Nie haben sich in Deutschland in so kurzer Zeit so viele Menschen mit dem Coronavirus angesteckt wie in diesem Jahr. Doch zumindest schien der Höhepunkt der Omikron-Welle Mitte Februar überschritten: Über Wochen sanken die Corona-Zahlen, auch wenn sie immer noch hoch waren. Nun kehrt sich der Trend um: Die Inzidenz steigt wieder. Und das Robert Koch-Institut (RKI) meldet erstmals mehr 250.000 Neuinfektionen an einem einzigen Tag. Wie kann das sein?
Mehr Infektionen mit der neuen Omikron-Variante
Der wichtigste Grund ist (mal wieder) eine neue Variante, die tatsächlich gar nicht so neu ist. BA.2 ist eine Subvariante von Omikron, eng verwandt mit BA.1, die zunächst als Omikron bekannt wurde und bislang das Infektionsgeschehen in Deutschland bestimmte. Nun setzt sich ihre Geschwister-Variante BA.2 durch.
Es war also nur eine Frage der Zeit, bis sich die neue Omikron-Variante durchsetzen würde. Die ersten BA.2 Fälle meldete das RKI bereits im Dezember. Mittlerweile macht BA.2 wohl auch in Deutschland den größten Teil der Infektionen aus: In der Woche vom 21. bis zum 26. Februar waren es 48,2 Prozent, seitdem dürfte der Anteil weiter gestiegen sein.
Auch die Zahl der Infektionen mit BA.2 steigt schon seit Wochen (siehe Grafik, darin lässt sich zwischen dem Anteil der Varianten und einer Hochrechnung auf die Zahl der Infektionen umschalten). Gleichzeitig sank die Gesamtinzidenz, weil die meisten Infektionen noch der abklingenden BA.1-Welle zugeordnet werden konnten. So baute sich im Hintergrund der BA.1-Welle eine zweite, versteckte BA.2-Welle auf – ganz ähnlich wie schon bei den früheren Virusvarianten Alpha und Delta. Immerhin: Die Zahl der Infektionen mit der neuen Variante wächst nicht so rasant, wie es damals der Fall war. Eine eindeutig exponentielle Entwicklung lässt sich derzeit nicht daran ablesen.
Die erste Welle ist nicht überall vorbei
Eine Erklärung dafür, warum sich BA.2 nicht ungebremst ausbreitet, ist, dass sich das Infektionsgeschehen regional sehr stark unterscheidet. In einigen Bundesländern zeigt sich die zweite Omikron-Welle bereits sehr deutlich: Im Saarland etwa wurde der erste Höhepunkt der Omikron-Welle Mitte Februar erreicht, dann sank die Inzidenz. Anfang März kehrte sich der Trend um, die Inzidenz stieg wieder an und liegt heute sogar höher als im Februar. Auch in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen türmt sich die Omikron-Welle bereits ein zweites Mal auf.
Ein anderes Bild zeigt sich in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen, dort hat die Omikron-Welle nie einen Höhepunkt erreicht. Seit Jahresbeginn steigen die Zahlen an, zuletzt etwas beschleunigt. In Berlin und Bremen, wo es bereits früh zu vielen Omikron-Infektionen kam, stagnieren die Fallzahlen hingegen – obwohl gerade die Menschen in Berlin momentan wieder deutlich mehr Kontakte untereinander haben.
Lockerungen und Karneval
Besonders rasant stiegen die Fallzahlen zuletzt in Köln. Auch dort liegt die Inzidenz aktuell höher als je zuvor. Dabei steckten sich besonders viele jüngere Menschen an: In der Altersgruppe von 20 bis 29 Jahren lag die Inzidenz bei über 5.000. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass die Menschen in Köln in der vergangenen Woche Karneval gefeiert haben. Der Zusammenhang sei zwar nicht sicher belegbar, sagte eine Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums, lasse sich aber durchaus vermuten.
Das Beispiel Köln zeigt: BA.2 ist nicht allein dafür verantwortlich, dass die Zahlen steigen. Auch die Zahl der Kontakte, die es in der Bevölkerung gibt, entscheidet darüber, wie sich die Fallzahlen entwickeln. Noch immer verhalten sich die Menschen in Deutschland anders als vor der Pandemie. Masken, Homeoffice und Tests bremsen aktuell die Infektionen. Eine Rückkehr zu einer vollständigen Normalität könnte – eben wie in Köln – das Infektionsgeschehen beschleunigen.
Mit den geplanten Lockerungen scheint es durchaus plausibel, dass die Fallzahlen nun noch weiter ansteigen könnten. Der zweite Höhepunkt der Omikron-Welle könnte sogar höher ausfallen als der erste. Auch in den nächsten Wochen werden sich sehr viele Menschen anstecken. Die Situation in den Krankenhäusern ist ohnehin angespannt – und könnte sich noch einmal verschärfen. Und doch deutet aktuell wenig darauf hin, dass sich die Lage noch einmal dramatisch verschlechtert. Bald dürfte außerdem der Frühling die Temperaturen steigen lassen – und hoffentlich die Infektionen bremsen.