Krieg Tag 179 – Mo 22.08.2022 ++ Russland ruft erneut UN-Sicherheitsrat an ++
22. August 2022++ Russland ruft erneut UN-Sicherheitsrat an ++
++ Offenbar wieder Angriffe in AKW-Nähe ++
14:48 Uhr
Kiew: Fast 9000 ukrainische Soldaten im Krieg bisher getötet
Seit dem Ende Februar gestarteten russischen Angriffskrieg sind nach ukrainischen Angaben fast 9000 ukrainische Soldaten getötet worden. Der ukrainische Armeechef Walerij Saluschny sagte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine bei einem Forum in Kiew, ukrainische Kinder bedürften besonderer Aufmerksamkeit, denn ihre Väter seien an der Front und „womöglich unter den fast 9000 getöteten Helden“. Es ist eine der äußerst seltenen Aussagen der ukrainischen Regierung oder Armeespitze zu den eigenen Verlusten in dem Krieg.
Borrell: EU prüft Militär-Ausbildungsmission für Ukraine
Die Europäische Union prüft nach Angaben ihres Außenbeauftragten Josep Borrell eine militärische Ausbildungsmission für die Ukraine. Borrell sagte im nordspanischen Santander, mit diesem Thema würden sich kommende Woche die Verteidigungsminister der EU-Staaten bei einem informellen Treffen in Prag befassen. Er hoffe auf Zustimmung für den Plan.
Der seit fast sechs Monaten andauernde russische Angriffskrieg erfordere Anstrengungen der EU – „nicht nur für die materielle Versorgung, sondern auch für die Ausbildung und die Unterstützung bei der Organisation der Armee“ der Ukraine, betonte Borrell bei einer Pressekonferenz.
UN: Fast ein Drittel der Ukrainer geflüchtet
Seit Kriegsbeginn am 24. Februar wurden nach Angaben der Vereinten Nationen fast ein Drittel der 44 Millionen Einwohner der Ukraine aus ihrem Zuhause vertrieben. Das sei die „größte Fluchtbewegung seit Ende des Zweiten Weltkriegs“, teilte die UN-Flüchtlingshilfe weiter mit. Die Menschen stünden nun angesichts des ungewissen Fortgangs des Krieges sowie der Sorge vor dem Winter vor einer „enormen Herausforderung“.
Strack-Zimmermann gegen generelles Visa-Verbot für Russen
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat sich gegen eine generelle Einschränkung der Vergabe von EU-Visa an Russen ausgesprochen. „Das ist nicht nur Putins Krieg. Kein Diktator dieser Welt kann so einen Krieg führen, wenn nicht ein Großteil der Bevölkerung hinter ihm steht“, sagte die FDP-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Jeder Einreisewunsch müsse „individuell akribischst“geprüft werden.“ Nüchtern betrachtet, sollte man allerdings den Russen, die vor Putins System entkommen wollen, eine Chance geben“, sagte Strack-Zimmermann.
Russland macht Ukraine für Mord an Dugina verantwortlich
Russland macht die Ukraine für den Mord an Darja Dugina verantwortlich. „Das Verbrechen wurde von ukrainischen Geheimdiensten vorbereitet und begangen“, teilte Russlands Inlandsgeheimdienst FSB der Agentur Interfax zufolge mit.
Die ukrainische Regierung hatte zuvor zurückgewiesen, etwas mit Duginas Ermordung am Wochenende zu tun zu haben.
Tag der Nationalflagge: Putin betont russische Selbstbestimmtheit
Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Nationalflagge der Russischen Föderation als Symbol für ein wehrhaftes und traditionellen Werten verpflichtetes Land gerühmt. In einer Videobotschaft anlässlich des Tags der Nationalflagge ließ der Kreml-Chef das militärische Vorgehen in der Ukraine unerwähnt, gab jedoch einige der Argumente wieder, auf die sich das Land bei der Entsendung von Truppen in die Ukraine beruft.
„Der Wunsch, gemäß dem eigenen Willen zu leben, den eigenen Weg zu wählen und ihm zu folgen, ist Teil des genetischen Codes unseres Volkes geworden“, sagte er. „Wir sind entschlossen, auf internationaler Ebene nur solche Strategien zu verfolgen, die den fundamentalen Interessen des Mutterlandes entsprechen.“ Putin sagte zudem, russische Schulen würden von September an ihre Schulwochen mit Zeremonien beginnen, bei denen die Flagge gehisst werde, sowie mit dem Singen der Nationalhymne.
Botschafter Melnyk: Krieg nicht in Vergessenheit geraten lassen
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat vor nachlassendem Engagement in Deutschland gegen den russischen Krieg in der Ukraine gewarnt. „Man darf diesen Krieg nicht in Vergessenheit geraten lassen, denn dieser Krieg betrifft uns alle“, sagte der im Oktober aus Deutschland scheidende Botschafter in Berlin bei der Eröffnung der Ausstellung „Testament von Bucha (Butscha)“. Gezeigt wird bis zum 15. September auf dem Kurfürstendamm ein völlig zerstörtes Auto, mit dem vier Frauen im März aus der vom russischen Militär beschossenen Stadt Butscha in der Ukraine fliehen wollten. Alle Insassinnen starben nach einem Beschuss im brennenden Wagen.
Lettland entfernt Sowjetdenkmal aus der Innenstadt von Riga
Eine Woche nach Estland entfernt auch das Nachbarland Lettland ein Monument der Sowjetzeit aus dem öffentlichen Raum. Die Polizei sperrte das Gebiet um das Denkmal ab, das in einem Park in Riga 80 Meter in den Himmel ragt. Der Betonturm mit einem Stern an der Spitze erinnert an den Sieg der Roten Armee über Nazideutschland.
Das Denkmal von 1985, damals war Lettland noch Teil der Sowjetunion, solle am Dienstag eingerissen werden, wie der Verwaltungschef der Hauptstadt, Janis Lange, sagte.
Bundesregierung sieht Grenzen für Waffenlieferungen an Ukraine
Das Bundesverteidigungsministerium hat einen Vorstoß von Koalitionspolitikern zurückgewiesen, der Ukraine mehr Waffen zu liefern und dafür notfalls auch eine Schwächung der Bundeswehr in Kauf zu nehmen. Angesichts der Bedrohung durch Russland unter Präsident Wladimir Putin könne die Bundeswehr ein solches Vorgehen nicht riskieren, sagte ein Sprecher des Ministeriums. „Wir müssen nämlich darauf gefasst sein, dass Putin jede Schwäche und auch nur temporäre Lücke in der Verteidigungsbereitschaft der NATO ausnutzen könnte“, warnte er.
Deutschland schulde den Partnern in der NATO „unsere Unterstützung im Rahmen der Bündnisverpflichtungen“, wie sie in der Beistandspflicht in Artikel 5 des NATO-Vertrags festgelegt seien. Der Sprecher fügte hinzu: „Wir hätten im Kalten Krieg wohl wenig Verständnis dafür gehabt, wenn seinerzeit unsere Alliierten wegen akuter Kriegsschauplätze – und die gab es ja in der Welt – anderswo Abstriche an der kollektiven Verteidigung nach Artikel 5 des NATO-Vertrages gemacht hätten.“
Ex-Redenschreiber Putins sieht Autobombe als Akt der Einschüchterung
Ein ehemaliger Redenschreiber von Kremlchef Wladimir Putin hat nach dem Tod der Tochter des rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin bei einem mutmaßlichen Autobombenanschlag von einem „Akt der Einschüchterung“ gesprochen. Ziel der Urheber sei es, Kreml-Loyalisten zu verstören, sagte Abbas Galljamow, der inzwischen als politischer Analyst tätig ist. Die mutmaßlichen Täter wollten damit demonstrieren, dass die Feindseligkeiten heimlich auf russisches Territorium verlegt worden seien. Dies bedeute, dass es nicht mehr um abstrakte Angriffe gehe, die man im Fernsehen verfolge, ergänzte Galljamow mit Blick auf die russische Militäraktion gegen die Ukraine. „Dies passiert jetzt schon in Russland. Nicht nur die Krim wird bombardiert, sondern Terroranschläge werden bereits in der Region Moskau verübt.“
Unabhängigkeitsfeiern in Kiew aus Furcht vor Angriffen verboten
Aus Furcht vor russischen Raketengriffen haben die Behörden in der ukrainischen Hauptstadt Kiew alle Großveranstaltungen rund um den Unabhängigkeitstag am Mittwoch verboten. Das Verbot gelte von Montag bis Donnerstag und betreffe öffentliche Großveranstaltungen, Kundgebungen und andere Zusammenkünfte, erklären die Behörden.
Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Wochenende gewarnt, dass Russland zum 31. Jahrestag der Unabhängigkeit von der Sowjetunion am 24. August, der diesmal auch den Beginn der russischen Invasion vor sechs Monaten markiert, „etwas besonders Bösartiges“ tun könnte.
Ukrainischer Gouverneur: Gegend von Atomanlage wieder beschossen
Russland hat einem ukrainischen Bericht zufolge wieder die Gegend um die Atomanlage Saporischschja in der Ukraine beschossen. Nikopol auf der anderen Seite des Flusses von der Anlage sei in der Nacht drei Mal unter Raketen- und Mörserbeschuss geraten, teilte der regionale Gouverneur Walentyn Resnitschenko mit. Dabei seien Häuser, ein Kindergarten, eine Bushaltestelle und Geschäfte getroffen worden. In Nikopol sowie in den nahe gelegenen Bezirken Kriwji Rih und Synelnykowsky seien mindestens vier Menschen verletzt worden. Nikopol liegt etwa zehn Kilometer flussabwärts von der Anlage.
Die Staats- und Regierungschefs der USA, Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens hatten am Sonntag über die Atomanlage gesprochen. Sie riefen zu einem Verzicht auf militärische Angriffe in der Region auf, um eine Atomkatastrophe zu verhindern.
Estland fordert weiteres Sanktionspaket gegen Russland
Estlands Außenminister Urmas Reinsalu hat weitere Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine gefordert. „Wir müssen den Preis der Aggression für den Aggressor vor dem Winter stark erhöhen. Die bisherigen sieben Pakete haben nicht ausgereicht, um Putin unter Druck zu setzen, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden“, sagte der Chefdiplomat des baltischen EU- und NATO-Landes im estnischen Rundfunk. Das neue Sanktionspaket sollte aus estnischer Sicht demnach ein vollständiges Energieembargo, weitere Beschränkungen für bestimmte Warengruppen und Personen sowie einen Einreisestopp für russische Staatsbürger in die EU enthalten.
Exil-Russe macht Partisanen verantwortlich für Mord an Dugina
Nach dem Tod der rechten russischen Politologin und Journalistin Darja Dugina hat sich eine bislang unbekannte Partisanenbewegung zu dem Anschlag bekannt. „Dieser Anschlag schlägt eine neue Seite des russischen Widerstands gegen den Putinismus auf. Eine neue – aber nicht die letzte“, sagte der in der Ukraine lebende Russe Ilja Ponomarjow in einem am Sonntagabend veröffentlichten YouTube-Video. Verantwortlich für den Mord an der Tochter des rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin soll die Bewegung „Nationale Republikanische Armee“ sein, wie der ehemalige Abgeordnete des russischen Parlaments weiter erklärte.
Ob es eine solche „Nationale Republikanische Armee“ tatsächlich gibt, war zunächst nicht überprüfbar. Einige Kommentatoren in sozialen Netzwerken bezweifelten, dass eine improvisierte Oppositionsbewegung hinter einem solch ausgeklügelten und aufwendig geplanten Attentat stecken könnte und sehen eher die Handschrift russischer Sicherheitsbehörden.