Bioinformatiker Kaderali: Nächsten Winter wohl keine dramatische Lage

Bioinformatiker Kaderali: Nächsten Winter wohl keine dramatische Lage

17. Januar 2022 Aus Von mvp-web
Stand: 17.01.2022 17:59 Uhr

Verliert das Coronavirus mit der Ausbreitung der Omikron-Variante seinen Schrecken? Der Greifswalder Bioinformatiker Lars Kaderali ist vorsichtig optimistisch, dass die Lage im Herbst und Winter nicht mehr so dramatisch wird. Doch die jetzige Omikron-Welle beunruhigt den Wissenschaftler noch.

Kaderali geht davon aus, dass die Zahl der Neuinfektionen und damit auch die Hospitalisierungen in Mecklenburg-Vorpommern durch die Omikron-Variante in Mecklenburg-Vorpommern weiter zunehmen werden. Zwar bewege sich die Auslastung der Intensivstationen auf hohem Niveau derzeit horizontal oder gehe zurück, aber Grund zur Entwarnung sei das mitnichten, sagte Kaderali dem NDR. „Man muss aber sagen, dass die Omikron-Fälle bisher vor allen Dingen die jungen Erwachsenen betreffen. Es ist noch nicht wirklich in der Gruppe angekommen, die das hohe Risiko für eine Erkrankung hat.“

Besondere Situation in MV wegen älterer Bevölkerung

Er schaue jetzt gespannt auf die Zahlen in den USA, wo sich abzeichne, dass die Hospitalisierungen und die Intensivauslastungen steigen, so Kaderali weiter. „Das sollten wir weiter beobachten, wie sich das dann hier entwickelt“. Der Wissenschaftler, der in Pandemie-Fragen auch die Landesregierung berät und dem Corona-Krisenstab des Bundes angehört, verwies darauf, dass die Situation in Mecklenburg-Vorpommern etwas anders als in anderen Bundeländern sei. „Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern insofern schon eine besondere Situation, als dass hier die Belastung in den Krankenhäusern immer noch etwas höher ist, als dass in den anderen Bundesländern der Fall ist, was ich mir unter anderem dadurch erkläre, dass wir hier eine ältere Bevölkerung haben.“


Die drei häufigsten Irrtümer über Omikron – und was Fakt ist

Stand: 17.01.2022 14:00 Uhr

Omikron ist die vorherrschende Coronavirus-Variante in Deutschland. Manche Eigenschaften sind anders als bei der Delta-Variante, die zuvor die Pandemie hierzulande dominierte. In der Öffentlichkeit kursieren verschiedene Missverständnisse und Irrtümer über Omikron. Korinna Hennig aus der Wissenschaftsredaktion von NDR Info klärt über den aktuellen Stand der Forschung auf.

von Korinna Hennig, NDR Info

Irrtum 1: Omikron verursacht fast nur noch milde Verläufe.

Vorsicht, Falle! Ja, es gibt die guten Nachrichten über Omikron: Die krank machende Wirkung schwächt sich ab. Für Ungeimpfte allerdings womöglich nur um rund ein Viertel gegenüber der Delta-Variante – das legen die jüngsten Studien nahe. Das heißt: Wer bei den bisherigen Varianten ein hohes Risiko hatte zu erkranken – durch Alter oder Vorerkrankungen, zu denen übrigens auch Übergewicht zählt -, der hat auch jetzt noch ein solches Risiko, nur eben leicht verringert.

Für dreifach Geimpfte sind schwere Verläufe eher nicht zu erwarten, wenn sie nicht zur Risikogruppe zählen.

Allerdings ist ganz wichtig: Wenn die Weltgesundheitsorganisation von „mildem Verlauf“ spricht, meint sie etwas anderes als das, was wir in der Alltagssprache meinen. Die WHO-Definition für „mild“ bezieht sich streng genommen auf fast alles, was man noch zu Hause im Bett aushalten kann: also auch Fieber, tagelange Gliederschmerzen, beginnende Atemnot, solange man nicht beatmet werden muss.

Übrigens: Je mehr Virus man abbekommt, desto höher ist das Risiko, schwere Symptome zu entwickeln. Wer also nur kurz oder entfernt Kontakt mit einem Infizierten oder einer Infizierten hat oder durch eine Maske geschützt ist, hat bessere Karten im Falle einer Infektion.

Irrtum 2: Man kann eine Infektion jetzt sowieso nicht mehr verhindern, auch wenn man geimpft ist.

Das ist nicht ganz falsch! Denn die Forschung geht davon aus, dass auch Geimpfte sich früher oder später infizieren. Und trotzdem ist es auch nicht ganz richtig! Denn das gilt vor allem für die Phase, in der sämtliche Maßnahmen fallen gelassen werden können, weil die Krankenhäuser nicht mehr überlastet sind und nicht das halbe öffentliche Leben durch Quarantäne lahmgelegt ist.

Bis dahin – und das ist die gute Nachricht – kann jeder sich gegen Omikron mit den gleichen Mitteln schützen wie gegen die anderen Varianten: gut sitzende FFP2-Masken, Abstand, lüften, große Menschengruppen meiden.

Denn eine Erkenntnis ist zuletzt dazugekommen: Anders als noch vor wenigen Wochen angenommen wurde, ist Omikron offenbar nicht per se deutlich übertragbarer. Die Forschung spricht von „keiner intrinsischen Fitness“. Das heißt: Die Variante ist womöglich gar nicht grundsätzlich ansteckender als ihre Vorgänger. Sondern sie verbreitet sich vor allem deshalb so schnell, weil sie dem Impfschutz ausweicht, also auch Geimpfte das Virus weitergeben können.

Und: Die Viruslast bei Omikron steigt oft in kurzer Zeit sehr steil an, deshalb kann das Ergebnis eines Schnelltests schon nach ein paar Stunden hinfällig sein.

Irrtum 3: Die Impfstoffe wirken nicht mehr gegen Omikron, deshalb lohnt sich ein Booster gar nicht.

Das ist ein fataler Irrtum! Denn mittlerweile weiß man ziemlich genau, dass die Impfung auch bei Omikron noch einen guten Schutz gegen die Krankheit Covid-19 bietet. Allerdings nur, wenn man auch geboostert ist.

Anders als man noch vor ein paar Monaten glaubte, ist der Booster nicht bloß eine Auffrischungsimpfung, die die Zahl der Antikörper wiederherstellt, die sich ein paar Monate nach der zweiten Dosis verflüchtigt haben. Sondern: Die Impfung ist erst nach drei Dosen vollständig, so wie zum Beispiel die Impfung gegen Polio oder Tetanus auch. Das heißt: Mit dem Booster wird eine Schutzwirkung erreicht, die auch zwei Wochen nach der zweiten Dosis noch nicht da war.

Für Omikron gilt das ganz besonders, auch wenn der Booster noch nicht an die Variante angepasst ist. Das Risiko, ins Krankenhaus zu kommen, ist halb so groß wie für zweifach Geimpfte. Dazu kommt: Dreifach Geimpfte geben das Virus untereinander seltener weiter, selbst innerhalb einer Familie. Das zeigen mittlerweile große Untersuchungen über Omikron-Ansteckungen aus England. Wie es sich bei Kindern und Jugendlichen ohne Booster verhält, muss noch genauer untersucht werden.

Sieben-Tage-Inzidenz kann auf 1.000 steigen

Kaderali hält in den kommenden Wochen auch Sieben-Tage-Inzidenzen von 1.000 oder mehr im Nordosten für möglich. Dies sei aber nicht so dramatisch, wie es auf den ersten Blick scheinen möge: „Das ist eine ganz einfache Rechnung, die dahintersteckt: Wenn ich leichtere Verläufe habe – nehmen wir mal an, ich habe um 50 Prozent geringere Schweregrade der Verläufe – dann kann ich doppelt so hohe Inzidenzen zulassen.“ Dazu komme, dass die Immunisierung der Bevölkerung höher sei und die Hospitalisierung deshalb nicht mehr so stark ansteigen werde. Omikron sei meist durch mildere Verläufe gekennzeichnet – „eher wie eine Erkältung“. Es gebe auch andere Symptome wie etwa Halsschmerzen, Augenschmerzen und Durchfälle.

Kaderali: Kommen nicht wieder in so eine dramatische Lage

Mittelfristig ist Kaderali aber zuversichtlich, dass das Coronavirus einen Großteil seines Schreckens verlieren werde. Zwar halte das Virus Überraschungen bereit, die keiner vorhersagen könne und es werde sicherlich auch neue Varianten geben, „die entscheidende Frage ist aber, inwieweit die noch einmal zu so einer schweren Auslastung in den Krankenhäusern führen.“ Er sei „relativ optimistisch, dass neue Varianten vielleicht nochmal infektiöser sein werden, dass wir aber sehr wahrscheinlich mit den durchgemachten Infektionen jetzt doch eine gute Grundimmunität bekommen werden, sodass nicht zu befürchten ist, dass wir im nächsten Winter wieder in so eine dramatische Lage kommen werden.“

Kaderali empfiehlt die Impfung

Wichtig seien weiterhin die Impfungen, die zwar keinen so guten Schutz gegen eine Infektion bieten, „aber einen sehr, sehr guten Schutz gegen einen schweren Verlauf, gegen Hospitalisierung, gegen die Aufnahme in die Intensivstation und gegen Tod.“ Da seien die Daten ganz eindeutig. „Deshalb ist es nach wie vor sinnvoll, sich impfen zu lassen, um diesen persönlichen Schutz zu haben“, empfiehlt Kaderali.