Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern: Zwei Tage in Brüssel
26. September 2022Ministerpräsidentin Schwesig und ihr komplettes Kabinett sind am Montag und Dienstag in Brüssel. Sie erhoffen sich neue Kontakte auf der europäischen Bühne und politische Fortschritte unter anderem bei Energiefragen. Gleichzeitig kritisiert nicht nur die Opposition Zeitpunkt und Kosten der Reise.
Der Zeitplan scheint eng getaktet. Beinahe stündlich sind Termine für die Mitglieder der Landesregierung in Brüssel angesetzt – darunter ein Treffen mit der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, sowie Gespräche mit EU-Kommissaren. Am Montagabend findet in der Landesvertretung in Brüssel außerdem ein Empfang mit rund 350 Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik statt. Für Dienstagvormittag ist die reguläre Kabinettssitzung angesetzt. Zum Abschluss ist ein Besuch im NATO-Hauptquartier geplant.
Schwesig: „Es ist wichtig, unsere Landesinteressen in Brüssel zu vertreten“
Ministerpräsidentin Schwesig hat einige Ziele bei dieser Reise. Ihr Hauptanliegen: Energie. Sie wolle ansprechen, dass die Landesregierung von der Europäischen Union eine Entscheidung in Sachen Energiepreisdeckel und Übergewinnsteuer erwarte. Gleichzeitig würde die Landesregierung in mehreren Gesprächen die Bedeutung der Energiestandorte Lubmin und Rostock – auch für Europa – erklären wollen.
Hauptthemen in Brüssel: Energie, Fördermittel und Gesundheit
Außerdem gehe es bei der Reise um Geld. In der aktuellen Förderperiode von 2021 bis 2027 erhält Mecklenburg-Vorpommern 1,9 Milliarden Euro EU-Mittel. „Wir möchten sicherstellen, dass diese Förderungen auch weiterhin gewährleistet werden“, so Schwesig. Vor allem die Agrarwirtschaft im Land profitiere davon. Sie ergänzt: „Wer sich nicht blicken lässt und keine Gespräche führt, braucht sich nicht wundern, wenn er nicht beachtet wird.“ Auch im Bereich Gesundheitspolitik will die Ministerpräsidentin in Brüssel zwei Schwerpunkte setzen: Die medizinische Versorgung in der Fläche soll ein Thema sein. Zudem möchte sie besprechen, wie die Unterstützung des Landes beim Kampf gegen Krebs aussehen kann.
Lob aus der eigenen Partei – Kritik nicht nur von der Opposition
Großen Zuspruch für die Reise gibt es von Abgeordneten aus der eigenen Partei. Die Entscheidungen der Europäischen Union hätten eine immense Bedeutung für Mecklenburg-Vorpommern, unterstreicht SPD-Fraktionsvorsitzender Julian Barlen. „Die Bewältigung der Energiekrise ist ein europäisches Thema. Wann wenn nicht jetzt, sollte unsere Regierung geschlossen vor Ort sein, um genau diese Themen zu besprechen?“, meint der Sozialdemokrat. Doch das sehen nicht alle so: „Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation hält der Bund der Steuerzahler eine Kabinettssitzung in Brüssel – samt Entourage – auf Steuerzahlerkosten für das völlig falsche Signal an die Bürgerinnen und Bürger, die sich angesichts explodierender Preise für die Lebenshaltung und Energie große Sorgen um ihre Zukunft machen“, so die stellvertretende Landesvorsitzende, Diana Behr. Für sie ist die Reise „schlicht instinktlos“.
FDP spricht von „Wanderzirkus“
Die Staatskanzlei rechnete im Vorfeld der Reise mit Kosten in Höhe von circa 45.000 Euro für An- und Abreise, Hotelübernachtungen, Transfers innerhalb der Stadt, Anmietung von Konferenzräumen, Konferenztechnik und Dolmetscher. Eine Summe, die auch den FDP-Fraktionschef René Domke stört: „In dieser Größenordnung einen Wanderzirkus nach Brüssel zu veranstalten, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu rechtfertigen.“ Er wünscht sich zudem, dass die Landesregierung Lösungen vor Ort, also im Land, suche – denn in Brüssel werde man sie nicht finden, meint Domke.
CDU nennt es „launige Klassenfahrt“, Grüne kritisieren Flugreise
Der parlamentarische Geschäftsführer der Christdemokraten, Sebastian Ehlers, hingegen meint, Auslandsreisen könnten dabei helfen, Probleme aus anderen Perspektiven zu betrachten. Er zweifelt stattdessen an der Tagesordnung: „Das was die Landesregierung vorhat wirkt (…) eher wie eine launige Klassenfahrt.“ Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Harald Terpe hält den Abstecher nach Brüssel zwar durchaus für gerechtfertigt, stört sich aber an der Art und Weise der Anreise: „Wer inmitten der Klima- und Energiekrise mit dem Flugzeug von Mecklenburg-Vorpommern nach Brüssel reist, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden.“ Schließlich brauche man mit der Bahn gerade einmal acht Stunden von Schwerin nach Brüssel, so Terpe.
Regierungssprecher bezeichnet Kritik als „unglaubwürdig“
Aufgrund der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin am Mittwoch sei die Zugfahrt für sie zeitlich gar nicht möglich, so Schwesig. Angesprochen auf die weitere Kritik verweist sie auf ihre Flugangst: „Ich kann alle Skeptiker beruhigen: Ich hasse fliegen und ich setze mich nur ins Flugzeug, wenn es wirklich wichtig ist.“ Deutlichere Worte findet Regierungssprecher Andreas Timm, der die Kritik der Opposition „unglaubwürdig“ nennt. Auf der einen Seite würden CDU, FDP und Grüne regelmäßig kritisieren, dass sich die Landesregierung zu wenig um Europa kümmere. Die Fahrt nach Brüssel sei nun aber auch verkehrt. Das sei keine überzeugende Haltung, findet Timm. Er verweist zudem auf die erste Kabinettsfahrt nach Brüssel. Die organisierte damals CDU-Minister Lorenz Caffier. „Jetzt in der Opposition ist das, was damals richtig war, plötzlich falsch. Herr Ehlers müsste schon einmal erklären, warum die Union heute das Gegenteil von damals erklärt“, so der Regierungssprecher.