Deutsche Bahn plant längere Umsteigezeiten
10. August 2022Die Deutsche Bahn will auf 800 Fernverbindungen die Umsteigezeiten verlängern, damit Reisende ihren Anschlusszug besser erreichen können. Das könnte Auswirkungen auf die Entschädigungszahlungen haben.
Die Deutsche Bahn plant auf Hunderten Fernverbindungen in Deutschland mit längeren Umsteigezeiten für die Fahrgäste. Damit reagiert der Konzern auf die vielen Verspätungen im Bahnverkehr. In der Fahrplanauskunft und im Buchungssystem werden dafür standardmäßig einige Minuten mehr eingestellt, wie das Unternehmen heute mitteilte.
„Knappe Anschlüsse, die in der aktuellen betrieblichen Lage schwer erreicht werden können, zeigen wir jetzt schon bei der Planung und Buchung nicht mehr an“, sagte Vorstandsmitglied Michael Peterson dazu. Die längeren Umsteigezeiten werden laut Peterson für etwa 800 Anschlussverbindungen hinterlegt. Je nach Verbindung könnten dies beispielsweise statt bislang acht Minuten nun zehn, zwölf oder 14 Minuten sein, erklärte er.
Wer wider Erwarten doch einen früheren Anschlusszug erwische als geplant, bekomme trotz möglicher Zugbindung keine Probleme bei der Fahrkartenkontrolle, versicherte Peterson. Fahrgäste können individuell auch kürzere oder längere Umsteigezeiten im System einstellen.
„Wir wollen das Reisen besser planbar machen“, so Peterson. „Die schnellste Verbindung ist nicht immer die zuverlässigste.“ Derzeit sind die Züge so unpünktlich wie seit Jahren nicht. Peterson sprach von einer Zumutung für Fahrgäste und Mitarbeiter.
In der jetzigen Situation der Mangelverwaltung bringen die längeren Umsteigezeiten schon etwas, sagt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, gegenüber tagesschau.de. Der kundige Bahnfahrer habe bisher auch nicht darauf gesetzt, einen Anschlusszug in fünf Minuten zu bekommen. Wenn man jetzt mit einer Verspätung rechnen müsse, mache es Sinn, das auch in der Auskunft anzugeben.
Naumann geht davon aus, dass die längeren Umsteigezeiten so lange angeboten werden, bis die für 2024 angekündigten Baumaßnahmen starten – mit entsprechenden Baufahrplänen. Auf die Verspätungsstatistik der Bahn haben die längeren Umsteigezeiten aus seiner Sicht wenig Einfluss. Sie wirkten sich aber auf die Entschädigungen und Fahrgastrechte aus.
Zeige der DB-Navigator sechs Minuten Umsteigezeit an, der erste Zug habe aber acht Minuten Verspätung, man verpasse seinen Anschlusszug und komme deswegen eine Stunde später ans Ziel, so bekomme man heute 25 Prozent des Ticketpreises erstattet. Wenn die Verbindung aber nicht mehr angezeigt werde und man sie trotzdem nehme, mache man das auf eigenes Risiko, sagt Naumann. Das Geld bekomme man dann nicht zurück.
Die Bahn hat heute zudem angekündigt, knapp 1000 zusätzliche Mitarbeiter in Fernzügen und auf Bahnhöfen einzusetzen. Vorgesehen sind nun 750 zusätzliche Kräfte in den Zügen und 130 auf besonders vollen Bahnsteigen. Zudem sollen 100 sogenannten Gästebetreuer kommen. Sie sollen Fahrgästen etwa beim Ein- und Aussteigen und bei der Suche nach ihrem Sitzplatz helfen. Das Serviceteam des Fernverkehrs hat rund 8000 Mitarbeiter.
Peterson sprach von einem „historischen Run auf die Schiene“. Dieses Jahr werde die Fahrgastzahl im Fernverkehr leicht unter dem Rekordwert von 2019 liegen, als es rund 151 Millionen waren. Die Verkehrsleistung, also die zurückgelegten Kilometer, erreichten laut Bahn zwischen Mai bis Juli einen neuen Höchststand. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 betrug das Plus drei Prozent. „Die Menschen fahren mit der Bahn weitere Strecken als noch vor der Pandemie“, erklärte das Unternehmen.
Bis 2029 will der Konzern rund zehn Milliarden Euro in neue Züge und mehr Sitzplätze investieren. Bis zum Ende des Jahres soll die ICE-Flotte auf mehr als 360 Züge anwachsen, das Sitzplatzangebot soll so um 13.000 Plätze erweitert werden.