Neuer Anlauf zum Saisonstart: AIDA weiter in schwerer See

2. Dezember 2020 Aus Von mvp-web
Stand: 02.12.2020 13:28 Uhr

Die Rostocker Reederei AIDA Cruises und die gesamte von der Corona-Pandemie schwer getroffene Kreuzfahrtbranche hoffen auf einen Neustart. Die einstige „Gelddruckmaschine“ ist in Krisenzeiten zum „Kapitalvernichter“ geworden.

von Martin Möller und Jürgen Opel

Am zweiten Adventswochenende will die Rostocker Reederei AIDA Cruises die Kreuzfahrtsaison auf den Kanaren starten. Zwei Schiffe liegen bereit, um zu siebentägigen Reisen in See zu stechen. Das Hygienekonzept von AIDA Cruises ist ebenso ausgeklügelt wie klassifiziert: kostenfreier Covid-19-Test vor der Reise, gesicherte An- und Abreise, medizinische Betreuung an Bord, strenge Abstands- und Desinfektionsregeln sowie elektronische Karten, um Infektionen nachzuvollziehen und Infizierte rechtzeitig isolieren zu können.

Die Reederei verspricht ihren Passagieren, dass sie sich während der Reise in einer sicheren Kreuzfahrt-Blase bewegen – auch auf Landgängen. Der Chef der europäischen AIDA-Mutter Costa Crociere, Michael Thamm, erklärte, dass für die Sicherheit der Passagiere und Besatzung sowie der Menschen in den Zielgebieten alles getan sei.

 Von der „Gelddruckmaschine“ zum „Kapitalvernichter“

Noch 2019 verzeichnete die Reederei mit 1,3 Millionen Gästen und 3.102 Anläufen ein Rekordjahr. Seit März 2020 liegen die unter italienischer Flagge fahrenden 14 AIDA-Schiffe entweder weltweit verstreut in Häfen an der Pier oder dümpeln arbeitslos auf Reede. Ungefähr 200 Mann Besatzung brauche es, um ein Schiff einsatzbereit zu halten, sagen Experten. Das Management beziffert die Umsatzausfälle mittlerweile auf bis zu 1,5 Milliarden Euro.

Gut 80 Prozent der etwa 1.400 AIDA-Beschäftigten in Deutschland leben seit Ende Mai von Kurzarbeitergeld. Wegen der unsicheren Zukunft ihrer Branche haben die ersten bereits gekündigt, wie Detlev Follak, der Bezirkschef der Gewerkschaft ver.di, in Rostock erklärt.

Steuern sparen – verflechtete Firmenstruktur

Die Verhandlungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium über Finanzhilfen stünden kurz vor dem Abschluss, sagte Reederei-Chef Thamm der Nachrichtenagentur dpa. Konkret geht es um einen 400-Millionen-Euro-Kredit. Ob sich Mecklenburg-Vorpommern an den Hilfen beteiligen wird, mag das Schweriner Wirtschaftsministerium bislang nicht verraten.

Was die Verhandlungen kompliziert macht, ist die Firmenstruktur, mit der die Reedereien versuchen, Steuern zu sparen. AIDA gehört zu Costa Crociere – und Costa wiederum gehört zum US-Konzern Carnival. Dahinter stehen die größten Investmentgesellschaften der Welt – so unter anderem Vanguard Inc. und Blackrock. AIDA-Beschäftigte, die auf den Schiffen arbeiten, erhalten meist Verträge nach italienischem Recht. Das bedeutet: Sie zahlen zumindest in Deutschland keine Steuern und Sozialabgaben. Gleichzeitig gelten andere soziale Standards, längere Arbeitszeiten und im Vergleich geringere Löhne als in Deutschland.

Mehrheit für Wirtschaftshilfen 

Laut einer Umfrage von infratest dimap im Auftrag des NDR halten 83 Prozent der Befragten die staatlichen Corona-Wirtschaftshilfen für richtig und nur sieben Prozent für falsch. Auch die Gewerkschaften sind für staatliche Kredite zugunsten von Kreuzfahrtreedereien wie AIDA – allerdings nicht bedingungslos. „Die Krise zeigt auch, dass wir umdenken müssen“, so Follak. „Wir müssen überlegen, wo entsteht Wertschöpfung und wo werden Steuern gezahlt. Davon muss die Bundesregierung Hilfen abhängig machen, Bedingungen stellen.“