UN-Klimakonferenz: Wie sinnvoll ist das Treffen in Ägypten?
8. November 2022Die Periode von Januar bis Oktober ist in diesem Jahr die wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881. Das Klima ist derzeit auch Thema der UN-Klimakonferenz (COP27) in Ägypten. MV-Klimaschutzminister Backhaus ist zu Hause geblieben. Klimaschutzaktivistin Theresia Crone hat dafür Verständnis. Für sie ist das Treffen in Scharm el-Scheich eine „ambivalente Geschichte“.
Auch in Nord- und Ostsee war es im Sommer 2022 ungewöhnlich warm, wie aus Daten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg hervorgeht. In der Ostsee hätten die Oberflächentemperaturen im Sommer großflächig anderthalb Grad über dem langjährigen Mittel gelegen, vor der deutschen Küste habe die Abweichung ein Grad betragen. Zudem habe das BSH mehrere marine Hitzewellen verzeichnet. Es wies darauf hin, dass sich durch wärmere Meere die Verbreitung von Tierarten wie Fischen verändert. Zudem hätten die Meere selbst einen großen Einfluss auf Wetter und Klima.
Anstieg des Meeresspiegels, Abschmelzen der Gletscher
Laut dem Bericht der Weltmeteorologieorganisation (WMO) hat sich die Erde seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bereits um etwa 1,15 Grad erwärmt. Rund die Hälfte des Anstiegs habe sich in den vergangenen 30 Jahren vollzogen. Mit dieser drastischen Erwärmung hätten das Abschmelzen von Gletschern, der Anstieg des Meeresspiegels sowie Extremwetterereignisse wie Starkregen und Hitzewellen zugenommen. „Wärmer bedeutet letztendlich auch mehr Todeszonen oder größere Gebiete frei von Sauerstoff in der Ostsee“, sagte Thomas Neumann, Ozeanograf am Institut für Ostseeforschung in Warnemünde, dem NDR Nordmagazin. Es werde Gebiete geben, in denen nur noch Bakterien leben würden. Dennoch gebe es noch Möglichkeiten für die Küstenfischerei. Und Touristen könnten sich wegen des wärmeren Wassers über eine verlängerte Badesaison freuen. Diese könnte aber vermehrt durch ein erhöhtes Auftreten etwa von Vibrionen getrübt werden, so der Experte.
Backhaus sagt Teilnahme ab
Seit Sonntag läuft die UN-Klimakonferenz (COP27) in Scharm el-Scheich. Zwei Wochen lang ringen dort mehr als 190 Staaten um ehrgeizigere Klimaschutzzusagen. Der zuständige Landesklimaschutzminister Till Backhaus hat seine Teilnahme hingegen abgesagt. Backhaus erklärte, dass dies eine bewusste Entscheidung von ihm sei, „weil ich der festen Überzeugung bin, da kommt aktuell nichts bei raus“. Und das sei bitter, so Backhaus weiter. Nach eigenen Angaben ist der SPD-Politiker als Mitglied der Umweltministerkonferenz zu dem Kongress in Ägypten eingeladen worden. Statt Sprüche zu klopfen, wie es andere machen würden, sei er in Mecklenburg-Vorpommern geblieben. Ein Ministeriumssprecher erklärte auf Nachfrage, die Entscheidung zur Absage sei Anfang September gefallen, da zahlreiche wichtige Aufgaben die Anwesenheit des Ministers hierzulande erforderten.
Grüne und AfD kritisieren die Backhaus-Absage
Die grüne Landesvorsitzende Katharina Horn nannte das einen „desolaten Auftritt“. Klimaschutz und Klimaziele könnten nur dann funktionieren, wenn alle mitziehen – auch das Land. Es sei kein gutes Signal, wenn Backhaus sich der Debatte über die Umsetzung der Klimaziele bei der Konferenz durch seine Absage entziehe, so Horn. Der Fraktionsvorsitzende der AfD-Fraktion, Nikolaus Kramer, sprach von einer „hoffnungslosen Resignation“ des Ministers hinsichtlich einer globalen und gesamteuropäischen Herangehensweise an die Problematiken der Klima- und Energiekrise. „Im selben Atemzug möchte uns Backhaus den vermeintlichen Sinn und Nutzen von hausmütterlichen ‚Balkonkraftwerken‘ in besagter Pressekonferenz weismachen – als ob diese in der Lage wären, den aktuellen Krisenherd zu bewältigen.“
Crone: Klimaschutzkonferenz eine „ambivalente Geschichte“
Die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Klimaschutzaktivistin Theresia Crone zeigte bei NDR MV Live hingegen Verständnis für Backhaus‘ Entscheidung. „Backhaus hat an der Stelle sicherlich nicht ganz unrecht. Er ist ja nicht der einzige prominente Mensch, der sich entschieden hat, jetzt nicht zu dieser COP zu fahren. Greta Thunberg macht es zum Beispiel auch nicht“, sagte Crone. Für das Fernbleiben gebe es gute Gründe, so Crone weiter. Denn auch für sie sei die Klimaschutzkonferenz eine „ambivalente Geschichte“. Einerseits hoffe sie als junger Mensch auf Erfolge einer solchen Konferenz, „andererseits sehen wir auch, dass die bisherigen Durchbrüche wie etwa das Pariser Klimaabkommen oder das Kyoto-Protokoll dann nicht eingehalten wurden oder nicht genug eingehalten wurden.“
Crone: „So wie es jetzt läuft, funktioniert es nicht“
Crone kritisierte auch das Format des Treffens in Ägypten: „Zu dieser COP – und das ist ganz absurd – fliegen die ganzen Regierungschefs mit ihren Privatjets und verhandeln dort in einem total heruntergekühlten Raum, während es draußen über 30 Grad sind. Das zeigt die Absurdität der Situation.“ Die Klimakonferenz müsste ihrer Ansicht nach in neuer Konstellation „wiederbelebt“ werden: Vorstöße müssten besser umgesetzt werden und es müsste mehr Beteiligung der jungen Generation sowie von Ländern des globalen Südens geben, die bereits vom Klimawandel betroffen seien, aber an den Verhandlungstischen unterrepräsentiert seien. „So wie es jetzt läuft, funktioniert es nicht“, so Crone.
„Da braucht es zivilen Ungehorsam“
An den jüngst hierzulande die Gemüter erhitzenden Protestformen von Klimaaktivisten, die sich an Straßen geklebt hatten oder Kunstwerke oder wertvolle Kunstgemälde mit Brei oder Soße beschmierten, wollte Crone keine Kritik üben. „Ich finde es immer schwierig, andere Protestformen irgendwie zu kritisieren oder zu sagen: Das ist richtig.“ Denn die Menschheit befinde sich in einer massiven Krise, die auch eine Krise der Aufmerksamkeit sei. „Denn die Medien schaffen es immer wieder, nicht angemessen über die Klimakrise zu berichten.“ Dabei gehe es darum, den gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben. „Und da braucht auch es auch Disruption. Da braucht es zivilen Ungehorsam. Sicherlich.“ Aber der zivile Ungehorsam müsse friedlich bleiben, so Crone. „Da muss man natürlich gucken, dass niemand verletzt wird.“