Macron gewinnt Frankreich-Wahl Präsident auf Bewährung
25. April 2022Die Präsidentschaftswahl in Frankreich hat Amtsinhaber Macron zwar gewonnen – ein Triumph ist es für ihn aber nicht, denn das Land ist tief gespalten. Wenn Macron nicht liefert, droht ihm schon bald der nächste Denkzettel.
Es ist kein Triumphzug, sondern ein eher stiller Gang zum Rednerpult vor dem Eiffelturm. Diesmal nicht allein wie vor fünf Jahren, sondern mit 30 Kindern und Hand in Hand mit seiner Frau Brigitte. Auf die Frage, was sie sich nach dem Wahlsieg gesagt hätten, antwortete die First Lady: „Wir haben uns Danke gesagt, denn wir sind immer füreinander da.“
„Merci!“, ist auch das Erste, was der wiedergewählte Präsident Emmanuel Macron seinen Anhängern, Helfern und Wählern zuruft, um gleich für sein Projekt zu werben, „für ein stärkeres Europa, ein unabhängigeres Frankreich, indem wir durch Investieren und einen tiefen Wandel Fortschritte für jeden erreichen, indem wir noch kreativer und innovativer werden und eine große ökologische Nation schaffen“.
Die Fans von Macron skandieren: „Und eins und zwei und fünf Jahre mehr!“ Für die zweite Amtszeit setzt Macron auf einen neuen Stil, weniger von oben herab, dafür mehr Wohlwollen und Respekt in einem Land, das voller Zweifel und Spaltung ist. „Ich denke auch an alle Mitbürger, die nicht abgestimmt haben. Ihre Stille bedeutet, sie lehnen es ab, eine Wahl zu treffen. Darauf müssen wir antworten. Und auch darauf, dass viele das Projekt der Extremrechten gewählt haben aus Wut und Ablehnung“, so Macron.
„Marine, Marine“- schallt es in einem Pavillon im Grünen im noblen Westen der Stadt. Die Herausforderin vom rechten Rand, Marine Le Pen, hatte zuvor den Präsidenten angerufen und ihre Niederlage eingestanden. Aber was heißt Niederlage, wenn man fast zehn Prozentpunkte mehr holt als vor fünf Jahren?
„Wir sind entschlossener denn je, die Franzosen zu verteidigen. In der Niederlage sehe ich auch eine Hoffnung“, sagt Le Pen. „Dieses Ergebnis zeugt von einem großen Misstrauen des französischen Volkes gegenüber den in Frankreich und Europa Regierenden. Das können sie nicht ignorieren.“ Aber die Partie sei noch nicht zu Ende gespielt, so Le Pen, denn im Juni stünden Parlamentswahlen an und die Schlacht beginne gerade erst. Unter Jubel erklärt sie, ihre politische Karriere nicht zu beenden.
„Ich werde diese Schlacht führen mit allen, die sich der Nation verschrieben haben. Unser historisches Ergebnis ermöglicht es unserem Lager, im Juni viele Abgeordnete ins Parlament zu bekommen. Ich sage erneut: Niemals lasse ich die Franzosen im Stich!“
Für die Parlamentswahlen ruft Eric Zemmour, der Le Pen im Wahlkampf rechts überholen wollte, bereits jenseits allen Streits zu einer Union der Rechten auf. So eine Union, aber eine volkstümliche, strebt auf der anderen Seite Linksaußen-Politiker Jean-Luc Mélenchon an, der fast in die Stichwahl gekommen wäre.
Seine Wähler haben sich oft enthalten oder waren nicht wählen. „Ich denke an die künftigen Opfer der Wiederwahl. Sozialhilfeempfänger, die kostenlos 20 Stunden arbeiten sollen, erschöpfte Menschen, die erst drei Jahre später in Rente gehen dürfen, Menschen, die wissen, dass Macrons ökologisches Nichtstun ein Verbrechen ist. Werdet aktiv, die dritte Runde beginnt jetzt“, so Mélenchon.
Im Juni könne man Macron schlagen und eine andere Welt aufbauen, Voraussetzung: die Mélenchon-Fraktion werde stark genug und er Regierungschef. Und Linke und Grüne versammelten sich um sein Projekt. Von den Sozialisten kamen erste positive Signale.
Doch viele Menschen sind müde, immer nur das kleinere Übel zu wählen. Deshalb brach sich Wut Bahn – schon am späten Abend. In den sozialen Medien kursieren Bilder von einem Tränengaseinsatz der Polizei gegen Demonstranten in Paris.
Auf der Place de la République stimmten Hunderte junge Menschen Anti-Macron-Lieder an. Sie wünschen sich ein sozialeres, grünes Frankreich. Die Zeit bis zu den Parlamentswahlen wird angespannt. Macron muss seine Versprechen einlösen und liefern. Sonst bekommt er im Juni einen Denkzettel.