Steigende Gaspreise Welche Rechte Verbraucher haben
4. September 2022Können Energieversorger steigende Preise einfach an ihre Kunden weiterreichen? Was muss man bei Verträgen mit Preisbindung im „Kleingedruckten“ beachten? Und kann es passieren, dass man plötzlich ohne Gas dasteht?
Können sich Verbraucher bei einer starken Erhöhung der Gaspreise wehren?
Unter Umständen. Grundsätzlich gilt: Wenn die Bezugskosten für die Gaskonzerne steigen, können diese die erhöhten Kosten in der Regel an ihre Kunden weitergeben. Jedenfalls dann, wenn der Vertrag solche Erhöhungen nicht ausschließt. Die Preiserhöhung muss aber spätestens vier Wochen zuvor angekündigt werden. Außerdem muss in dem Schreiben der Grund für die Erhöhung genannt werden und deutlich darauf hingewiesen werden, dass den Kunden ein Sonderkündigungsrecht wegen der Preiserhöhung zusteht.
In der Regel gilt das Sonderkündigungsrecht für zwei Wochen ab Kenntnis von der Preiserhöhung. Wer als Kunde von einer Erhöhung betroffen ist, kann sich also einen anderen Anbieter suchen. Allerdings sind aktuell viele Anbieter von steigenden Preisen betroffen, es ist also fraglich, ob man wirklich schnell einen günstigeren Tarif bekommt. Wenn man Grund zur Annahme hat, dass die Preiserhöhung willkürlich erfolgt, kann man einer Preisänderung auch widersprechen. Sollte der Versorger dann weiter darauf bestehen, müssen im Streitfall die Gerichte klären, wer im Recht ist. Entscheidend ist, was zwischen den Parteien vereinbart ist.
Was gilt bei Verträgen mit Preisbindung?
Hier haben die Verbraucher eine bessere Position. In vielen Gas-Verträgen ist eine sogenannte Preisbindung vereinbart. Das bedeutet: Der Versorger garantiert feste Gaspreise für einen bestimmten Zeitraum. Der endgültige Gaspreis setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen: etwa aus dem Einkaufspreis, Netzentgelten, Steuern oder auch den Personalkosten des jeweiligen Unternehmens. „Vor allem bei Verträgen, die über große Internetportale abgeschlossen werden, findet man solche Klauseln“, sagt Jan Bornemann, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Preisbindung beziehe sich aber oft nur auf einzelne dieser Bestandteile.
Man spricht dann von eingeschränkter Preisbindung. Welche Bestandteile genau davon erfasst sind, ist oft im „Kleingedruckten“ – den Allgemeinen Geschäftsbedingungen – geregelt. Wenn der Preisanstieg eben auf solche Bestandteile des Gesamtpreises zurückzuführen ist, die nicht von der Preisbindung erfasst sind, kann sich der Preis also trotzdem erhöhen. Aber eben auch nur dann.
So hat das Landgericht Düsseldorf kürzlich in einem Eilverfahren entschieden: Der Energiediscounter „Extra Energie“ darf die Preise bei Verträgen mit Preisbindung nicht wegen gestiegener Beschaffungskosten erhöhen, wenn die Verträge nur Erhöhungen wegen gestiegener Steuern, Abgaben oder Umlagen erfassen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte den Eilantrag gestellt und damit Erfolg gehabt.
Das wichtigste vorneweg: Auch wenn der bisherige Gasversorger kündigt oder aus anderen Gründen kein Gas liefert, stehen Verbraucher und Verbraucherinnen nicht plötzlich ohne Gas da. Vielmehr „fallen“ sie dann in die sogenannte Grundversorgung. Diese erfolgt zumeist durch den örtlichen Anbieter. Der ist nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verpflichtet, zu liefern. Wenn der ursprüngliche Gaslieferant aber besonders günstig war, kann es sich lohnen, gegen die Kündigung vorzugehen.
Das geht indem man das Unternehmen auffordert, den Vertrag fortzuführen und weiter Gas zu liefern. Aussicht auf Erfolg hat so ein Vorgehen, wenn der Gasversorger bei seiner Kündigung Fehler gemacht hat. So ist etwa eine vertragskonforme Kündigung nur möglich, wenn die im Vertrag vereinbarten Fristen und Voraussetzungen eingehalten sind. Bei außerordentlichen Kündigungen muss ein „wichtiger Grund für die Kündigung“ vorliegen. Der könnte beispielsweise darin bestehen, dass die Kunden die Zahlungen eingestellt haben. Sollte es zum Streit kommen, muss dann ein Gericht entscheiden, ob der Vertrag ordnungsgemäß gekündigt wurde oder nicht.
Vor der juristischen Auseinandersetzung gibt es auch bei den Verbraucherzentralen Experten, an die sich Gaskunden wenden können. Eine weitere Möglichkeit nennt Jan Bornemann, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg: „Die Schlichtungsstelle Energie ist eine Möglichkeit für Kunden, mit ihrem Anliegen durchzudringen, weil man hier als Kunde den Unternehmen auf Augenhöhe begegnet.“
Was ist „Ersatzversorgung“?
In bestimmten Situationen läuft die Grundversorgung für maximal drei Monate als „Ersatzversorgung“ weiter. Das passiert immer dann, wenn sich der laufende Gasbezug nicht sicher einem bestimmten Versorger zuordnen lässt. Also konkret etwa dann, wenn ein Unternehmen überraschend insolvent wird, die Lieferung einstellt und nicht klar ist, zu welchem Unternehmen der Kunde dann wechselt.
Weil auch in solchen Fällen niemand auch nur für eine Übergangszeit ohne Energie im Haushalt dastehen soll, gibt es die Ersatzversorgung. Sie ist also eine spezielle Form der Grundversorgung und wird in der Praxis auch vom jeweiligen Grundversorger übernommen. Lediglich die rechtlichen Rahmenbedingungen sind unterschiedlich. So kann man aus der Ersatzversorgung schnell kündigen, wenn man einen neuen Anbieter gefunden hat. In der „normalen Grundversorgung“ sind hier etwas längere Fristen einzuhalten.
Wie verhält es sich mit der geplanten Gasumlage?
In Folge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine können deutsche Unternehmen aktuell kaum Gas mehr aus Russland beziehen. Sie müssen also das Gas, das sie an ihre Kunden liefern, anderswo einkaufen – und dafür in der Regel mehr zahlen. Die geplante Gasumlage soll dafür sorgen, dass solche Unternehmen nun nicht massive Verluste machen und sogar insolvent werden. Dazu werden, so jedenfalls der ursprüngliche Plan, alle Gasversorger mit der Gasumlage belastet. Dieses Geld dient dann dazu, solche Unternehmen zu stützen, die bisher Gas aus Russland importierten. Die Umlage können die Unternehmen an die Endkunden „weitergeben“.
Im Ergebnis zahlen also die Verbraucher eigentlich die Kosten der Umlage, so war der Plan. Weil sich dafür aber auch Unternehmen angemeldet habe, die insgesamt aktuell sogar noch Gewinne machen, hat das Wirtschaftsministerium angekündigt, die Gasumlage nun nochmal überarbeiten zu wollen.
Tatsächlich ist momentan auch noch umstritten, ob auch die Gasumlage bei Verträgen mit Preisbindung überhaupt weitergegeben werden kann. Je nach vertraglicher Gestaltung könnte das ja genau ausgeschlossen sein. Das wiederum würde aber dem gesamten Konzept der Gasumlage zuwiderlaufen, die ja darauf abzielte, alle Gaskunden in die Pflicht zu nehmen. Und nicht nur die mit Verträgen ohne Preisbindung. Das Wirtschaftsministerium prüft diese Frage derzeit noch.
Was passiert, wenn der Versorger liefert, aber die Verbraucher nicht mehr zahlen?
Kunden, die ihre Rechnungen wegen der gestiegenen Preise einfach ihren Gasversorger nicht mehr bezahlen, könnten am Ende ohne Gas dastehen. Denn die Energieversorger können dann in letzter Konsequenz die Lieferung einstellen. Das geht aber nur dann, wenn sie eine Reihe von Voraussetzung eingehalten. In der Grundversorgung gilt zunächst: Der Versorger muss die ausstehenden Zahlungen erfolglos anmahnen und den betreffenden Kunden oder die betreffende Kundin informieren, dass eine Sperrung der Versorgung droht. Zwischen dieser Information und der tatsächlichen Unterbrechung der Versorgung müssen mindestens vier Wochen liegen.
Zudem muss der Grundversorger auf Möglichkeiten hinweisen, trotz klammer Kassen die Gasabschläge weiter zahlen zu können – etwa durch Ratenzahlungen oder durch Unterstützungsleistungen der öffentlichen Hand. Der ausstehende Betrag muss auch mindestens doppelt so hoch wie der monatliche Abschlag sein, mindestens aber 100 Euro. Es darf also keine Kündigung wegen „ein paar Groschen“ erfolgen.
Da aber 100 Euro bei den aktuellen Preisen schnell erreicht sind, sollten Kunden und Kundinnen genau prüfen, wie die Lage ist, bevor sie individuell Kosten kürzen, etwa weil sie eine Preiserhöhung nicht für gerechtfertigt halten. Besser ist es unter Vorbehalt weiter zu zahlen, bis der Streit, gegebenenfalls gerichtlich, geklärt ist. Dann muss man zwar das zu viel gezahlte Geld extra zurückholen. Andernfalls läuft man aber Gefahr, eine Kündigung des Versorgers zu riskieren, wenn man mit einer entsprechenden Summe im Rückstand ist.
Die genannten Rechte bestehen im Verhältnis zwischen Gaskunde und Gasversorger. Für Mieter und Mieterinnen gilt: In aller Regel ist der Vermieter (also zumeist der Eigentümer der Wohnung) Kunde beim entsprechenden Versorgungsunternehmen. Das heißt: Er ist verpflichtet, zu zahlen. Über die Betriebskostenabrechnung legen dann die Vermieter diese Kosten meistens auf ihre Mieter und Mieterinnen um. Wenn es um Sonderkündigung oder Widerspruch gegen eine Kündigung des Unternehmens geht, kann also nur der Eigentümer diese Rechte ausüben.
Natürlich betrifft das aber auch ganz massiv die Mieter und Mieterinnen, die in den betreffenden Wohnungen leben. Die steigenden Kosten kommen dort lediglich mit etwas Verzögerung an, nämlich bei der nächsten Betriebskostenabrechnung. Diese Konstellation bedeutet auch, dass der Vermieter zumeist kein eigenes Interesse daran haben muss, den günstigsten Gastarif zu suchen. Denn er bekommt das Geld ja von seinen Mietern zurück. Allerdings muss er laut Gesetz das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und ab einer zehnprozentigen Erhöhung der Nebenkosten zumindest einen Vergleich der Gasanbieter vornehmen. In der Praxis empfiehlt es sich für Mieter, offen auf die Vermieter zuzugehen und gegebenenfalls sogar Hilfe beim Versorger-Vergleich anzubieten.