Tests, Quarantäne, Booster-Ausnahmen: Experte sagt, welche Maßnahmen nun sinnvoll sind
6. Januar 2022
Was sich bereits im Dezember angedeutet hat, ist nun offensichtlich: Omikron beschert uns die nächste Corona-Welle. Wie hoch und schwer sie ausfallen wird, ist bisher unklar. Klar ist allerdings, dass neue Maßnahmen kommen werden. Das hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach bereits vor der Bund-Länder-Runde am Freitag angekündigt. Neben verkürzten Quarantäne-Zeiten will der SPD-Politiker auch eine weitere Verschärfung der Kontaktbeschränkungen durchsetzen. „Verschärfungen werden leider notwendig sein, um der schweren Welle, die auf uns zukommt, zu begegnen“, sagte Lauterbach dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Ich werde dazu Vorschläge machen“, betonte er, ohne Details nennen zu wollen.
„Tatsächlich geht es aktuell darum, die Omikron-Welle auszubremsen. Beenden lässt sich das Geschehen nicht mehr, das ist ganz klar“, bewertet der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen im Gespräch mit FOCUS Online die derzeitige Corona-Lage. „Es geht um ‚flatten the curve‘, die Welle flach zu halten, damit die Situation, vor allem in den Krankenhäusern, handhabbar bleibt.“
Gleiche Regelungen für Arbeitswelt und Schulen notwendig
Die geltenden Maßnahmen seien schon umfassend – etwa mit Home-Office-Regelungen oder Einschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten. Hier allerdings ließe sich die Personenzahl noch weiter beschränken.
Entscheidend sei das Zeeb zufolge in Supermärkten und Geschäften. Hier seien die Regelungen aktuell etwas „löchrig und es sollte wieder klar begrenzt werden, wie viele Menschen sich hier aufhalten dürfen“. Das wäre zu anderen Zeiten der Pandemie bereits einmal konsistenter geregelt gewesen, erklärt der Experte. An solchen Stellschrauben müsse jetzt auch wieder gedreht werden, damit die Schulen auch während der Omikron-Welle offen bleiben könnten. Das hält der Epidemiologe für sehr wichtig. Denn gerade die Kinder und Jugendlichen hätten schon genug zurückstecken müssen.
Epidemiologe: In diesem Bereich braucht es Nachbesserungen
Ein Bereich dagegen sei noch zu wenig angetastet: das Arbeitsumfeld. „Eine Überlegung für die Regierenden sollten Reihentestungen in Unternehmen sein, so wie sie in Schulen gemacht werden“, schlägt Zeeb vor. Ebenso sollten Hygienemaßnahmen konsequent umgesetzt werden. Das hätten viele Arbeitgeber aus eigenem Interesse bereits getan.
Aber das sollte von der Politik verpflichtend gemacht werden, findet Zeeb. Denn gerade in prekären Arbeitsverhältnissen wie im Niedriglohnsektor würden solche Maßnahmen häufig vernachlässigt. Folglich infizieren sich die Menschen dort leicht und tragen das Virus in ihre Familien. „Hier muss man also mindestens genauso ansetzen wie bei den Schulen.“ Dieses Ungleichgewicht zwischen starken Einschränkungen für Kinder und kaum Einschränkungen für Arbeitnehmer dürfe sich nicht fortsetzen. Rein zahlenmäßig ist der Hebel mit etwa 45 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland enorm.
Schnelltests und 2G+
Hamburg hat gerade schon die Corona-Regeln verschärft. Die bisherigen 2G-Regeln werden weitgehend durch 2G-plus-Regeln ersetzt, wie Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag sagte. Das betreffe die Gastronomie, die Kultur, den Sport in Innenräumen, aber nicht den Einzelhandel.
Ausgenommen von der von Montag an geltenden Testpflicht auch für Geimpfte und Genesene seien Personen, „die eine Auffrischungsimpfung haben“.
Einen großen Hebel in der Pandemie-Bekämpfung sieht Epidemiologe Zeeb generell durch vereinzelte Schnelltests nicht. „Wer mal zwischendurch einen Test macht, muss schon sehr viel Glück haben, eine Infektion nachzuweisen“, erläutert der Experte. Es brauche den richtigen Tag, den geeigneten Test und die korrekte Durchführung. Gerade bei Geimpften und Geboosterten, ist die Viruslast der Infizierten oft nicht so hoch, dass die Schnelltests anschlagen. Dann tragen diese das Virus trotz Negativtest weiter.
„Sinnvoll sind die Schnelltests, wenn sie in Reihentestungen eingesetzt werden, wie es jetzt in den Schulen passiert oder in manchen Betrieben, in denen einfach zwei- bis dreimal die Woche getestet wird“, sagt Zeeb. Durch die Regelmäßigkeit bekäme man auch durch die nicht ganz so zuverlässigen Schnelltests eine ganz gute Aussagekraft hin.
Außerdem als sinnvoll erachtet er sie bei Corona-Anzeichen: Wer Symptome hat, sollte sehr vorsichtig sein und einen Test machen. „Gerade wenn man deutliche Erkältungssymptome hat, sind sie den Omikron-Symptomen sehr ähnlich“, erläutert der Bremer Forscher. „Wenn ich jetzt plötzlich auftretenden Schnupfen habe und dazu noch Erkältungssymptome, würde ich im Moment davon ausgehen, dass es eine Omikron-Erkrankung ist – bis das Gegenteil durch einen negativen Test oder besser zwei Tests gezeigt ist.“
Verkürzung der Quarantäne und Isolierung
Außerdem diskutieren die politisch Verantwortlichen darüber, die Quarantäne-Zeit zu verkürzen.
Aktuell gilt: Bei engem Kontakt zu einer positiv auf Corona getesteten Person soll man für zehn Tage in häusliche Quarantäne. Diese kann mit einem negativen Schnelltest auf sieben Tage verkürzt werden, mit einem negativen PCR-Test auf fünf Tage. Die Entscheidung über die Quarantäne liegt beim zuständigen Gesundheitsamt.
Zu unterscheiden ist davon die Isolierung: Wer infiziert ist, soll für 14 Tage nach Symptombeginn in Isolierung – vollständig Geimpfte fünf Tage, wenn sie danach symptomfrei und negativ PCR-getestet sind.
Im Gespräch sind kürzere Quarantänezeiten insbesondere in wichtigen Versorgungsbereichen, um massenhafte Personalausfälle zu vermeiden. Dazu zählen etwa
- Kliniken
- Polizei
- Feuerwehr
- Rettungsdienste
- Telekommunikation
- Strom- und Wasserversorgung.
Verkürzte Quarantäne- oder auch Isolierungsregelungen sind nach Einschätzung des Epidemiologen gut machbar – unter ein paar Bedingungen. „Inzwischen wissen wir klar, dass die starke Infektiosität wieder abnimmt“, erläutert Zeeb. Natürlich gebe es Einzelfälle, die auch länger als zum Beispiel sieben Tage infektiös seien. Aber überwiegend nehme die Infektiosität mit abnehmenden Symptomen auch ab. „Sprich, das Vorgehen wie in Großbritannien halte ich für klug“, führt der Experte aus.
Am Tag sechs nach Symptombeginn macht man einen Test. Wenn er negativ ist, macht man am nächsten Tag noch einen. Ist dieser auch negativ, kann man Isolation oder Quarantäne beenden. Hierfür genügten Zeebs Einschätzung nach die Schnelltests – vor allem, weil Deutschland ein Problem mit PCR-Test-Kapazitäten habe.
Generell sei das aber natürlich der zuverlässigere Nachweis. Dafür sei eine Aufstockung der Laborkapazitäten notwendig. Tests könnten jedenfalls das Infektionsrisiko nach einer Isolation minimieren. Es gelte die Balance zwischen langen Quarantäne-Ausfällen und Infektionsverbreitung zu finden.
Ausnahmen für Geboosterte
„Geboosterte sind besser geschützt, aber nicht perfekt geschützt“, betont Zeeb. Zudem können sie die Infektion weitertragen. Für Kontaktpersonen von Infizierten könne er sich aber vorstellen, dass es sinnvoll sei, von der Quarantäne abzusehen. Wichtig sei allerdings ein Zeitfenster: Der Booster sollte höchstens drei Monate alt sein, damit er aktuell sei. Das gelte derzeit für die meisten Menschen in Deutschland. Bundesweit erhielten inzwischen mindestens 32,7 Millionen Geimpfte oder 39,3 Prozent der Bevölkerung eine „Booster“-Impfung.