Retzower Heide: Wiedehopf kehrt nach MV zurück
11. Juli 2022Der Wiedehopf galt hierzulande als nahezu ausgestorben. Dank ehrenamtlicher Vogelschützer siedelt er sich wieder an, zum Beispiel auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz im südlichen Mecklenburg.
Das Naturschutzgebiet Marienfließ zwischen dem Landkreis Ludwigslust-Parchim und Brandenburg ist nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie ein besonderes Schutzgebiet. Das Territorium wurde bis 1991 von den Sowjetischen Streitkräften genutzt. Danach wurde es von alter Munition befreit und es wird von der Europäischen Union finanziell gefördert, um die offene Landschaft zu erhalten. Kerstin Bull blickt über die Retzower Heide auf der Mecklenburger Seite. „Der ehemalige Truppenübungsplatz ist von Magerrasen geprägt. Er bietet eine perfekte Nahrungsgrundlage, viele Insekten sind hier Zuhause. Insekten braucht der Wiedehopf als Nahrung und zur Jungenaufzucht. Und er frisst Eidechsen. Die gibt es hier auch reichlich.“ Kerstin Bull liebt Vögel und engagiert sich deshalb seit Jahren in der Naturschutzgruppe Plau am See.
Nisthilfen imitieren Baumhöhlen
An einer Zitterpappel befindet sich ein Brutkasten. Er imitiert eine Baumhöhle, die Wiedehopfe lieben, aber hier in der Retzower Heide kaum zu finden sind. Wald wurde zurückgedrängt. Mittlerweile hängen hier insgesamt 30 Nistkästen. Kerstin Bull hat ein Flugloch mit Zeitungspapier zugestopft, damit kein Vogel entwischen kann. Sie öffnet vorsichtig das Schiebefach am Brutkasten und zählt neun Jungtiere. „Der Altvogel sitzt auch noch drauf, die Mutter also, deswegen werde ich mir einen Kleinen jetzt ganz schnell schnappen.“ Die Vogelschützerin will die Jungtiere beringen. Seit vergangenem Jahr wird der Nachwuchs so dokumentiert.
Kloake als Abwehrstoff
Der wenige Tage alte Vogel spritzt Kerstin Bull mit seiner verdünnten bräunlichen Kloake an. „Das ist sein Mittel, um Feinde abzuwehren. Man sagt ja auch: Du stinkst wie ein Wiedehopf. Es ist nicht ganz so schlimm, aber schon einmalig.“ Vorsichtig hält die junge Frau den Wiedehopf in ihren Händen. Mit einer Zange kneift sie einen Ring um seinen linken Fuß. Die Zahlen-Buchstaben-Kombination ist quasi der Personalausweis des Vogels.
Fußring als Dokument
Am Ring können die Naturschützer viele wichtige Informationen ablesen, etwa wie alt ein bestimmter Vogel ist oder wo er bevorzugt lebt. „Wir haben in diesem Jahr sogar einen beringten Vogel entdeckt, der hier im vergangenen Jahr geschlüpft ist und nun erstmals eine eigene Brut hat.“ Die Zahntechnikerin weiß, der Wiedehopf gilt in Deutschland als gefährdet, weil er nur in bestimmten Regionen vorkommt und ihm Lebensraum fehlt. Darauf möchte auch der NABU gemeinsam mit dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern aufmerksam machen und hat den Wiedehopf zum Vogel des Jahres 2022 benannt. Hier in der Retzower Heide wurde der hupende Vogel erstmals wieder vor 15 Jahren gehört. Seit 1973 galt er hier als ausgestorben.
Gefahr lauert im Winterquartier
Der Wiedehopf zieht bis nach Afrika. Dort oder auch auf dem Weg dorthin, vor allem in einigen Mittelmeerländern, wird er illegal gejagt abgeschossen und von Menschen gegessen. Der auffällige Vogel ist auch leichte Beute für Greifvögel.
Bruterfolge steigen
Im vergangenen Jahr wurden in der Retzower Heide zwölf Brutpaare und 54 Jungvögel gezählt. In diesem Jahr sind es aktuell neun Brutpaare und 38 beringte Jungvögel. Aber die Brutsaison läuft noch. „Letztes Jahr haben wir noch im August beringt. Da werden noch ein paar dazukommen“, erzählt Kerstin Bull stolz.
Studenten begleiten Schutzprojekt
Leona Frieboese begleitet das Schutzprojekt wissenschaftlich. Sie studiert in Greifswald Biodiversität und Ökologie und möchte mehr über den Wiedehopf erfahren, etwa wer den Nachwuchs füttert: eher das Weibchen oder das Männchen? Anhand von Fotofallen konnte sie beobachten, dass es hauptsächlich das Männchen ist, das die Nahrung beschafft. „Es kommt auch auf das Alter der Jungtiere an. Gerade am Anfang sitzt das Weibchen die meiste Zeit im Nistkasten und wärmt die Brut und dann versorgt das Männchen die Mutter und die Kleinen.“ Die Studentin sammelt Daten für ihre Masterarbeit, sie will auch Wetterdaten auswerten, um zu schauen, ob der Klimawandel Einfluss auf den Vogel hat. Der Wiedehopf bevorzugt warme Regionen, möglicherweise fühlt er sich aus deswegen immer wohler in Mecklenburg-Vorpommern.