++ Liveblog Nach der Bundestagswahl – SPD: Kein Plan B zur Ampel ++
29. September 2021Für die SPD gibt es laut Generalsekretär Klingbeil keinen andere Plan als eine rot-grün-gelbe Koalition. Unionskanzlerkandidat Laschet gratulierte seinem SPD-Kontrahenten Scholz zum Wahlsieg. Die Entwicklungen im Liveblog.
- Union lädt laut dpa zu Jamaika-Gesprächen ein
- Grüne wollen am Sonntag mit SDP reden
- FDP will Gespräche mit Union und SPD am Wochenende
- Freie-Wähler Chef entschuldigt sich für Tweet
- Kubicki lobt Habecks Verhandlungsgeschick
- SPD rechnet nicht mit Sondierungen in dieser Woche
- SPD-Chef warnt Grüne und FDP vor Jamaika-Bündnis
- Günther: Situation in der CDU ist dramatisch
- Grüne Jugend vehement gegen Koalition mit Union
- FDP sieht weiter Chancen für Schwarz-Grün-Gelb
AfD-Fraktion streitet über Aufnahme zweier Abgeordneter
In einer stürmischen ersten Sitzung hat sich die neue AfD-Fraktion im Bundestag formiert. Noch vor der Wahl der neuen Fraktionsvorsitzenden beriet die Fraktion darüber, ob die erstmals in den Bundestag gewählten Abgeordneten Matthias Moosdorf aus Sachsen und Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen der Fraktion angehören sollen oder nicht.
Als die Debatte hitzig wurde, wurden die Mitarbeiter der Fraktion vor die Tür geschickt. Der Cellist Moosdorf wird von manchen AfD-Abgeordneten als „Querulant“ angesehen – vor allem, seitdem er harsche Kritik an dem scheidenden Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland geäußert hat. Er hatte Gauland unter anderem „Bockigkeit“ und zu viel Verständnis für radikale Ausfälle von Parteifreunden vorgehalten.
Gegen Matthias Helferich aus Nordrhein-Westfalen war noch im Wahlkampf eine Ämtersperre verhängt worden. Hintergrund der vom Bundesvorstand beschlossenen Ordnungsmaßnahme waren Äußerungen in älteren Chats. Helferich bestreitet nicht, dass er sich darin als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet hatte. Dieser Begriff sei jedoch lediglich eine Fremdzuschreibung von linken Bloggern gewesen, die er „persifliert“ habe, führte er aus.
Linke bereiten sich auf finanzielle Einbußen vor
Die Linke muss sich nach ihrem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl auf finanzielle Einbußen vorbereiten. Das Wahlergebnis bedeute „eine erhebliche Reduzierung“ der staatlichen Mittel, sagte ein Parteisprecher der „Welt“. „Wir stellen gegenwärtig erste Überlegungen an, wie wir die damit verbundene Herausforderung bewältigen.“ Die Linke hatte am Sonntag 4,9 Prozent der Stimmen geholt, 4,3 Prozentpunkte weniger als 2017.
Ähnlich wie der Partei geht es der Linksfraktion im Bundestag. Es werde in „allen Positionen des Haushalts gleichermaßen und in ähnlichem Umfang gespart werden“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Volker Schneider der Zeitung.
Berliner Wahlleiterin stellt Posten zur Verfügung
Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus ereigneten sich zahlreiche Pannen – daraus hat Landeswahlleiterin Michaelis nun Konsequenzen gezogen. Sie bat den Senat darum, sie abzuberufen und einen Nachfolger zu bestimmen.
SPD geht mit Sechser-Team in Gespräche am Sonntag
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagt, Ziel sei es, zügig eine stabile Regierung zu bilden. Am Sonntagnachmittag werde die SPD mit der FDP beraten, danach am Sonntagabend mit den Grünen. Die SPD werde mit ihrem sechsköpfigen Verhandlungsteam in die Gespräche gehen. Danach werde man die Beratungen auswerten.
Haseloff: „Personalfragen zunächst zweitrangig“
Aus Sicht von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sollten nach der Bundestagswahl die Personalfragen einer künftigen Regierung nicht im Mittelpunkt stehen. Wenn man ernsthaft Politik betreiben wolle, sollten die Personaldinge erst dann aufgerufen werden, wenn klar sei, wer inhaltlich zusammengehen wolle, sagte Haseloff der Nachrichtenagentur dpa in Halle auf die Frage, ob CDU-Chef Armin Laschet eine künftige Koalition führen sollte.
Wenn diese Reihung nicht einhalten werde, bringe das Deutschland nicht weiter, so Haseloff, der auch Präsidiumsmitglied des CDU-Bundesvorstands ist. Das Wahlergebnis lasse viele Möglichkeiten für die Zusammensetzung der künftigen Regierung offen, sagte der CDU-Politiker. „Keine der demokratischen Parteien der Mitte soll sich solchen Gesprächen verweigern.“
AfD-Fraktion trifft sich
Drei Tage nach der Wahl hat sich die neue AfD-Fraktion im Bundestag formiert. Die beiden Spitzenkandidaten, Alice Weidel und Co-Parteichef Tino Chrupalla, wollen sich gemeinsam um den Vorsitz bewerben. Ob die Abgeordneten bereit sein werden, die beiden als Duo zu wählen, ist allerdings noch offen. Die Wahl des Vorstandes wird für den Abend erwartet.
Bericht: Union lädt zu Gesprächen über Jamaika-Koalition
Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Armin Laschet und Markus Söder, haben FDP und Grüne zu Gesprächen über die Bildung einer Jamaika-Koalition eingeladen. In zwei gleichlautenden Schreiben an die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie an FDP-Chef Christian Lindner gratulierten Laschet und Söder zum Stimmenzuwachs und dankten für einen fairen und sachlichen Wahlkampf, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtete.
Laschet und Söder machten demnach deutlich, dass die Gremien der Union zum gemeinsamen Entschluss gekommen seien, für Gespräche über die Bildung einer Bundesregierung bereitzustehen. Eine Koalition mit Grünen und FDP könne ein „zukunftsweisendes politisches Projekt“ sein, das Deutschland „modernisiere und nachhaltiger mache“ sowie „die ganze gesellschaftliche Breite“ des Landes abbilde.
Dem Bericht zufolge machten Laschet und Söder deutlich, dass die SPD bei der Wahl zwar stärkste Kraft geworden sei, aber „keine politische Kraft einen alleinigen Regierungsauftrag habe“. Es gebe mehrere Optionen.
Klingbeil: Kein Plan B zur Ampel
Die SPD ist laut Generalsekretär Lars Klingbeil voll auf eine Ampel-Koalition ausgerichtet. „Da gibt es gerade keinen Plan B“, sagte er. Es werde mit FDP und Grünen gesprochen, um eine Regierung zu bilden und nicht mit der Union. SPD, Grüne und FDP hätten die Bundestagswahl gewonnen. Am Sonntagnachmittag werde die SPD mit der FDP beraten, am Sonntagabend mit den Grünen.
Laschet gratuliert Scholz zu Wahlsieg
CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zum Wahlsieg der Sozialdemokraten gratuliert. Die Glückwünsche seien per Brief eingetroffen, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf SPD-Parteikreise. Aus CDU-Kreisen sei bestätigt worden, dass Laschet einen Brief an Scholz geschickt habe. CSU-Chef Markus Söder und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten Scholz bereits zuvor gratuliert.
JU-Chef fordert Umbau der Union
Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, fordert einen grundlegenden Umbau der CDU. In der Union dürfe kein Stein auf dem anderen bleiben, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wer sich nach einem solchen Ergebnis nicht erneuert, wird nicht mehr auf die Beine kommen.“ Mit der Wahl des CDU-Vorsitzenden Ralph Brinkhaus bis zum 30. April zeigte er sich unzufrieden. Die Fraktion habe Brinkhaus für eine begrenzte Zeit gewählt. „Nach der Bildung einer Regierung werden wir neu entscheiden.“
FDP will am Wochenende mit Union und SPD reden
Die FDP will die Vor-Sondierungen mit den Grünen ab Freitag in größerer Runde fortsetzen und dabei Inhalte vertiefen. Das sagte Generalsekretär Volker Wissing. Danach werde es am Wochenende auch Gespräche mit der Union am Samstag und der SPD am Sonntag geben.
Mützenich bewertet grün-gelbe Gespräche positiv
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat sich positiv zu einem Gespräch zwischen den Spitzen von Grünen und FDP geäußert, noch bevor es zu einem Treffen mit den Sozialdemokraten gekommen ist. Die beiden Parteien müssten Misstrauen abbauen, das bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen vor vier Jahren entstanden sei, sagt Mützenich. Dies sei nur gut, weil künftige Koalitionspartner Vertrauen untereinander benötigten.
Mützenich forderte Grüne und FDP auf, möglichst bald mit der SPD über eine mögliche Regierungskoalition zu reden. Die beiden Parteien sollten „klug genug sein, das Angebot von uns, jetzt bald Gespräche, Sondierungen für eine Koalition zu führen, auch zu ergreifen“, sagte er.
Merkel gratuliert Scholz zu Wahlerfolg
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nach der Bundestagswahl zu seinem Wahlerfolg gratuliert. Das teilte das Bundespresseamt nach einer Pressekonferenz mit Regierungssprecher Steffen Seibert mit.
Aiwanger entschuldigt sich für Vorab-Veröffentlichung
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hat sich für die Vorab-Veröffentlichung von Prognosen zum Ausgang der Bundestagswahl im Internet entschuldigt. „Ich entschuldige mich in aller Form für den Tweet vom Wahlsonntag“, sagte Aiwanger im Bayerischen Landtag.
Aiwanger hatte mehrere Stunden vor Schließung der Wahllokale bei Twitter Zahlen veröffentlicht und nochmals um Stimmen für seine Partei geworben. Er ging vor dem Landtag nicht auf das Zustandekommen des Tweets ein. Es stehe das Ergebnis der rechtlichen Prüfung beim Bundeswahlleiter aus, sagte Aiwanger. Deshalb könne er derzeit keine weiteren Ausführungen machen.
Kubicki lobt Habeck
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat das Verhandlungsgeschick von Grünen-Chef Robert Habeck gelobt. „Ihm ist es wichtig, dass alle die ganze Kreativität darauf verwenden, wie man Brücken bauen kann und nicht die Gräben vertieft“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. „Man kann mit ihm zu Lösungen kommen, an die keiner zuvor gedacht hat.“ Wenn Habeck die grüne Verhandlungsdelegation führe, „bin ich mir nahezu sicher, dass es zu vernünftigen Ergebnissen kommen kann“, sagte Kubicki.
Er betonte aber, dass auch eine Jamaika-Koalition eine Option für die FDP bleibe. „Aber man weiß nicht, ob die Union überhaupt noch mitspielen will oder sich selbst aus dem Rennen nimmt“, so Kubicki. Doch auch wenn die Union ausfallen sollte, heiße das nicht, dass die Freien Demokraten „koste es was wolle, Olaf Scholz zum Kanzler wählen“.
Scholz-Vertrauter: Wohl keine Sondierungen in dieser Woche
In der SPD wird nach Worten von Finanz-Staatssekretär Wolfgang Schmidt damit gerechnet, dass die Sondierungen möglicher Koalitionspartner noch nicht in dieser Woche beginnen. „Ich glaube, dass die Sondierungen erst in der nächsten Woche oder später anlaufen werden“, sagt der Vertraute von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in einem Reuters-Gespräch mit Vertretern von SPD, Grünen und FDP für die Finanzplattform Refinitiv.
Erstmal müsse es die bilateralen Gespräche geben zwischen den Parteien, dann möglichst kurze Sondierungen und anschließend Koalitionsverhandlungen. Es werde zügig auch Gespräche der SPD mit den Grünen und mit der FDP geben. Die Einladungen seien bereits ausgesprochen worden.
Regierungssprecher: Merkel und Minister „tun ihre Arbeit“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält sich mit Kommentaren zur Bundestagswahl zurück. Auf entsprechende Nachfragen sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, alles laufe so, wie es das Grundgesetz und die demokratische Praxis vorsähen. „Die Bundeskanzlerin, die Minister und Ministerinnen tun ihre Arbeit, bis eine neue Bundesregierung übernimmt.“
Laut Grundgesetz endet die Amtszeit der Kanzlerin und ihrer Minister, wenn der neu gewählte Bundestag zu seiner ersten Sitzung zusammentritt. Das wird voraussichtlich am 26. Oktober passieren. Bis zur Bildung einer neuen Regierung muss die alte aber geschäftsführend im Amt bleiben, wenn der Bundespräsident darum bittet. Seibert sagte, dass es bis zum Wechsel noch wichtige Aufgaben für die alte Regierung gebe, etwa die Umsetzung der Fluthilfen oder die Bewältigung der Corona-Situation.
SPD-Chef warnt Grüne und FDP vor Jamaika-Koalition
Der SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans hat Grüne und FDP vor einer Koalition mit der Union gewarnt. „Mit CDU/CSU würden sich Grüne und FDP einem Partner zuwenden, der in Selbstbeschäftigung und Ringen um Machterhalt um jeden Preis gefangen ist. Für ein Signal des Aufbruchs wären CDU und CSU ein Totalausfall“, sagt Walter-Borjans dem „Handelsblatt“.
Grüne und FDP machen keine Angaben zu möglichen weiteren Gesprächen
Grüne und FDP haben nach ihrem ersten Gespräch über eine mögliche Regierungszusammenarbeit keine Angaben zum Fortgang der Vorsondierungen gemacht. „Es war ein längeres, vertrauliches Gespräch an einem neutralen Ort“, sagte ein Grünen-Parteisprecher auf Anfrage. Eine FDP-Sprecherin äußerte sich wortgleich, machte aber ebenfalls keine Angaben zu möglichen weiteren Treffen.
Mützenich als SPD-Fraktionsvorsitzender bestätigt
Die SPD-Bundestagsfraktion hat ihren Vorsitzenden Rolf Mützenich mit überwältigender Mehrheit in seinem Amt bestätigt. Der 62-Jährige erhielt 198 Stimmen und somit 97 Prozent. Vier Abgeordnete stimmten gegen den Kölner, zwei enthielten sich. Gewählt ist Mützenich damit für zwei Jahre, wie ein Fraktionssprecher mitteilte.
Der Kölner sitzt seit 2002 für die SPD im Bundestag und war lange ihr außenpolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender für Außen und Sicherheit. Die Fraktion führt er seit mehr als zwei Jahren. Er zählt zu den linken Pragmatikern in der SPD.
Günther: Situation in der CDU ist dramatisch
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sieht seine Partei in einer sehr ernsten Lage. „Die Situation ist aus meiner Sicht dramatisch. Eine CDU, die weniger als 25 Prozent holt, hat selbstverständlich Reformbedarf“, sagte er im Interview der „Kieler Nachrichten“. Wenn die Union dauerhaft Volkspartei bleiben wolle, dann heiße das definitiv Erneuerung, also „wichtige Themen zu besetzen und als Union wieder erkennbarer zu werden. Es muss jedem klar sein, dass dieser Prozess jetzt eine extrem wichtige Bedeutung hat.“
Eine Personaldebatte fordere er nicht, „aber natürlich müssen wir das schlechte Wahlergebnis aufarbeiten“, sagte Günter der Zeitung. „Die Leute sind nicht scharenweise zu uns gekommen und haben gesagt, wegen Armin Laschet wähle ich CDU. Das muss man sicherlich bei der Aufarbeitung des Wahlergebnisses besprechen.“
Mehr Abgeordnete mit Migrationshintergrund im neuen Bundestag
Im neuen Bundestag haben rund elf Prozent der Abgeordneten ausländische Wurzeln. Das geht aus einer Datenerhebung des Mediendienstes Integration hervor. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund liegt den Angaben zufolge jetzt bei 11,3 Prozent, nach 8,2 Prozent in der zurückliegenden Wahlperiode.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Fraktionen sind groß. Laut den Berechnungen des Mediendienstes hat die Linke mit einem Anteil von 28,2 Prozent als einzige Partei einen Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund, der über dem Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt. Danach folgen SPD, Grüne, AfD und FDP. Den geringsten Anteil an Einwanderern und ihren direkten Nachfahren hat die Union mit nur 4,6 Prozent.
Aktuell haben etwa 26 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Das heißt, entweder sie selbst oder mindestens ein Elternteil wurde nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren.
Kreise: Söder fordert öffentliche Entschuldigung von Aiwanger
Nach dem Ärger um die Veröffentlichung von Wählerbefragungen zur Bundestagswahl hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger offenbar eine öffentliche Entschuldigung gefordert. CSU-Chef Söder hatte sich am Morgen mit dem Freie-Wähler-Chef zum Krisengespräch getroffen, wie Söder nach Angaben von Teilnehmern im Anschluss in einer Sitzung der CSU-Fraktion mitteilte. Wie die Entschuldigung konkret auszusehen hat, ließ Söder demnach offen.
Aiwanger selbst will eine öffentliche Erklärung im Landtag abgeben. Er wolle dies gleich zu Beginn der Sitzung um 13 Uhr im Plenarsaal tun, hieß es.
Der Chef der Freien Wähler hatte am Sonntag, noch während der Stimmabgabe zur Bundestagswahl, Zahlen aus einer Nachwahlbefragung der Forschungsgruppe Wahlen auf Twitter verbreitet – verbunden mit dem Aufruf, die „letzten Stimmen“ den Freien Wählern zu geben. Der Tweet wurde nach kurzer Zeit wieder gelöscht. Das Veröffentlichen von solchen Befragungen ist verboten, weil es taktisches Wählen begünstigt. Der Bundeswahlleiter prüft seither einen Verstoß Aiwangers gegen das Wahlgesetz.
Jusos entschieden gegen Entlastung oberer Einkommensgruppen
Die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal hat mit Blick auf eine mögliche Koalition mit der FDP gegen die Entlastung der oberen Einkommensgruppen ausgesprochen. Dazu sei sie überhaupt nicht bereit, sagte sie im Deutschlandfunk. Stattdessen müssten niedrige und mittlere Einkommen entlastet werden. „Das muss eine Regierung dann auch sicherstellen.“ Hintergrund dürfte etwa sein, dass die FDP den Soli auch für Reiche abschaffen will. Das würde den Haushalt etwa zehn Milliarden Euro kosten.
Sie forderte zudem zügige Verhandlungen. „Die Herausforderungen sind so vielfältig, gerade aus junger Perspektive, da muss jetzt was passieren.“ Deshalb wäre es ihr Wunsch, dass eine Koalition bis Weihnachten steht.
FDP-Fraktionsvize mahnt Vertraulichkeit bei Gesprächen an
Der FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer hat für die anstehenden Gespräche mit den anderen Parteien Vertraulichkeit angemahnt. Es dürfe – anders als in den Koalitionsverhandlungen vor vier Jahren – nicht wieder dazu kommen, dass Wasserstandsmeldungen öffentlich gemacht werden. Damals waren zahlreiche Interna der Verhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen an die Öffentlichkeit gedrungen.
Zugleich ist laut Theurer eine Jamaika-Koalition „noch nicht vom Tisch“. FDP-Chef Christian Lindner habe zuletzt deutlich gemacht, dass die Liberalen eine Präferenz für ein solches Bündnis haben, sagt Theurer im Deutschlandfunk. Ferner schließe er nicht aus, dass es zu einer Fortsetzung der großen Koalition von Union und SPD „unter umgekehrten Vorzeichen“ kommen könnte.
Grünen-Vize: CDU derzeit nicht verhandlungsfähig
Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, hält die CDU in den Sondierungen derzeit für nicht verhandlungsfähig. „Die müssen sich erst einmal selbst sortieren“, sagt sie im Deutschlandfunk. Aus ihrer Sicht muss zuerst mit der SPD die Bildung einer Koalition ausgelotet werden. Mit den Sozialdemokraten hätten die Grünen die meisten Schnittmengen.
„Laschet versucht, Zeit zu gewinnen“
Ralph Brinkhaus wurde nur für sieben Monate zum Vorsitzenden der Unionsfraktion gewählt. ARD-Korrespondent Michael Strempel erklärt sich dieses ungewöhnliche Vorgehen mit dem „verzweifelten Versuch von Armin Laschet, Zeit zu gewinnen“. Auch parteiinterne Gegner Laschets würden auf den Posten schielen, und so hält Laschet „den Kopf noch einmal über Wasser“.
Bundestag auf Rekordgröße – woran liegt’s?
Mit 735 Sitzen wird der neu gewählte Bundestag so groß sein wie nie zuvor. Es sind sogar noch einmal 26 Sitze mehr als im jetzt noch amtierenden Bundestag, der auch schon Rekordgröße hatte. Für die abermalige Vergrößerung des Parlaments sind wieder die sogenannten Überhangmandate verantwortlich. Wie entstehen diese? Und wer profitiert am meisten davon?
Mützenich: „Land gehört nicht CDU/CSU“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht die Union nach dem Wahldebakel in der Opposition. „Das Land gehört nicht einer CDU/CSU“, sagte er. Das Land gehöre den Bürgerinnen und Bürgern, die Scholz gewählt hätten. „Natürlich macht die Unionsfraktion jetzt schwere Stunden durch“. Wichtig sei aber, dass das Parlament auch über eine starke Opposition verfüge.
Am Vormittag stellt sich Mützenich den 206 Abgeordneten der neuen SPD-Fraktion zur Wiederwahl. Erwartet wird ein sehr gutes Ergebnis. Er hatte den Posten im Sommer 2019 von Andrea Nahles übernommen.
Fridays for Future: Unionsgeführte Regierung wäre „lächerlich“
Nach der Wahl ist vor der Wahl: Schon im Oktober will die Klimaschutzorganisation Fridays for Future wieder weltweit mobilisieren – ein auffällig früher Zeitpunkt für den nächsten globalen Streik. Erst am vergangenen Freitag waren Zehntausende – die Organisatoren sprechen von Hunderttausenden – in ganz Deutschland und weltweit fürs Klima auf der Straße gewesen.
„Wir werden nicht aufhören, das Handeln der Regierung am Pariser Klimaabkommen zu messen, egal ob Jamaika, GroKo oder Ampel-Koalition“, sagt Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer. Eine erneute unionsgeführte Regierung fände sie „lächerlich“, sagte sie.
Auch von anderen Regierungskoalitionen fordert sie mutige Entscheidungen: „Es geht darum, dass ein parteiübergreifender Konsens für 1,5 Grad entsteht“, sagte Neubauer. „Die Politik muss sich jetzt ehrlich machen und die Menschen für den notwendigen, radikalen Klimaschutz gewinnen“, erklärte die 25 Jahre alte Aktivistin.
Brückenbauer Habeck und Wissing?
Bei den Gesprächen zwischen Grünen und FDP gibt es viele Differenzen, gerade in der Sozial- oder Wirtschaftspolitik seien beide Parteien weit auseinander: „Da treffen Welten aufeinander“, befand Grünen-Co-Chef Robert Habeck nüchtern am Tag nach der Bundestagswahl.
Doch Habeck könnte mit FDP-Generalsekretär Volker Wissing eine Schlüsselrolle dabei spielen, die Unterschiede zu überwinden, analysiert Corinna Emundts.
Grünen-Nachwuchs klar gegen Bündnis mit Union
Die Grüne Jugend lehnt ein Bündnis mit CDU/CSU und FDP vehement ab. „Wir können auf keinen Fall die Partei, die explizit abgewählt wurde, zurück ins Kanzleramt hieven“, sagte Bundessprecher Georg Kurz in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
Er betonte: „Eine Jamaika-Koalition mit der Union würde die Grüne Jugend nicht mitmachen.“ Kurz warf der Union vor, die gegenwärtigen Krisen noch befeuert zu haben. „Ein Bündnis mit einer Partei, die deswegen zu Recht mit dem schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte abgestraft wurde, ist für die Grünen definitiv keine Option.“
Lambsdorff sieht weiter Chancen für Schwarz-Grün-Gelb
Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff hält eine Jamaika-Koalition weiterhin für möglich. „FDP und Grüne sprechen jetzt miteinander, um zwischen beiden Parteien Brücken zu bauen“, sagte Lambsdorff der „Augsburger Allgemeinen“. Anschließend würden Gespräche mit SPD und Union geführt.
„Ob am Ende eine Jamaika-Koalition herauskommt wie in Schleswig-Holstein oder beispielsweise eine Ampel wie in Rheinland-Pfalz ist offen.“ Programmatisch gebe es bei der FDP eine größere Nähe zur Union, betonte Lambsdorff. „Aber wir gehen offen in die Gespräche mit allen anderen Parteien“, fügte er hinzu.
SPD-Chef: Reform der Schuldenbremse unrealistisch
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hält eine Reform der Schuldenbremse in der neuen Legislaturperiode für unrealistisch. „Jeder weiß doch, dass dafür eine Zweidrittelmehrheit in Parlament und Bundesrat nötig wäre“ sagte Walter-Borjans der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Eine Reform der Schuldenbremse würde ohne CDU und CSU nicht zustande kommen, sagte Walter-Borjans. „Warum sollen wir uns da zusammen mit den Grünen in Gesprächen mit der FDP verkämpfen, wenn ein notwendiger vierter Partner – nämlich CDU und CSU – für sowas nicht zur Verfügung stehen?“
Wichtiger sei, dass die geltende Schuldenbremse nicht zur „Investitionsbremse“ werde. „Das muss sie aber auch nicht“, betonte der SPD-Politiker. Auch die FDP ist gegen eine Änderung der bestehenden Schuldenbremse.