Nordex baut ab: Wie weiter für die Belegschaft in Rostock?
28. Februar 2022Es klingt paradox: Bundes- und Landesregierung wollen die erneuerbaren Energien massiv ausbauen und gleichzeitig deutet sich beim Windkraftanlagenbauer Nordex ein massiver Arbeitsplatzabbau an.
Bereits am Freitag war die Nachtschicht im Werk am Rostocker Überseehafen durch die Betriebsräte über den aktuellen Stand informiert worden. Laut des Betriebsratsvorsitzenden Thomas Theuer hat der Vorstand am Montag zu einer Informationsveranstaltung am Rostocker Standort eingeladen.
Diese aktuellen Signale versprechen wenig Hoffnung: Aus Spanien kam bereits die Nachricht, dass die Produktion an einem Standort eingestellt werden soll. Und aus dem Nordex-Umfeld in Rostock wird berichtet, dass die Schließung und Verlagerung bereits vorbereitet würde.
Gute Auftragslage, aber steigende Kosten
Es geht um rund 800 Jobs, vor allem im Bereich Rotorblattproduktion, aber auch die Montage von Maschinenhäusern soll heruntergefahren werden. Der Grund sind steigende Material-, Logistik- und Personalkosten. Nordex steckt weiter in den roten Zahlen, trotz guter Auftragslage und konkurrenzfähiger Windturbinen. Bei Nordex geht es um viel. Das Unternehmen ist auch ein Symbol für den mühsamen Wiederaufbau der Industrie nach der Wende, für neue Technologien, für neue Wertschöpfungsketten.
Turbinen-Gondeln aus Polen, China oder Indien
Seit Jahren fährt das Nordex-Management bereits einen deutlichen Sparkurs. Die Produktion von Teilen und Komponenten wird nach und nach ausgelagert. Wo „Made in Rostock/Germany“ draufsteht, ist immer weniger Germany drin. Allerdings hat das auch Nachteile bei den Lieferketten, die durch die Pandemie nur noch sehr unzuverlässig funktionieren. Heimische Zulieferer, wie der Kunststoffproduzent Eikboom, haben sich allerdings schon längst andere Geschäftsfelder gesucht. Turbinen-Gondeln laufen nun in Polen, China oder Indien vom Band.
Madsen: Problem ist hausgemacht
Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos) hat mit der Nordex-Geschäftsführung gesprochen und die Unterstützung der Stadt angeboten. Das Problem sei aber auch hausgemacht, findet Madsen und nutzt die Gelegenheit, um einmal mehr die deutsche Bürokratie zu kritisieren. „Das ist heute einfach viel zu kompliziert“, so Madsen. Habe man eine geeignete Fläche, auf der man eine Windkraftanlage herstellen könnte, dauere es dennoch Jahre, bis eine Baugenehmigung vorliege, so Madsen. „Wenn wir diesen Zustand nicht ändern, dann müssen wir uns am Ende auch nicht wundern, wenn sich die Industrie von uns abwendet.“ Er sprach sich für „vereinfachte Verfahren, mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie“ aus.
Teil der Wertschöpfung muss im Land bleiben
Madsen kritisiert den geplanten Arbeitsplatzabbau scharf und appelliert an die unternehmerische und soziale Verantwortung des Unternehmens. Wer in Deutschland Geschäfte machen wolle, müsse auch nachweisen, dass zumindest ein Teil der Wertschöpfung auch in Deutschland bleibe. So würden es schon jetzt große dänische Konzerne bei Ausschreibungen vorgeben. Dänemark ist die Heimat des Weltmarktführers Vestas. Aber gerade Vestas hatte vor einem halben Jahr angekündigt, seinen Fabriken im dänischen Esbjerg, im spanischen Viveiro und in Lauchhammer zu schließen. Allein in Brandenburg gehen dadurch 460 Arbeitsplätze verloren. Der Grund: stark gestiegene Kosten.
Schwacher heimischer Markt
Dabei war es auch die Nähe zu den skandinavischen und mitteleuropäischen Märkten, die Nordex den Aufstieg ermöglichte. Noch reihen sich im Rostocker Seehafen Rotorblätter und Maschinenhäuser aneinander. Gut 1.500 Windräder produziert Nordex pro Jahr. Gut die Hälfte davon kommt aus Rostock. Das wird sich vermutlich ändern, auch weil der Ausbau der Windenergie hierzulande stockt. Der Grund sind langwierigen Genehmigungsverfahren, restriktive Abstandsregeln und die niedrige Akzeptanz in der Bevölkerung.
Madsen: Ausbau der deutschen Windenergie muss wieder in Gang kommen
Windräder von Nordex sind besonders in den USA, in Chile, Brasilien, Südafrika, der Türkei, Frankreich und Spanien nachgefragt. Auch deshalb hat das börsennotierte Unternehmen Werke in Brasilien und Indien aufgebaut. „Wir können es nicht kampflos hinnehmen, wenn ganze Branchen Deutschland und Europa den Rücken kehren und ihre Fertigungen auf Kontinente verlagern, die nur einen Bruchteil der hiesigen Löhne und Gehälter zahlen“, sagte Madsen der „Ostsee-Zeitung“. Aber damit Rostock wieder ein größeres Stück vom Kuchen abbekommt, müsste der Ausbau der Windenergie hierzulande wieder in Gang kommen.
„Wenn solche Unternehmen wie Nordex, die weltweit aufgestellt sind, eine solche kaufmännische Entscheidung treffen, dann haben wir wenig Möglichkeiten dagegen vorzugehen“, so Klaus-Jürgen Strupp, Präsident der IHK zu Rostock bei NDR MV live. Grundsätzlich sorge er sich jedoch nicht um den Wirtschaftsstandort Rostock. „Die Standortfrage stellt sich gar nicht“, so Strupp. Mit großen Unternehmen wie Liebherr oder Aida Cruises sei der Standort MV gut aufgestellt. Auch für den Werftenstandort Rostock/ Warnemünde liefen derzeit „gute Gespräche“. „Fortschritte“ mache man auch an den Standorten Wismar und Stralsund. Potenzial sieht Strupp auf den Werften vor allem in der Umstellung von konventionellen auf modernere Antriebe. „Wir haben gute Fachkräfte – leider zu wenige“, so Strupp. Diese würden in seinen Augen aber auch dafür sorgen, dass der Standort weiterhin attraktiv bleibt.