Statt Verstaatlichung oder Enteignung – Was ist eine Treuhandverwaltung?
17. September 2022Mit Rosneft Deutschland und Gazprom Germania sind nun schon zwei Töchter von russischen Konzernen unter Treuhandverwaltung. Was bringt diese Maßnahme? Was ist der Unterschied zur Verstaatlichung?
Der Begriff „Treuhand“ erinnert an das Ende der DDR und den Beginn der 1990er Jahre: Mitte 1990 wurde die Treuhandanstalt gegründet. Sie strukturierte nach harten marktwirtschaftlichen Kriterien die ostdeutsche Wirtschaft um und bereitete die Wiedervereinigung vor. Ihre Aufgabe war die treuhänderische Verwaltung des Volkseigentums. Sie privatisierte die volkseigenen Betriebe oder machte sie dicht.
Rechtlich gesehen ist ein Treuhänder eine Person oder Institution, die berechtigt ist, die Interessen einer anderen Person wahrzunehmen. Er verwaltet beispielsweise das Vermögen eines anderen Rechtssubjekts.
Energiesicherheitsgesetz als rechtliche Grundlage
Nun hat die Bundesregierung das Modell der Treuhandverwaltung wieder entdeckt – zur Lösung der Probleme in der Energiewirtschaft. Diesmal handelt es sich aber nicht um die Privatisierung von Betrieben. Im Gegenteil: Es geht um die staatliche Kontrolle – mit dem Ziel, die Energieversorgung in Deutschland zu sichern. Als rechtliche Grundlage für die Treuhandverwaltung wurde das Energiesicherheitsgesetz von 1975 reformiert.
Zum Treuhänder hat der Bund die Bundesnetzagentur bestimmt – erst bei Gazprom Germania und nun auch bei Rosneft Deutschland. Die Behörde hat somit Zugriff auf die PCK-Raffinerie in Schwedt. Außerdem übernimmt sie die Kontrolle der Anteile an den Raffinerien MiRo in Karlsruhe und Bayernoil in Vohburg. Damit soll sichergestellt werden, dass die Raffinerien weiter mit Öl beliefert werden.
Netzagentur hat weitreichende operative Eingriffsrechte
Die Bundesnetzagentur hat künftig Einfluss auf das operative Geschäft der Unternehmen: Sie kann der Geschäftsführung Weisungen erteilen. Außerdem hat sie die Möglichkeit, Mitglieder der Geschäftsführung abzuberufen oder neu zu bestellen. Die Unternehmen können keine Entscheidungen treffen, die nicht vom Treuhänder – also der Bundesnetzagentur – gebilligt werden.
„Auf der Basis der nach Energiesicherungsgesetz angeordneten Treuhänderschaft bestehen keine Anweisungsbefugnisse der ursprünglichen Eigentümerin mehr“, teilte die Bundesnetzagentur heute mit. „Der Treuhänder erhält die Möglichkeit, maßgeblich darauf hinzuwirken, dass der Betrieb des Unternehmens gemäß seiner Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie fortgeführt wird“, hieß es weiter.
Kontrolle über die Gelder
Besonders wichtig ist die Kontrolle über das Vermögen. Die Bundesnetzagentur hat die Aufsicht über das Vermögen der treuhänderisch verwalteten Unternehmen. Das bedeutet: Es kann kein Geld nach Russland abgezogen werden.
Trotzdem ist es keine Übernahme, also keine Verstaatlichung. Der Treuhänder übernimmt keine Firmenanteile. Die Unternehmen – Gazprom Germania und Rosneft Deutschland – bleiben im Besitz des bisherigen Eigentümers. Sie behalten ihren Umsatz, Gewinn und Verlust. Nach dem Ende der zeitlich befristeten Treuhandverwaltung können die Firmen wie bisher weitergeführt werden. Im Fall von Rosneft Deutschland ist die Treuhandverwaltung zunächst auf sechs Monate begrenzt.
Keine Enteignung
Das Treuhand-Modell hat also nichts mit Enteignung zu tun. Einen solchen massiven Eingriff des Staats sieht das Energiesicherungsgesetz nur als „ultima ratio“, als allerletztes Mittel vor. Die Politik schreckt vor Enteignungen zurück. Sie seien komplex und mit Unsicherheiten behaftet, sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Bundesregierung befürchtet, in einem solchen Fall würde Russland mit Vergeltungen antworten und die Öl-Lieferungen sofort einstellen oder die Gas-Lieferungen ganz kappen. Zudem müsste bei einer Enteignung Entschädigungen gezahlt werden. Das wäre politisch schwer vermittelbar, wenn der Steuerzahler für Entschädigungssummen an Rosneft und Gazprom aufkommen müsste.
Energierechts-Experten halten das Modell der Treuhandverwaltung für die bessere Alternative zur Enteignung. Auf diesem Wege lässt sich sicherstellen, dass die Produktion weiterläuft“, sagte Christopher Bremme von der Kanzlei Linklaters im „Handelsblatt“.