Stand: 27.10.2022 18:05 Uhr
In Kiew ist nach russischem Beschuss zu fast einem Drittel die Stromversorgung ausgefallen – das könnte andauern. Die russische Besatzungsverwaltung meldet, dass mehr als 70.000 Menschen Cherson verlassen haben.
- Kiew: Drastische Stromabschaltungen drohen nach Beschuss
- Russland meldet, dass 70.000 Cherson verlassen haben
- Russland droht mit Abschuss ziviler Satelliten
- Zahl ukrainischer Schülerinnen und Schüler weiter gestiegen
- Ukrenergo: Stromnetze im Zentrum des Landes beschädigt
- Kraftwerk auf der Krim offenbar Ziel eines Drohnenangriffs
- Kritik an mutmaßlicher Beweis-Fälschung durch Russland
- Streit im UN-Sicherheitsrat über Drohnenangriffe
Putin: Westen will Weltherrschaft und nutzt dafür Ukraine
Kremlchef Wladimir Putin hat erneut versucht, den Konflikt in der Ukraine als Teil von Bemühungen des Westens darzustellen, dessen globale Vorherrschaft zu sichern. In einer längeren Rede bei einer Konferenz in Moskau beschuldigte er den Westen, anderen Ländern in einem „gefährlichen und blutigen“ Herrschaftsspiel die eigenen Bedingungen aufzwingen zu wollen. Man stehe vor dem gefährlichsten Jahrzehnt seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Der Westen versuche, Russland verwundbar zu machen, während Russland sich nur das Recht zur eigenen Entwicklung erhalten wolle. Der Westen habe schon Teile der Ukraine annektiert, und nur Russland könne die Souveränität der Ukraine gewährleisten. Nun würde sich aber die Weltordnung verschieben. Russland habe seine Souveränität gestärkt, und die Wirtschaft habe sich stärker als gedacht gehalten. Es gebe nichts in diesem Jahr, worauf er mit Enttäuschung zurückblicke.
17:41 Uhr
IWF: Hilfszusagen der EU und USA für 2023 ausreichend
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, zeigte sich zuversichtlich, dass die Hilfszusagen der EU und der USA zur Unterstützung der Ukraine für 2023 ausreichten, wenn sich der Krieg nicht noch weiter verschlimmere. Die USA und die EU hätten jeweils neue Mittel zugesagt, um den ukrainischen Haushalt über Wasser zu halten.
Der IWF bezifferte den monatlichen Finanzbedarf für 2023 auf drei bis vier Milliarden Dollar, möglicherweise fünf Milliarden, wenn die Zerstörungen zunehmen. Die EU habe 18 Milliarden Euro für kommendes Jahr zugesagt, also 1,5 Milliarden monatlich, erläuterte Georgieva. Die USA hätten die ähnliche Summe von 18 Milliarden Dollar zugesagt.
Für Kritiker sind die neuen Hilfszusagen allerdings mit Fragezeichen verbunden. Die EU etwa hat ihre Hilfszusage für dieses Jahr von neun Milliarden Euro noch nicht vollständig gelöst, weil sich die 27 Mitgliedstaaten nicht einigen können, ob die Hilfe in Zuschüssen oder Darlehen erfolgen soll. Die IWF-Chefin lobte die Ukraine für ihren Umgang mit dem Krieg. „Die ukrainische Regierung hat großartige Arbeit geleistet, die Wirtschaft so weit in den Griff zu bekommen, dass Teile der Wirtschaft wieder zu wachsen begannen“, sagte sie.
16:38 Uhr
Kiew erhöht Militärausgaben um zehn Milliarden Euro
Die Ukraine stockt ihre Militärausgaben bis zum Jahresende um umgerechnet etwa zehn Milliarden Euro auf. Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnete dazu eine entsprechende Änderung des Staatshaushalts.
Infolge des russischen Angriffskriegs sind die ukrainischen Verteidigungsausgaben nach offiziellen Angaben auf das Zehnfache gestiegen. Ministerpräsident Denys Schmyhal bezifferte im Juli die monatlichen Ausgaben auf umgerechnet 3,5 Milliarden Euro. Zudem erhält Kiew Waffenhilfe aus dem Westen in Milliardenhöhe. Im kommenden Jahr sind bislang vom Staat umgerechnet rund 30 Milliarden Euro eingeplant.
Ukraine wirft Russland Planung von Angriff auf AKW vor
Ein ranghoher ukrainischer Offizier hat Russland beschuldigt, Explosionen am Atomkraftwerk Saporischschja zu planen und für den Angriff unter sogenannter falscher Flagge dann die Ukraine verantwortlich zu machen. General Oleksij Gromow vom Generalstab des ukrainischen Militärs verwies auf unbegründete Vorwürfe Russlands, die Ukraine plane den Einsatz einer „schmutzigen Bombe“, mit der Radioaktivität freigesetzt werden solle. Dies sei ein mögliches Zeichen dafür, dass Moskau Explosionen an der Kernkraftanlage Saporischschja plane.
Russland hatte kurz nach Beginn der Invasion in die Ukraine im Februar die Kontrolle über das Kraftwerk übernommen. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Anlage anzugreifen. Nach andauerndem Beschuss wurde sie abgeschaltet.
15:57 Uhr
Kiew: Drastische Stromabschaltungen drohen nach Beschuss
Wegen neuer Schäden in der Energieversorgung drohen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew noch drastischere Stromabschaltungen. In der Nacht seien bei einem russischen Angriff auf eine Anlage im Umland „ernsthafte Schäden“ entstanden, teilte der Stromversorger Yasno mit. Dadurch fehle für die Millionen-Metropole etwa ein Drittel der notwendigen Leistung. „Es könnte passieren, dass halb Kiew ohne Licht dasitzt“, hieß es.
Die russische Armee versucht seit Anfang Oktober verstärkt, die ukrainische Infrastruktur zu zerstören – auch wenn Angriffe auf zivile Objekte völkerrechtlich verboten sind. Die Ukraine reagiert darauf mit zeitlich gestaffelten Stromabschaltungen in allen Landesteilen – meist für vier Stunden
15:02 Uhr
Russland droht bei EU-Beschlagnahme von Staatsvermögen mit Vergeltung
Russland hat für den Fall einer Beschlagnahme von Vermögen des Staates oder seiner Bürger durch die Europäische Union mit Vergeltung gedroht. Dies wäre „Diebstahl“, sagt die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, angesprochen auf Äußerungen von europäischen Staats- und Regierungschefs, wonach russische Vermögenswerte in der EU beschlagnahmt werden könnten. „Die EU-Justiz weigert sich, das Eigentum der Russen zu schützen“, sagt sie.
Der Westen hat wegen des Ukraine-Krieges massiv russische Vermögenswerte eingefroren. Die Ukraine hatte zuletzt gefordert, diese Mittel zum Wiederaufbau des Landes heranzuziehen.
14:55 Uhr
Saporischschja: Besatzer kontrollieren Telefone auf „Propaganda“
Im von Russland besetzten Gebiet Saporischschja im Süden der Ukraine wollen die Militärbehörden künftig die Telefone der Einwohner mit Stichproben auf „Propaganda“ kontrollieren. Dies kündigte der Chef der dortigen Besatzung, Wladimir Rogow, an. Begründet wurde dies damit, dass der von Russlands Präsident Wladimir Putin eingeführte Kriegszustand im Gebiet Saporischschja eine „Militärzensur“ erlaube. Kontrolliert werde auch, ob jemand ukrainische Kanäle abonniert habe. „Wenn eine Person, Propaganda-Kanälen folgt, dann erhält sie das erste Mal eine Verwarnung“, drohte Rogow. „Später werden Sünder bestraft. Bei bösartigen Zuwiderhandlungen des Gesetzes über Auslandsagenten sind strafrechtliche Konsequenzen vorgesehen.“
Russland hat den Süden des Gebiets Saporischschja bereits kurz nach dem Überfall auf das Nachbarland im Februar besetzt. Annektiert wurde das Gebiet gemeinsam mit den Regionen Cherson, Donezk und Luhansk im September nach Scheinreferenden.
14:29 Uhr
Weiter Tauziehen um Besuch von ukrainischen Kriegsgefangenen
Das Rote Kreuz hat immer noch keinen Zugang zu allen Kriegsgefangenen, die seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine festgenommen worden sind. „Wir teilen die Frustration darüber, dass wir noch nicht zu allen Kriegsgefangenen Zugang erhalten haben“, teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mit. Einige Familienmitglieder von ukrainischen Kriegsgefangenen waren heute in Genf, unter anderem, um beim IKRK Druck zu machen.
Alle Staaten sind nach den Genfer Konventionen verpflichtet, dem IKRK ungehinderten Zugang zu Kriegsgefangenen zu geben. Dafür sind aber Sicherheitsgarantien der kriegsbeteiligten Parteien nötig, die bislang nicht erteilt wurden. In der von Russland besetzten Region Donezk stehen rund ein Dutzend Mitarbeiter für solche Besuche bereit. Das IKRK hat einige hundert Kriegsgefangene besucht, geht aber davon aus, dass es Tausende gibt.
14:18 Uhr
Nach Beschuss 30 Prozent Stromausfall in und um Kiew
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew sowie in der Region Kiew ist nach russischem Beschuss zu fast einem Drittel die Stromversorgung ausgefallen. In der Nacht hätten russische Einheiten die Energieinfrastruktur angegriffen, teilte Gouverneur Olexij Kuleba mit. Eine Reihe kritischer Einrichtungen sei beschädigt und abgeschaltet worden. 30 Prozent der Stromversorgung falle daher aus.
14:00 Uhr
Ukraine beschuldigt 33 Geistliche der Kollaboration
Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU geht gegen Dutzende Geistliche vor, weil sie Russland beim Angriff auf die Ukraine unterstützt haben sollen. Seit Kriegsbeginn habe der SBU Strafverfahren gegen 33 Geistliche eingeleitet, sagte dessen Chef Wassyl Maljuk der Nachrichtenagentur Interfax Ukraine. Darunter seien „klassische Agenten, die detaillierte Informationen sammeln“ und „banale Feuerspäher“.
In der Region Winnyzja habe man einen „Kameraden von Gundjajew“, also des orthodoxen Moskauer Patriarchen Kyrill I., festgenommen, der „ständig mit dem (russischen Geheimdienst) FSB kommuniziert“, so Maljuk.
In der Ukraine wird vor allem Priestern und Bischöfen der ukrainisch-orthodoxen Kirche vorgeworfen, den Kreml zu unterstützen. Die Kirche unterstand bis Ende Mai dem Moskauer Patriarchen Kyrill I., erklärte sich dann aber für unabhängig. Ihr Oberhaupt, der Kiewer Metropolit Onufri, hat den Krieg gegen die Ukraine scharf verurteilt.
13:22 Uhr
Russland meldet, dass 70.000 Cherson verlassen haben
Nach Angaben des von Russland eingesetzten Statthalters Wladimir Saldo haben mittlerweile mehr als 70.000 Menschen die südukrainische Stadt Cherson verlassen. Unter ihnen seien auch Mitglieder der Regionalverwaltung, sagte Saldos Vize Kirill Stremoussow. Abtransportiert worden seien auch Denkmäler und die Gebeine des Stadtgründers Grigori Potjomkin. Die Kämpfe in der Region haben sich verschärft. Ukrainische Truppen griffen russische Stellungen westlich des Dnjepr an, der durch Cherson fließt. Mehrere Versuche, auf die strategisch wichtige Stadt vorzurücken, sind bislang aber offenbar gescheitert.
Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete. Bild: ISW/26.10.2022
12:51 Uhr
Ukraine: Verstärken Kräfte an Grenze zu Belarus
Die ukrainische Armee habe ihre Kräfte an der Grenze zu Belarus verstärkt, wie der ukrainische Generalstab mitteilte. Zwar gebe es gegenwärtig keine Anzeichen für einen Angriff aus Belarus, erklärt der führende ukrainische Militär Olexij Hromow. Es gebe aber Drohungen. „Wir reagieren darauf, wir haben unsere Truppen im Norden bereits aufgestockt“, so Hromow.
IEA: Krieg könnte Energiewende beschleunigen
Russlands Krieg gegen die Ukraine könnte die Energiewende beschleunigen. Aufgrund der „tiefgreifenden Neuorientierung“ der globalen Energiemärkte seien die Investitionen in nachhaltige Energien gestiegen, erklärte die Internationale Energieagentur (IEA) anlässlich der Veröffentlichung ihres Jahresberichts. Demnach könnten die mit der Energieproduktion verbundenen globalen CO2-Emissionen bis 2025 ihren Höhepunkt erreichen und die Investitionen in saubere Energie deutlich steigen.
IEA-Chef Fatih Birol erklärte, die Energiemärkte und die Politik hätten sich durch die russische Invasion verändert – und zwar „nicht nur für die heutige Zeit, sondern für die kommenden Jahrzehnte“. Diese Veränderungen könnten „Übergang zu einem nachhaltigeren und sichereren Energiesystem“ beschleunigen, heißt es in dem Bericht. Trotzdem reichten die Veränderungen bei weitem nicht, um schwere Folgen für das Klima zu vermeiden. Die IEA berät die Industrieländer in Fragen der Energiepolitik.
11:19 Uhr
Russland droht mit Abschuss ziviler Satelliten
Russland droht mit dem Abschuss kommerzieller westlicher Satelliten, wenn diese im Ukraine-Krieg genutzt werden. Sie seien dann legitime Ziele für Russland, sagte ein hochrangiger Beamter des russischen Außenministeriums bei den Vereinten Nationen. Konstantin Woronzow, stellvertretender Direktor der Abteilung für Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle des Ministeriums, warf den USA und ihren Verbündeten vor, den Weltraum zu nutzen, um die westliche Vorherrschaft durchzusetzen. Die Nutzung von Satelliten zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte sei ein „extrem gefährlichen Trend“ und eine „Provokation“, sagte er.
Tesla-Chef Elon Musk hatte Anfang Oktober erklärt, dass sein Raketenunternehmen SpaceX seinen Starlink-Internetdienst in der Ukraine weiterhin finanzieren werde und dies mit der Notwendigkeit „guter Taten“ begründet. Die ukrainische Armee soll die Dienste von Starlink nutzen.
10:31 Uhr
Zahl ukrainischer Schülerinnen und Schüler weiter gestiegen
An deutschen Schulen werden jetzt knapp 196.000 ukrainische Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Die Bundesländer meldeten für die Woche vom 17. bis 23. Oktober insgesamt 195.984 Kinder und Jugendliche, wie die Kultusministerkonferenz (KMK) in Berlin mitteilte.
Im Vergleich zur Vorwoche stieg die Zahl damit um 969 an. Allerdings waren in mehreren Bundesländern Ferien, weshalb teilweise keine neuen Zahlen gemeldet wurden. Die von der KMK angegebenen Schülerzahlen beziehen sich auf allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen.
10:10 Uhr
Ukrenergo: Stromnetze im Zentrum des Landes beschädigt
Die russischen Streitkräfte haben nach ukrainischen Angaben in der Nacht das Stromnetz im Zentrum des Landes angegriffen. Weitere Einschränkungen der Stromversorgung seien möglich, teilt der Netzbetreiber Ukrenergo auf Telegram mit. Einrichtungen des Hauptnetzes des ukrainischen Energiesystems in den zentralen Regionen sei beschädigt worden. Russland hat in den vergangenen Wochen seine Angriffe auf wichtige ukrainische Infrastruktur verstärkt, darunter auch das Stromnetz.
09:37 Uhr
Gouverneur von Sewastopol: Kraftwerk auf der Krim Ziel eines Angriffs
Auf ein Kraftwerk auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim ist offenbar ein Drohnenangriff verübt worden. Dabei habe es keine Opfer und nur „minimalen Schaden“ gegeben, erklärte der von Moskau eingesetzte Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, im Onlinedienst Telegram. Die Stromversorgung von Sewastopol und der gesamten Krim sei durch den nächtlichen Angriff auf das Balaklawa-Wärmekraftwerk nicht gefährdet. Die Drohne sei noch beim Anflug auf das Kraftwerk abgefangen worden.
Sewastopol ist wichtig als Basis der russischen Scharzmeerflotte. Auf der seit 2014 von Russland beanspruchten Halbinsel hat es in den vergangenen Monaten mehrere Explosionen in Militäranlagen sowie Drohnenangriffe gegeben. Die Ukraine bekennt sich nicht offiziell dazu.
Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.