Die Lage ist ebenso einfach wie brutal: Nur Sofort-Lockdown vor Weihnachten hilft – Höchstwerte: 29 875 Corona-Neuinfektionen und 598 Todesfälle gemeldet

11. Dezember 2020 Aus Von mvp-web
Ermüdender noch als alle Corona-Auflagen ist die aktuelle Debatte darüber. Dabei ist die Lage ebenso einfach wie brutal: Nur ein schneller harter Lockdown verspricht die Wende. Ist Weihnachten noch zu retten? Der Kern des Festes ja, das Kalenderereignis wohl kaum.

Die Sprechübung hat es in sich. Entscheider in Deutschland aber könnten sie ja in einem unbelauschten Moment einmal durchtesten. Wer tatsächlich der Meinung ist, dass ein harter Lockdown noch zu vermeiden ist, der könnte einmal langsam folgenden schlichten Hauptsatz sprechen: „Ich bin gegen einen harten Lockdown, und ich bin mir meiner Verantwortung voll und ganz bewusst.“

Die Zahl derer, die dann aus tiefster Überzeugung sagen „Shutdown – nein danke“ oder „Shutdown – nun mal langsam“ sagen, könnte noch einmal spürbar runtergehen. Denn als Preis für eine Weiter-so-Haltung drohen mit höchster Wahrscheinlichkeit viele weitere Tote in Deutschland, eine dramatische Verschärfung der Lage auf den Intensivstationen – von tausenden Ärztinnen, Ärzten, Pflegerinnen und Pflegern, die schon lange jenseits der Belastungsgrenze arbeiten, noch einmal ganz zu schweigen.

Tote als Preis fürs Shoppen

Makabrer Hinweis? Ja. Aber wenn sich die kalte Logik des Virus weiter erfüllt, wird das noch ungleich makabrer. Insofern trifft auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) einen Punkt, wenn er die Frage stellt „Wie viele Tote ist uns denn ein Shopping-Erlebnis wert?“

Die letzten Wochen haben gezeigt: Schon-Regeln helfen nicht. Sie sind extrem teuer, ziemlich wirkungsarm, und sie verschleißen Nervenkraft, die sich weitaus sinnvoller investieren ließe.

Halbgare Lösung = doppelter Schaden

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) legt seit Monaten astronomische Summen hin, um Unternehmern und Künstlern zu helfen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bastelt an immer neuen Hilfspaketen, um zu kompensieren, was kaum zu kompensieren ist. Doch der Wellenbrecher-Shutdown hat nicht die erhoffte Wirkung gebracht. Der Effekt im Kampf gegen das Virus ist begrenzt.

Halbgare Lösungen bringen am Ende doppelten Schaden.

„Hätten wir doch auf Merkel gehört“

Reumütige Rückschau von Politik, Medien und übriger Öffentlichkeit – „Hätten wir doch im Oktober entschiedener durchgegriffen“, „Hätten wir doch auf Angela Merkel gehört“ – gehören zwar zu einer sauberen Analyse der aktuellen Lage, nutzen künftigen Opfern einer zögerlichen Politik aber rein gar nicht. Also: harter Lockdown, jetzt.

Natürlich werden tausende engagierte Unternehmer, denen die berufliche Existenz geraubt wird und viele, viele Kinder, deren Zukunftschancen durch abgespeckte Lernangebote beschnitten werden, einen hohen Preis zahlen. Das alles ist furchtbar, und die genauen Folgen lassen sich höchstens erahnen.

Zeugen von kleinlichem Streit

Doch es gibt in der Pandemie nicht die Option „Guter Weg“ hier, „Schlechter Weg“ da. Vor dieser Wahl standen die Politikerinnen und Politiker von Anfang an nicht. Sie können ein ums andere Mal in Wahrheit nur wählen zwischen dem harten Weg und dem katastrophalen Weg.

Die erste und größte Zumutung ist das Virus selbst. Bis die Impfungen im Sommer oder im Herbst echte Breitenwirkung zeigen, können die Entscheider es nur schaffen, diese Zumutungen nicht ins Unerträgliche zu steigern. Bei ihrer Schalte am Sonntag oder wann auch immer kann Angela Merkel mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten genau dafür die Weichen stellen. Und es wäre – kühner Wunsch – sehr schön, wenn sie zuvor die Öffentlichkeit nicht wieder zu Zeugen ihrer zum Teil kleinlichen Auseinandersetzungen machten.

Was wird aus Weihnachten?Und dann gibt es da noch etwas. In der Debatte dieser Tage wird ein Punkt oft elegant (manchmal auch weniger elegant) umschifft: Was – um Himmels Willen – wird aus Weihnachten? Sollte der härtere Lockdown schon vor dem Fest und eben auch zum Fest greifen?

Manche sehen da keinen Verlust. Sie kriegen aus Angst vor einem Festtags-Overkill schon vorher Beklemmungen. Zu viel Essen, zu viel Geschenke, zu viel von der Sippe. Sie mögen sich den Familienmitgliedern aus Bölls Geschichte „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ verbunden fühlen, denen beim Gedanken an den säuselnden Kitsch-Engel („Frieden“, „Frieden“, „Frieden“) übel wird. Nur geht es in der Geschichte um die Pervertierung des Weihnachtsfestes, nicht um dessen kulturellen christlichen Kern.

Heiligabend als Sehnsuchtsdatum

Für die allermeisten im Land ist der 24. Dezember ein Sehnsuchtsdatum für ein intensives Miteinander mit den Lieben, und für sehr viele Menschen ist die Zeit um Heiligabend einer der Höhepunkte ihres gelebten christlichen Glaubens. Wer sich auf die Suche macht nach dem, was diese Gesellschaft im Innersten zusammenhält, kann es zu Weihnachten finden.

Nur: Angesichts von derzeit fast 30.000 Neuinfizierten pro Tag und fast 600 Toten binnen 24 Stunden ist ein Fest im Zeichen von geselliger Harmonie und „Den Menschen ein Wohlgefallen“ ohnehin längst unerreichbar geworden.

Abstandhalten als Liebesbeweis

Jetzt geht es also nicht darum, Weihnachten als Kalender-Ereignis zu retten, sondern dessen eigentlichen Kern: Zusammenhalt, Solidarität oder auch: Nächstenliebe. Das große Miteinander erfüllt sich in diesen Tagen nicht im gewohnten Verhaltensmuster von Genießen, Drücken, Zusammenrücken, sondern gerade im Distanzhalten. Abstandhalten als Liebesbeweis. Es geht also weniger um das Modell „Oh, du fröhliche“ als um die Variante „Stille Nacht“.

In Spanien übrigens ist Dreikönig eine Art spätes Weihnachten. Vielleicht wäre eine spätere Bescherung ja eine Alternative, wenn das Beisammensein an Heiligabend diesmal unmöglich wird. Ein Verstoß gegen den „Geist der Weihnacht“ wäre eine Nachfeier in besseren Zeiten sicher nicht.

Weihnachtswunsch: Aufklärung

Weihnachten bringe „Licht und Aufklärung“ hat der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, einmal gesagt. Ein denkbar passender Festtagswunsch in diesen Dezembertagen 2020. Aufklärung ist wichtiger denn je. Sie kann über Leben und Tod entscheiden.