in Einklang bringen können.“
Gegen den Vorwurf, Unionskanzlerkandidat Laschet trotz eines schlechten Wahlergebnisses ins Kanzleramt verhelfen zu wollen, wehrte sich Wissing. „Wir wollen niemanden ins Kanzleramt hieven“, sagte er. „Wir haben von Anfang an gesagt: Uns geht es nicht um Armin Laschet oder Olaf Scholz, es geht um Inhalte.“
Habeck bekräftigt Gesprächsbereitschaft gegenüber der FDP
Grünen-Co-Chef Robert Habeck hat bekräftigt, dass er wie FDP-Chef Christian Lindner Vorab-Gespräche ihrer beiden Parteien mit Blick auf eine mögliche Regierungsbildung für sinnvoll hält. Aus seiner Erfahrung ergebe es Sinn, „dass die Parteien, die erstmal am weitesten voneinander entfernt sind, (…) dass die mal schauen, ob die das zusammen hinkriegen“, sagte Habeck bei im NDR. Das seien nun mal FDP und Grüne – „wir sind in sozial-, steuer-, finanzpolitischen Fragen wirklich konträr“. „Also insofern werden wir zuerst auf die FDP zugehen.“
Sowohl die SPD als auch die Union würden nach der Wahl gern ein Dreierbündnis mit Grünen und FDP schmieden. Lindner hatte vor diesem Hintergrund am Sonntag bereits Vorab-Klärungen seiner Partei mit den Grünen angeregt. Im Deutschlandfunk sagte Habeck, der Kurs der Grünen hänge jetzt in erster Linie von den Inhalten ab. SPD-Kandidat Olaf Scholz habe einen „deutlichen Vertrauensvorschuss der Menschen“ bekommen, sagte Habeck. Die SPD liege „relativ deutlich vor der Union“ und sei die „progressivere Partei“.
Ein Ampel-Bündnis von SPD, Grünen und FDP habe deshalb zwar einen Vorteil mit Blick auf die Grundausrichtung. Dennoch sei die Lage komplizierter, betonte Habeck: „Eine Ampel ist nicht Rot-Grün, sondern ein Bündnis, das nach eigenen, völlig anderen Regeln funktioniert. Es ist nicht nur Rot-Grün plus ein bisschen was Gelbes dazugekleckst, sondern es ist ein Bündnis mit einer eigenen Logik.“ Es müsse nun gelingen, ein Bündnis „mit eigener Identität“ zu schmieden und „nicht nur die Summe von lauter Neins und Abers und keinen Kompromissen“. Das gelte sowohl für ein mögliches Ampel-Bündnis mit der SPD als auch für eine Jamaika-Koalition unter Führung der Union.
Über das Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl äußerte Habeck sich enttäuscht. „Wir sind nicht da, wo wir hinwollten und deswegen ist einem auch nicht nach Freude zumute“, sagte er. „Eine Reihe von Hoffnungen, die wir geweckt haben, konnten wir nicht erfüllen. Das ist einfach zuzugeben.“ An dem Anspruch, den die Grünen mit ihrer Kanzlerkandidatur erhoben hätten, hege er aber auch rückblickend keine Zweifel. „Das ist jetzt kein Anspruch, der aus dem Nichts kam und der auch aufgegeben wird, sondern er kam aus der Analyse heraus“, sagte Habeck.
SPD feiert ihre Wahlsieger im Willy-Brandt-Haus
Die SPD hat ihre Wahlsieger am Vormittag im Willy-Brandt-Haus in Berlin empfangen und beglückwünscht. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und die Spitzenkandidatin für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, Franziska Giffey, nahmen von den Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans Glückwünsche und Blumensträuße entgegen.
Kretschmer fordert Moment des „Innehaltens“
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, CDU, hat inhaltliche und personelle Fehler der Union im Wahlkampf kritisiert und fordert einen Moment des „Innehaltens“. Der CDU-Politiker sagte in Berlin, die Union müsse die schwere Niederlage aufarbeiten und eine Antwort für Ostdeutschland finden. Vor allem die sächsische CDU hat fast alle Direktmandate an die AfD verloren.
Giffey sieht „klaren Regierungsauftrag“ bei Berliner SPD
Die Spitzenkandidatin der SPD bei der Wahl ums Berliner Abgeordnetenhaus, Franziska Giffey, leitet aus dem Abschneiden ihrer Partei einen klaren Regierungsauftrag ab. „Das ist eine gute Nachricht“, sagte sie im ARD-Morgenmagazin. „Deshalb werden wir mit diesem Regierungsauftrag ganz verantwortungsvoll umgehen, und wir freuen uns auch darüber, dass es am Ende so ausgegangen ist.“
Angesichts des klaren Votums der Berliner für die Enteignung großer Wohnungskonzerne sagte Giffey eine ernsthafte Prüfung zu. „Dieser Volksentscheid ist zu respektieren und die notwendigen Schritte sind einzuleiten.“ Der politische Auftrag sei nun, dass die Umsetzbarkeit des Volksentscheids geprüft werde anhand eines Gesetzentwurfs. Giffey äußerte allerdings Zweifel an der Umsetzbarkeit der mit dem Volksentscheid verbundenen Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne: „Wenn das nicht verfassungskonform ist, können wir es auch nicht machen.“
Trittin sieht Grüne gestärkt und selbstbewusst
Die Grünen können nach Ansicht des früheren Bundesumweltministers Jürgen Trittin selbstbewusst in Gespräche mit der FPD gehen. „Wir fühlen uns gerade in dem zentralen Anliegen der Grünen – in der Frage der Klimapolitik – gestärkt“, sagte Trittin im ARD-Morgenmagazin. Es sei selbstverständlich, dass man unter Demokraten auslote, was gehe.
Angesprochen auf die Finanzierung angestrebter klimapolitischer Maßnahmen wandte sich Trittin gegen die steuerpolitischen Vorstellungen der FDP: Was nicht gehe, sei „ein Konzept, das die oberen zehn Prozent so entlastet, dass wir am Ende jedes Jahr 90 Milliarden weniger in der Kasse haben.“
Mit Blick auf die Koalitionsoptionen – eine Ampel mit der SPD oder Jamaika mit der CDU – sagte Trittin, die Union habe ein historisch schlechtes Ergebnis erzielt. „Das ist nicht unbedingt ein Regierungsauftrag.“
Mohamed Ali: „Sehr enttäuschendes Ergebnis“
Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Amira Mohamed Ali, hat sich enttäuscht über das Wahlergebnis ihrer Partei gezeigt. „Das ist natürlich ein für uns sehr, sehr enttäuschendes Ergebnis. Wir haben deutlich verloren. Das kann man nicht beschönigen, das ist kein gutes Ergebnis gewesen“, sagte Mohamed Ali im Deutschlandfunk. Nun müsse man sich kritisch hinterfragen, warum man die eigenen Stärken nicht gut habe kommunizieren können.
„Wir müssen uns wirklich die große Frage stellen, warum viele Wählerinnen und Wähler uns nicht mehr vertrauen“, forderte Mohamed Ali. Soziale Themen seien für die Wählerinnen und Wähler stark in den Fokus gerückt und wahlentscheidend gewesen. „Aber sie werden nicht mehr eng genug mit uns verknüpft“, sagte die Linken-Fraktionsvorsitzende. Darüber müsse man nun reden.
Breher will voerst keine Personaldiskussionen führen
CDU-Parteivize Silvia Breher hat sich dagegen ausgesprochen, vor Gesprächen über die Bildung einer neuen Bundesregierung Personaldiskussionen bei der Union zu führen. „Wir werden das Ergebnis analysieren und erstmal schauen, dass wir eine Koalition zustande bringen – alles andere sehen wir dann“, sagte Breher im ARD-Morgenmagazin auf eine Frage zur Zukunft von Parteichef Laschet für den Fall, dass es nicht zu der von der Union angepeilten Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP kommt.
Breher sprach von einem „bitteren Wahlabend“ für die CDU. Die Parteimitglieder erwarteten jetzt, „dass wir das Ergebnis analysieren und Schlüsse daraus ziehen“. Sie hielt trotz der herben Stimmenverluste der Union an dem Ziel fest, auch Gespräche über ein Jamaika-Bündnis zu führen. Es gehe darum, was für die Zukunft Deutschlands wirklich gebraucht werde.
Brinkhaus will Fraktionschef bleiben
Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus hat seine erneute Kandidatur für den CDU/CSU-Fraktionsvorsitz im Bundestag bekanntgegeben. „Ich will Fraktionschef bleiben“, sagt der CDU-Politiker vor der Präsidiumssitzung. Die Fraktion tritt am Dienstag zusammen.
CDU-Chef Armin Laschet hatte am Wahlabend klar gemacht, dass er die Sondierungen über eine mögliche Koalition „aus dem Amt des CDU-Parteivorsitzenden“ führen wolle – und nicht, wie sonst durchaus üblich, als Fraktionsvorsitzender. „Wie wir die Fraktion aufstellen, das entscheiden wir dann“, sagte Laschet in der „Berliner Runde“ von ARD und ZDF. Brinkhaus könnte somit zumindest vorübergehend im Amt des Fraktionsvorsitzenden bleiben, solange nicht klar ist, ob die Union in die Opposition geht.
BDI verlangt schnelle Regierungsbildung
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verlangt eine schnelle Regierungsbildung. „Angesichts des unklaren Wahlausgangs erwartet die deutsche Industrie jetzt von allen Parteien maximale Verantwortung und Anpacken der Prioritäten statt taktischer Manöver“, erklärt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Deshalb müsse die Bereitschaft zu wegweisenden Entscheidungen zugunsten des Standorts das Leitprinzip für jede Koalitionsverhandlung sein, um den Stillstand zu überwinden. Klimaschutz, digitaler Wandel und geopolitische Krisen seien enorme Herausforderungen für Deutschland. „Die Stärkung unserer Wirtschaftskräfte und das Bekenntnis zum Industrie-, Export- und Innovationsland Deutschland sind ohne Alternative für jede denkbare Koalition.“
Braun: Jamaika mit „sehr großem Charme“
Kanzleramtschef Helge Braun hat sich enttäuscht über das Wahlergebnis der CDU gezeigt. „Für uns ist das Ergebnis bitter, und die CDU wird sich sicher nicht damit abfinden, eine Unter-30-Prozent-Partei zu sein“, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Er könne sich eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen vorstellen: „Da glaube ich, ist die Jamaika-Koalition auch etwas, das sehr großen Charme entfaltet.“ Braun nannte auch eine große Koalition mit der SPD als Möglichkeit. „Die SPD kann nicht für sich in Anspruch nehmen, dass sie der alleinige Aufbruch ist“, so Braun.
Walter-Borjans: „Die Kirche im Dorf lassen“
Der Co-Vorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans, hält es für einen normalen demokratischen Vorgang, dass nun zunächst Grüne und FDP miteinander Gespräche über ein Regierungsbündnis führen wollen. Gleichzeitig betonte er im ARD-Morgenmagazin den Wahlsieg seiner Partei. „Fünf Prozent Zugewinn – das ist schon eine Hausnummer“, so Walter-Borjans. „Vor allen Dingen gegenüber einer CDU/CSU, die mit 8,9 Prozent Minus wirklich einen Absturz erlebt und daraus jetzt einen Anspruch entwickelt, die Wählerinnen und Wähler hätten gesagt, sie sollten sich jetzt um eine Regierungsbildung kümmern.“ Man müsse „die Kirche im Dorf lassen“, so der SPD-Co-Chef.
Berlin: Jarasch zeigt sich zufrieden trotz knapper Niederlage
Nach dem knappen Ausgang der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hat sich die Zweitplatzierte, Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch, zufrieden gezeigt. „Die Freude über die Aufholjagd, die wir da hingelegt haben, und über das beste Ergebnis der Grünen ever in Berlin überwiegt deutlich“, sagte Jarasch im ARD-Morgenmagzin. „Wir sind in allen Bezirken stärker geworden und aus allen politischen Lagern, das hilft uns für das, was jetzt ansteht.“ Sie gratulierte der Wahlsiegerin Franziska Giffey von der SPD zu deren Erfolg. „Das Zeichen, das die Berlinerinnen und Berliner gegeben haben, ist deutlich: Sie wollen eine öko-soziale Koalition.“
Die SPD hat die Berliner Abgeordnetenhauswahl laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis vor Grünen und CDU gewonnen. Danach kommen die Sozialdemokraten auf 21,4 Prozent der Stimmen. Grüne und CDU folgten nahezu gleichauf mit 18,9 beziehungsweise 18,1 Prozent, wie die Landeswahlleitung am Montagmorgen in der Hauptstadt mitteilte. Die Linke erreichte demnach 14,0 Prozent, die AfD 8,0 Prozent und die FDP 7,2 Prozent.
Ziemiak: „Wahlergebnis nicht schönreden“
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat das schlechte Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl anerkannt, sieht aber dennoch Chancen auf eine Regierungsbeteiligung. „Es wird am Ende um die Frage gehen: Schafft man ein echtes Zukunftsprojekt? Schafft man eine Zukunftskoalition, die wirklich diese Themen, die so wichtig sind für unser Land, anpackt oder nicht?“, sagte Ziemiak im ARD-Morgenmagazin. Ungeachtet dessen sehe er das Ergebnis realistisch: „Ich finde, bei diesen Verlusten darf man nichts schönreden.“ Dennoch gebe es die zwei Optionen im Parlament, „und die Frage ist, wer bekommt eine Mehrheit?“ Armin Laschet sei ein geübter Verhandler, der wisse, wie man ein Land und eine Koalition zusammenhalte.
Merz schafft Rückkehr in den Bundestag
Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat nach zwölf Jahren die Rückkehr in den Bundestag geschafft. Merz gewann mit 40,4 Prozent das Direktmandat im Hochsauerlandkreis und konnte damit seinen SPD-Konkurrenten Dirk Wiese mit 30,2 Prozent deutlich hinter sich lassen. „Ich nehme dieses Mandat mit Freude an“, sagte der zum Zukunftsteam von CDU-Chef Armin Laschet zählende 65-Jährige in einem am Sonntagabend auf Twitter veröffentlichten Video. Merz saß bereits von 1994 bis 2009 im Bundestag. Der Finanzpolitiker war von 2000 bis 2002 Unions-Fraktionschef.
Chrupalla sieht AfD trotz Stimmverluste stabilisiert
Der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla sieht seine Partei ungeachtet der Stimmverluste bei der Bundestagswahl „stabilisiert“. „Wir können mit dem Ergebnis sehr gut leben, wir haben uns stabilisiert, noch dazu bei dem medialen Gegenwind, den wir bekommen haben“, sagte Chrupalla im ARD-Morgenmagazin. Er sei mit dem Ergebnis zufrieden. Das Vorhaben der anderen Parteien, die AfD wieder aus dem Bundestag zu verbannen, sei gescheitert. „Wir sind weiterhin eine starke Opposition.“ Jetzt werde analysiert, warum man gerade im Westen „Federn gelassen“ habe.
Spahn fordert Generationswechsel in der CDU
Der CDU-Vizevorsitzende Jens Spahn fordert einen Generationswechsel in seiner Partei. „Die nächste Generation nach Angela Merkel muss jetzt dafür sorgen, dass wir im nächsten Jahrzehnt zu alter Stärke finden“, sagt der Bundesgesundheitsminister dem „Spiegel“. Man müssen den Absturz aufarbeiten. Als Beispiele für jüngere Politiker nennt Spahn etwa die Ministerpräsidenten Tobias Hans im Saarland und Daniel Günther in Schleswig-Holstein, die im kommenden Jahr vor Wahlen stünden. Zudem hebt er den Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann und die CDU-Vize Silvia Breher hervor. Die Union habe trotz des Absturzes „ein Potenzial von über 30 Prozent“.
Spaniens Ministerpräsident Sánchez gratuliert Scholz
Der sozialistische spanische Regierungschef Pedro Sánchez hat dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zu den „großartigen Ergebnissen“ bei der Bundestagswahl gratuliert. Spanien und Deutschland würden weiter für ein starkes Europa und einen gerechten und grünen Wiederaufbau arbeiten, bei dem niemand zurückgelassen werde, schrieb Sánchez auf Twitter.
Spanien war wie auch Italien besonders stark von der Corona-Pandemie getroffen worden und soll aus dem EU-Wiederaufbaufonds insgesamt bis zu 140 Milliarden Euro erhalten. Mit großer Aufmerksamkeit wird in diesen Ländern deshalb beobachtet, wie sich eine künftige Bundesregierung zur Frage gemeinsamer Schulden der EU und der Rückkehr zu einer strengeren Haushaltsdisziplin aufstellen wird.
DIW-Chef Fratzscher sieht Deutschland gespalten
Nach der Bundestagswahl hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung eine schnelle Regierungsbildung und Reformen gefordert. Die Bundesrepublik sei noch nie so gespalten gewesen, erklärte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Bei der Regierungsbildung brauchen wir jetzt Tempo und Mut.“ Die neue Regierung müsse schnell über Klimaschutz, Digitalisierung und „soziale Erneuerung“ entscheiden. „Wenn ihr dies nicht gelingt, wird Deutschlands wirtschaftlicher Wohlstand auf dem Spiel stehen und Europa Gefahr laufen, im Systemwettbewerb mit China und den USA ins Hintertreffen zu geraten.“ Die größte Hürde für Reformen sei die Besitzstandswahrung, sagte Fratzscher.
ver.di fordert ein „Jahrzehnt der Investitionen“
Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Werneke, hat nach der Bundestagswahl ein „Jahrzehnt der Investitionen“ gefordert. Zukunft gebe es nicht zum Nulltarif, erklärte Werneke. Ganz oben auf der ver.di-Liste stünden mehr Tarifschutz, ein gesetzlicher Mindestlohn von mindestens zwölf Euro, die Abschaffung des „Befristungsmissbrauchs“ in der Arbeitswelt, ein Rentenniveau von mehr als 48 Prozent und der sozial-ökologische Umbau. Energie und Verkehr müssten zudem bezahlbar bleiben, forderte Werneke. „Deshalb müssen steigende Kosten für den Klimaschutz mit einem Energiegeld sozial ausgeglichen werden.“
Wesentlich sei auch, dass die Arbeitsbedingungen in Berufen, in denen sich Menschen um Menschen kümmern, ob im Krankenhaus, Altenheim, in der Kita oder Bildung und Begleitung, verbessert würden. Überall müssten Tarifverträge gelten und „umfassend refinanziert werden“. Außerdem plädiert die Gewerkschaft für umfassende Reformen in der Sozialversicherung, mehr Tarifbindung über erleichterte Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, ein Bundestariftreuegesetz sowie das Ende der sachgrundlosen Befristungen. Die nächsten vier Jahre dürften nicht von „Minimalkonsensen und Formelkompromissen in der Sozial- und Klimapolitik“ geprägt sein, erklärte Werneke.
Schuster: „AfD aus den Parlamenten verbannen“
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sieht die neue Bundesregierung in der Pflicht, den Kampf gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus zu verstärken. Zudem müsse es das „Ziel aller Demokraten bleiben, die AfD aus dem Bundestag und aus allen Landesparlamenten zu verbannen“, erklärte Schuster in einer ersten Reaktion auf die Wahlergebnisse am Sonntagabend in Berlin. Er nannte den Wahlsonntag einen Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Die demokratiefeindlichen Kräfte hätten keine Mehrheiten erhalten, bei der AfD sei ein Abwärtstrend zu erkennen.
Doch habe im Wahlkampf die Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus eine untergeordnete Rolle gespielt. „Umso mehr gilt für die neue Bundesregierung – unabhängig von ihrer Zusammensetzung – sich schnell dieser Herausforderung anzunehmen“, sagte Schuster. Dazu gehöre auch eine umfassendere Bekämpfung von sogenannter Hate Speech im Internet.
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, erklärte, die AfD, die sich nach 2017 noch weiter radikalisiert habe, werde im neuen Bundestag abermals Energie und Ressourcen binden, die für wichtigere Projekte fehlen. „Das ist kein gutes Omen für die kommenden vier Jahre, und es ist eine schlechte Nachricht für die Demokratie“, fügte die ehemalige Präsidentin des Zentralrates hinzu.
Röttgen sieht Status der Union als Volkspartei in Frage gestellt
Der CDU-Politiker Norbert Röttgen sieht den Status von CDU und CSU als Volksparteien durch das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl in Frage gestellt. Röttgen sagte im ARD-Morgenmagazin, wenn das Ergebnis so bleibe, „sind wir nicht mehr Volkspartei“. Allerdings bedeutet das seiner Einschätzung nach nicht, dass sich die Union nicht um eine Regierungsbildung bemühen könne. Jetzt sei eine neue Situation da, in der sich unter den vier Parteien ergeben müsse, „wer ist eigentlich jetzt die bessere Formation ist für diese riesigen Aufgaben – Europa, Klimawandel, Wirtschaft und so weiter, wir sind ja in einem internationalen Krisenszenario“.
Lauterbach fühlt sich in seinem Corona-Kurs bestätigt
Der SPD-Politiker Karl Lauterbach sieht sein erneut errungenes Direktmandat bei der Bundestagswahl als „ein Votum für unsere Corona-Politik“. Der durch die Pandemie bundesweit bekanntgewordene Gesundheitsexperte hatte seinen Wahlkreis Leverkusen – Köln IV mit 45,6 Prozent der Erststimmen zum fünften Mal gewonnen und bleibt im Bundestag. Lauterbach hatte vor der Wahl Interesse am Posten des Bundesgesundheitsministers geäußert.
Hofreiter steht Jamaika skeptisch gegenüber
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat sich zurückhaltend zur Bildung einer sogenannten Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP geäußert. Im ARD-Morgenmagazin verwies er auf den Stimmverlust von CDU und CSU. „Im Laufe des Wahlabends ist ja deutlich geworden, dass die SPD vor der Union liegt.“ Hinzu kämen die „wirklich katastrophalen persönlichen Werte von Armin Laschet im Vergleich zum Herrn Scholz“. Am Ende komme es darauf an, dass man eine „gute Koalition“ hinkriege, „eine Koalition, die nicht auf kleinstem gemeinsamen Nenner agiert“.
Klingbeil: „Union großer Verlierer dieses Wahlabends“
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sieht in CDU und CSU mit Unions-Spitzenkandidat Armin Laschet die klaren Wahlverlierer. Im ARD-Morgenmagazin machte Klingbeil deutlich, dass sich dadurch aus seiner Sicht kein Regierungsauftrag für die Union ableite. Gleichzeitig verwies darauf, dass die SPD „einiges richtig gemacht“ habe: „Wir haben früh den Kanzlerkandidaten nominiert, wir haben vorangegangene Wahlkämpfe analysiert, haben Fehler vermieden.“ Es habe eine „unfassbare Geschlossenheit“ in der SPD-Spitze gegeben. All das habe die Sozialdemokraten von einer Union unterschieden, „die die ganze Zeit eigentlich im Streit-Modus war.“
FDP: „Neues Kapitel für die Parteiengeschichte in Deutschland“
Der FDP-Politiker Konstantin Kuhle sieht im Ergebnis der Bundestagswahl eine entscheidende Wendung im politischen Gefüge der Bundesrepublik. „Wir sehen, dass mit dem gestrigen Tag ein neues Kapitel angebrochen ist für das Parteiensystem in Deutschland: Die Grünen und die FDP erreichen zusammen als die Union oder die SPD“, sagte Kuhle im ARD-Morgenmagazin. Deswegen sei es sinnvoll, wenn sich seine Partei mit den Grünen gemeinsam überlegten, „welche Form von Modernisierung für das Land möglich ist“. Ein sogenanntes Jamaika-Bündnis zwischen Union, Grünen und FDP hält Kuhle angesichts des geringen Abstands zwischen SPD und Union für „wahrscheinlicher als in den drei Wochen zuvor“, in denen sich abgezeichnet habe, dass die SPD „sehr klar vorne“ liegen würde.
FDP-Chef Lindner hatte bereits am gestrigen Wahlabend vorgeschlagen, dass sich die Liberalen und die Grünen zunächst zusammensetzen, um untereinander auszuloten, welche Schnittmengen und Streitpunkte es gibt, bevor sich beide Parteien Sondierungsgespräche mit SPD oder Union führen.
Lötzsch räumt strategische Fehler im Wahlkampf ein
Die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch hat angesichts des verschlechterten Abschneidens ihrer Partei bei der Bundestagswahl strategische Fehler im Wahlkampf eingeräumt. Im ARD-Morgenmagazin erklärte Lötzsch, es sei ein Fehler gewesen, „dass wir nicht deutlich genug gemacht haben, dass wir Opposition sind, dass wir klare Forderungen haben und dass wir von diesen Forderungen natürlich nicht abrücken werden.“ Die Linke hatte im Wahlkampf wiederholt signalisiert, offen zu sein für ein Bündnis mit SPD und Grünen.
Neuer Bundestag mit Rekordgröße
Der 20. Deutsche Bundestag wird mit 735 Abgeordneten das größte Parlament in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Zahl der Sitze ergibt sich aus dem vorläufigen amtlichen Endergebnis, das der Bundeswahlleiter bekannt gab. Bislang saßen im Bundestag 709 Parlamentarier; das war bereits die bis dahin höchste Zahle von Bundestagsabgeordneten.
Ringen um Regierungsbildung beginnt
Nach der Bundestagswahl zeichnet sich ein zähes Ringen um die Regierungsbildung ab. Die SPD ist nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis zwar stärkste Kraft geworden und will mit Olaf Scholz den nächsten Kanzler stellen. Die Union erhebt aber trotz ihrer historischen Niederlage ebenfalls den Anspruch, die Regierung anzuführen. Rechnerisch einzig mögliches Zweierbündnis wäre eine neue große Koalition, die aber weder SPD noch Union wollen. Deshalb dürfte es zum ersten Mal seit den 50er Jahren im Bund ein Dreierbündnis geben. Sowohl SPD als auch Union setzen dafür auf ein Bündnis mit Grünen und FDP. Das Buhlen um die potenziellen Partner hat bereits begonnen. Zunächst beraten an diesem Montag die Parteigremien über den Ausgang der Wahl.
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis verbessert sich die SPD auf 25,7 Prozent (2017: 20,5 Prozent). Die CDU/CSU fällt auf 24,1 Prozent (32,9). Die Grünen kletternmit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auf 14,8 Prozent (8,9). Die FDP legt auf 11,5 Prozent (10,7) zu. Die AfD, bisher drittstärkste Kraft, kommt auf 10,3 Prozent (12,6), wird aber in Thüringen und Sachsen stärkste Kraft. Die Linke rutscht auf 4,9 Prozent ab (9,2). Da sie aber drei ihrer zuletzt fünf Direktmandate verteidigt, kann sie laut Grundmandatsklausel trotzdem entsprechend ihres Zweitstimmenergebnisses im Bundestag bleiben.
SPD gewinnt Abgeordnetenhauswahl in Berlin
Die SPD hat die Abgeordnetenhauswahl in Berlin gewonnen. Das teilte die Landeswahlleitung mit. Die Partei mit Spitzenkandidatin Franziska Giffey erreichte am Sonntag nach Auszählung aller Stimmbezirke 21,4 Prozent und landete vor den Grünen, die auf 18,9 Prozent kamen. Die CDU erreichte laut Landeswahlleitung 18,1 Prozent, die Linke 14,0 Prozent, die AfD kam auf 8,0 Prozent, die FDP erzielte 7,1 Prozent. Wie bisher kann Berlin damit künftig nur von einem Dreierbündnis regiert werden.
SPD-Kandidatin gewinnt in Merkels Wahlkreis
Anna Kassautzki (SPD) hat das Direktmandat im ehemaligen Wahlkreis von Angela Merkel gewonnen. „Es erfüllt mich mit Demut“, sagt die 27-jährige Jungpolitikerin dem Nachrichtenportal watson über ihr neues Mandat im Wahlkreis Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I. Das Direktmandat sei nicht nur „ein großes Erbe, sondern es gehe auch um die Menschen im Wahlkreis“. Sie wolle „gute Politik“ machen.