FAQ: Was über die neue Coronavirus-Variante Omikron bekannt ist
5. Januar 2022 Aus Von mvp-webSeit November 2021 ist eine neue Coronavirus-Variante bekannt, vor der selbst Geimpfte und Genesene keinen optimalen Schutz haben: Omikron. Von der WHO wurde die Mutante als „besorgniserregend“ klassifiziert. Die Variante breitet sich auch in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern rasant aus. Was wir bisher über B.1.1.529 wissen.
Wie schätzt die Weltgesundheitsorganisation die Lage ein?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft das Risiko der neuen Corona-Variante B.1.1.529 seit dem 29. November als „sehr hoch“ ein. Die Omikron-Variante an sich wird als „besorgniserregend“ bezeichnet. Diese Klassifizierung ist laut WHO-Definition ein Signal, dass eine Variante ansteckender sein oder zu schwereren Krankheitsverläufen führen kann. Außerdem besteht bei „besorgniserregenden Varianten“ die Gefahr, dass herkömmliche Impfungen, Medikamente oder Corona-Maßnahmen weniger wirksam sind. Als „besorgniserregend“ hatte die WHO bislang nur die Varianten Alpha, Beta, Gamma und Delta eingestuft.
Was ist an der Variante besonders?
Die Omikron genannte Variante weist mehr als 50 Erbgutveränderungen auf, die meisten davon am Spike-Protein, mit dem das Virus an der menschlichen Zelle andockt und auf das auch die Impfstoffe der ersten Generation abzielen. Verändert sich ein Virus so, dass Antikörper von Genesenen und Geimpften weniger gut ansprechen, nennen Fachleute dies Immunflucht (Immunescape). Daneben gebe es Hinweise unter anderem aus genetischen Analysen, dass Omikron per se ansteckender sei als Delta, sagte Modellierer Dirk Brockmann von der Humboldt-Universität Berlin. Allein die Immunflucht könne die Wachstumsraten nicht erklären.
Wie sehr ist die neue Virusvariante schon verbreitet?
Die Corona-Infektionszahlen steigen wegen der hochansteckenden Omikron-Variante massiv an. Vom 22. bis 28. Dezember wurden mehr als 6,5 Millionen Infektionen weltweit nachgewiesen – der höchste Wochenwert seit Pandemiebeginn. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor einem „Tsunami“ von Corona-Fällen und einem Kollaps der Gesundheitssysteme. „Omikron breitet sich mit einer Geschwindigkeit aus, die wir bei keiner vorherigen Variante gesehen haben“, sagt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die EU-Kommission erwartet, dass B.1.1.529 im Januar 2022 in ganz Europa die dominierende Variante sein wird.
In mehreren Ländern Europas ist die Variante bereits vorherrschend, viele Staaten melden Rekordwerte an Neuinfektionen.
Die bislang ältesten bekannten Nachweise der Variante stammen aus der ersten November-Hälfte. Wissenschaftler hatten sie zunächst im Süden Afrikas entdeckt.
Wie verbreitet ist Omikron in Deutschland?
In Deutschland wurde die Virusvariante Ende November 2021 zuerst in Bayern und in Hessen bei mehreren Reise-Rückkehrern aus Südafrika nachgewiesen. Im Norden meldete Niedersachsen am 3. Dezember 2021 den ersten Omikron-Nachweis. In der Folgezeit wurde die Virusvariante auch in den anderen norddeutschen Bundesländern bestätigt. Seit dem 23. Dezember ist die Omikron-Variante bei den Neuinfektionen in Schleswig-Holstein dominant. Laut RKI-Übersicht vom 3. Januar 2022 wurden seit Mitte November 30.325 Infektionen mit der neuen Virusvariante gemeldet. In der letzten Kalenderwoche des Jahres 2021 wurden bundesweit 19,9 Omikron-Fälle pro 100.000 Einwohner registriert. Wegen der Feiertage wird mit einer hohen Zahl an Nachmeldungen gerechnet.
Ist Omikron ansteckender als bisherige Varianten?
Zu Übertragbarkeit, Schweregrad von Erkrankungen und möglichen Auswirkungen auf die Immunabwehr gibt es aufgrund fehlender Daten noch viele Unsicherheiten. Nach bisherigen Beobachtungen gilt die neue Mutante als hoch ansteckend. In mehreren Ländern verdoppelt sich die Zahl der Infektionen mit Omikron derzeit alle zwei bis drei Tage; die WHO spricht von Verdopplungszeiten zwischen 1,5 bis 3 Tagen. Daraus könnte sich laut Experten eine in der Pandemie bisher nicht erreichte Dynamik entwickeln. Vielerorts wird bereits von einer bevorstehenden „Omikron-Welle“ gesprochen.
Der neue Corona-Expertenrat der Bundesregierung warnte vor einer neuen Dimension im Pandemiegeschehen. Die Variante infiziere in kürzester Zeit deutlich mehr Menschen und beziehe auch Genesene und Geimpfte stärker in das Infektionsgeschehen ein: „Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen.“ Damit droht auch eine Gefahr für die kritische Infrastruktur wie Strom- und Wasserversorgung, aber auch bei Feuerwehr, Polizei und in den Krankenhäusern, wenn dort mehrere Mitarbeitende krankheitsbedingt gleichzeitig ausfallen.
Ist Omikron krank machender als bisherige Varianten?
Nach Angaben einer Krankenhausgruppe in Pretoria wurden bei hospitalisierten Patienten in Südafrika zunächst mildere Verläufe beobachtet. Für Ungeimpfte sei die neue Variante nicht harmlos, warnt der Virologe Christian Drosten. Neben Hinweisen auf milde Verläufe gibt es auch Anhaltspunkte für Reinfektionen. Ein Preprint aus Südafrika legt nahe, dass die Reinfektionsquote mit dem Auftauchen von Omikron um das 2,5-Fache angestiegen ist.
Laut einer Ende Dezember veröffentlichten Untersuchung der UK Health Security Agency ist bei einer Omikron-Infektion das statistische Risiko, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, etwa ein Drittel so hoch wie bei einer Ansteckung mit der Delta-Variante. Grundlage der britischen Analyse waren mehr als eine Million Fälle aus den vergangenen Wochen, verglichen wurden Verläufe nach Omikron- und Delta-Infektionen.
Für eine relativ alte Gesellschaft mit vielen Ungeimpften wie in Deutschland kann sich die Lage allerdings anders darstellen. Selbst falls Omikron weniger schwer krank machen sollte, so könnte doch die schiere Zahl der Fälle unvorbereitete Gesundheitssysteme überfordern, mahnt die WHO. Laut RKI deuten bisherige Meldedaten zu Symptomen auf eher milde Verläufe bei Infizierten mit vollständiger Impfung beziehungsweise Auffrischimpfung hin (Stand: 30.12.2021).
Sind Geimpfte vor Omikron geschützt?
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat seine Risikobewertung wegen der Omikron-Variante verschärft. Für zweifach Geimpfte und Genesene werde die Gefahr einer Ansteckung nun als „hoch“ angesehen, teilte das RKI am 20.12.2021 mit. Für Geimpfte mit Auffrischimpfung schätzt das Institut die Gefährdung hingegen als „moderat“ ein.
Der Schutz vor schwerer Erkrankung dürfte vielen Experten zufolge mit vollständiger Impfung auch bei Omikron erhalten bleiben. Darauf deuten auch erste Daten beispielsweise von einem Ausbruch in Norwegen hin. Omikron dürfte die erste Abwehrlinie des Immunsystems, die Antikörper, überwinden können. Das Immunsystem Geimpfter hat aber noch weitere Mittel, sich zur Wehr zu setzen wie zum Beispiel die T-Zell-Antwort.
Wie wirken die aktuellen Impfstoffe gegen B.1.1.529?
Die Hersteller Biontech/Pfizer werteten zwei Impfstoff-Dosen als nicht ausreichenden Schutz vor einer Infektion. Eine Bevölkerungsstudie aus Großbritannien ergab, dass die Wirksamkeit gegen eine symptomatische Infektion mit Omikron 15 Wochen nach der zweiten Dosis Biontech auf 34 Prozent sinkt. Menschen, die mit zwei Dosen des AstraZeneca-Präparats geimpft worden waren, hatten keinen Schutz mehr vor symptomatischer Infektion. Zwei Wochen nach einer Booster-Impfung stieg die Effektivität bei beiden Präparaten auf über 70 Prozent.
Eine Auffrischdosis mit dem Impfstoff von Moderna erhöht die Immunabwehr des Körpers gegen die neue Corona-Variante nach Herstellerangaben deutlich. Im Vergleich zu einer Zweifach-Impfung sei der neutralisierende Antikörperspiegel nach einem Booster mit einer Dosierung von 50 Mikrogramm um das rund 37-Fache gestiegen, teilte das US-Unternehmen unter Verweis auf vorläufige Daten mit.
Reicht der Booster als Schutz vor Omikron?
Mit der Auffrischimpfung können Antikörperspiegel zwar wieder angehoben werden, trotzdem sind bereits Omikron-Fälle bei dreifach Geimpften bekannt. Die Virologin Sandra Ciesek von der Uniklinik Frankfurt warnte daher, dass eine Konzentration auf die Booster-Kampagne nicht reichen werde, auch weil der Schutz wieder nachlasse.
Welche Maßnahmen wirken gegen Omikron?
Die Welle flachhalten: Das ist das Motto, das viele Wissenschaftler und die WHO ausgeben. Auf die Kombination von Maßnahmen komme es an. Das Impfen allein werde kein Land aus dieser Krise bringen. Es brauche zusätzlich etwa Masken, Abstand, Lüften, Handhygiene. Mehrere Experten halten an Omikron angepasste Impfstoffe für nötig.
Wann ist mit angepassten Impfstoffen zu rechnen, die besser gegen Omikron wirken?
Die Impfstoffhersteller Biontech und Moderna arbeiten nach eigenen Angaben bereits an der Entwicklung angepasster mRNA-Vakzine. Sie werden vermutlich frühestens im zweiten Quartal 2022 zur Verfügung stehen.
Könnte die Virusvariante die Wirkung von Medikamenten gegen Sars-CoV-2 beeinträchtigen?
Bei monoklonalen Antikörpern, die als frühe Therapie bei einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf eingesetzt werden, könnte das der Fall sein. Die künstlich hergestellten Eiweiße sollen Coronaviren am Eintritt in die menschliche Zelle hindern. Doch genau diesen Antikörpern kann Omikron offenbar ausweichen. Die gute Nachricht: An den Angriffspunkten der kürzlich entwickelten antiviralen Medikamente Molnupiravir und Paxlovid wurde bislang nur eine Mutation identifiziert; sie würden wohl weiter wirken.