Angriffskrieg gegen die Ukraine – Moskaus Propaganda-Push im Sicherheitsrat

Angriffskrieg gegen die Ukraine – Moskaus Propaganda-Push im Sicherheitsrat

28. Oktober 2022 Aus Von mvp-web
Stand: 28.10.2022 04:06 Uhr

Tagelang beschäftigte sich der UN-Sicherheitsrat nur mit einer Sache: den altbekannten Kreml-Vorwürfen gegen die Ukraine. Die Reaktionen fallen zwar inzwischen zynisch aus – aber die Sorgen wachsen.

Von Antje Passenheim, ARD-Hörfunkstudio New York

Das Versprechen von Moskaus stellvertretendem UN-Botschafter Dimitri Poljanski hielten die Russen: „Wir werden den Sicherheitsrat diese Woche beschäftigt halten.“

Antje Passenheim Antje Passenheim ARD-Studio New York

Und das taten sie. Drei Tage lang. Einen altbekannten Vorwurf brachte Moskaus UN-Botschafter Wassili Nebensja vor. Er spulte das Drehbuch einer Sitzung vom März noch einmal ab: Biologische Labore in der Ukraine würden für gefährliche Experimente genutzt – mit Erregern von Milzbrand, Cholera und anderen tödlichen Krankheiten. Das Pentagon unterstütze Kiew bei der Entwicklung biologischer Waffen – zusammen mit US-Firmen, sagte er. Die Erreger würden von Vögeln und Fledermäusen verbreitet.

„Und jetzt auch noch von Moskitos“ – US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield reagierte zynisch: Vögel respektierten keine Staatsgrenzen. „Die russischen Vorwürfe sind aus vielerlei Hinsicht absurd. Solche präparierten Tiere wären für die Ukraine und Europa ebenso gefährlich wie für jedes andere Land.“

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„Risse in der Allianz erzeugen“

Ebensoviel Skepsis erzeugt der jüngste russische Vorwurf: Die Ukraine arbeite an einer „schmutzigen“ – also radioaktiv verseuchten – Bombe. Die wolle sie auf eigenem Boden zünden, um Russland zu diskreditieren. Dabei glaubten die Russen nicht einmal selbst, dass sie den Sicherheitsrat davon überzeugen können, sagte Thomas Graham, Russland-Experte beim Thinktank Council on Foreign Relations. Moskau wolle ein Bedrohungsszenario erzeugen, um von eigenen militärischen Niederlagen abzulenken:

Die Russen hoffen, dass wenn sie genug Zwietracht säen, die Ukrainer in einer Weise reagieren, die die Russen dazu bringt, den Konflikt ihrerseits zu eskalieren. Moskau will damit auch Risse in der Allianz der westlichen Länder und denen des globalen Südens erzeugen.

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Es gebe keine militärische oder politische Notwendigkeit dafür, sagte der russische Präsident in Moskau.

 

Muster aus dem Syrien-Krieg

Mit ihrem Propaganda-Push im Sicherheitsrat setze der Kreml darauf, dass sein Narrativ über russische und chinesische soziale Medien stark verbreitet würde, sagt der UN-Experte des Thinktanks Crisis Group, Richard Gowan: „Es gibt allerdings auch die kleine Möglichkeit, dass dies nur das Vorspiel zu einer weit größeren Operation wird – dass Russland selber eine ’schmutzige Bombe‘ einsetzen will.“

Dafür gibt es bereits ein Muster aus dem Syrien-Krieg. Dort hatte Russland mit dem Assad-Regime vor angeblichen Chemiewaffen der Rebellen gewarnt – nur um dann selbst entsprechende Waffen einzusetzen.

Moskau könnte den USA auch den Spiegel vorhalten, sagen einige Diplomaten am Rande des Sicherheitsrats. Sie erinnern an die Falschaussage, der Irak produziere Massenvernichtungswaffen. Diesen Vorwurf nahmen die USA und ihre Verbündeten im März 2003 zum Vorwand, um in den Irak einzumarschieren.

Der Unterschied sei, sagt Gowan, dass die US-Offiziellen damals tatsächlich geglaubt hätten, Saddam Hussein habe Massenvernichtungswaffen: „Wir wissen nicht, ob die Russen selber glauben, was sie da verbreiten – oder ob sie nur Geschichten erzählen, um die Ukraine schlecht aussehen zu lassen.“

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An einem sehr gefährlichen Punkt

So oder so – der Konflikt sei an einem sehr gefährlichen Punkt angelangt, sagt auch Graham. Es sei wichtig, dass die Vereinten Nationen solchen Anschuldigungen eine starke Antwort entgegensetzten. UN-Experten könnten zumindest einigen der Vorwürfe nachgehen und Fakten offenbaren, sagt der früher Russland-Beauftragte im Nationalen Sicherheitsrat unter US-Präsident George W. Bush. „Wir versuchen, den Russen diskret und öffentlich zu signalisieren, dass jede Anwendung von atomaren oder chemischen Waffen katastrophale Konsequenzen hätte.“

UN-Botschafter Nebensja erklärte bereits: Russland werde sich weitere Schritte vorbehalten, sollte der Sicherheitsrat nicht angemessen auf die Vorwürfe reagieren.