Deutschland gerät wegen seiner zögerlichen Ukraine-Politik immer stärker in Bedrängnis. Ist Kanzler Scholz ein Zauderer? Oder ist sein Vorgehen in diesen harten Zeiten genau richtig?
„Führung lässt der Bundeskanzler derzeit schmerzlich vermissen“
„Hannoversche Allgemeine Zeitung“: Olaf Scholz hat mit seiner „Zeitenwendenrede“ kurz nach Kriegsbeginn eine große Rede gehalten. Er wirkte entschlossen und stark – und hat dann Abgeordnete der eigenen Partei, der eigenen Koalition und viele Menschen in Deutschland, aber vor allem in der Ukraine enttäuscht, weil er mit Worten eine Erwartungshaltung geschaffen hatte, die er mit Taten nicht erfüllen konnte. Jedenfalls noch nicht.
Der Kanzler muss jetzt schnell handeln. So weitreichend Entscheidungen über Waffenlieferungen auch sind. Oder er muss eine bessere Idee präsentieren. Eine, die Friedensverhandlungen ermöglichen kann. Denn zur Führung, die er für sich reklamiert, gehört eben zu führen. Voranzugehen, den Menschen Sicherheit zu geben, die Koalition zu beruhigen. Das lässt der Bundeskanzler derzeit schmerzlich vermissen.
„Scholz – der Ab-Kanzler“
„Badische Neuste Nachrichten“: Vom grünen Koalitionspartner werden schwere Waffen für die Ukraine gefordert – Scholz schweigt. Die FDP erinnert den Kanzler ebenso frech wie zutreffend an seine Richtlinienkompetenz – Scholz schweigt. Teflon-Kanzlerin wurde Vorgängerin Angela Merkel oft genannt, weil sie vieles einfach abperlen ließ. Scholz hat diesen Stil übernommen.
Er verweigert sich der Debatte, die Äußerungen in der eigenen Koalition interessieren ihn offenbar nicht. Einer Diskussion im Parlament weicht der Kanzler aus. Er kümmere sich, habe alles schon vorhergesehen, das Bitteschön müsse reichen, würgt er das Interesse am Thema Waffenlieferungen ab. Scholz, der Ab-Kanzler. Hinzu kommen weitere Regierungs-Baustellen, etwa das Durcheinander in der Corona-Politik. Auch zur Energiepolitik schweigt Scholz.
„Dass die Koalition am Kanzler scheitern könnte, hatte niemand auf dem Schirm“
„Fuldaer Zeitung“: Was ist los mit Kanzler Olaf Scholz? Der Mann, der Führung versprochen hat, wird immer leiser, immer unbestimmter in seinen Aussagen. Doch die Ampel, die Bürger und auch die europäischen Nachbarn wollen jetzt eine Entscheidung, wollen wissen, was Sache ist. Dass die Ampel eine Regierung ist, die bei der extrem unterschiedlichen Positionierung ihrer Parteien immer um ihren Bestand kämpfen muss, war von Anfang an klar. Dass sie aber am Kanzler scheitern könnte, das hatte niemand auf dem Schirm.
„Das Zaudern muss ein Ende haben“
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: Wenn es um Krieg und Frieden geht, wünscht man sich keinen Hitzkopf als Regierungschef. Doch droht Scholz die Diskurshoheit in der Koalition zu verlieren. Es ist sogar fraglich, ob er sie noch in der eigenen Partei hat. Die SPD quält sich sehr mit dem ukrainischen Wunsch nach schweren Waffen aus Deutschland. (…) Der Krieg in der Ukraine wird zunehmend zu einem Stresstest für den Zusammenhalt und die Handlungsfähigkeit der Ampelkoalition. In ihr trifft die „Zeitenwende“ mit immer noch kaum zu glaubenden Positionswechseln auf altes, friedensbewegtes Denken, das sich nach dem ersten Schock langsam wieder sammelt. Doch Putins Krieg lässt Berlin keine Zeit für endloses Ausdiskutieren der eigenen Befindlichkeiten. Das Zaudern muss ein Ende haben. Auch diese Wende kann nur der Kanzler herbeiführen.
„Die Grünen sind der Antreiber – die SPD tut sich schwer“
„Rhein-Zeitung“: Die Grünen, die in den 42 Jahren ihrer Geschichte lange Parteitagsschlachten über die Frage von Krieg und Frieden hinter sich haben, sind nun die Antreiber, der Ukraine in ihrem Freiheitskampf gegen die russischen Aggressoren mit noch mehr Waffen zu helfen. Die SPD tut sich schwer, weil sie mit einer Lieferung schwerer Kampfpanzer oder Kampfjets eine weitere Eskalation des Krieges befürchtet, der auch EU-Europa erfassen könnte. Außenministerin Annalena Baerbock vermeidet den offenen Konflikt mit Scholz. Ihr würde es genügen, wenn die Ukraine überhaupt schwere Waffen bekäme – und sei es auf Vermittlung aus Deutschland. Es braucht jetzt ein Machtwort. Scholz muss zeigen, dass er führt.