Krieg Tag 302 Sa 24.12.2022 ++ Erzbischof hofft auf sichere Weihnachten ++
24. Dezember 2022Der päpstliche Gesandte in Kiew, Kulbokas, hofft auf ein Weihnachtsfest ohne Raketen. Russland bereitet sich nach Einschätzung eines US-Instituts in Belarus auf einen möglichen Angriff vor.
- Päpstlicher Gesandter hofft auf Weihnachten ohne Raketen
- Tote bei russischem Angriff auf Cherson
- Selenskyj warnt vor Angriffen über die Feiertage
- Russen beginnen laut Ukraine mit Abriss von Theater in Mariupol
- „Wirtschaftsweise“ für längere AKW-Laufzeiten
16:21 Uhr
Selenskyj: „Akt des Terrors“
Angesichts des russischen Angriffs auf Cherson sprach der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj von einem Akt des „Terrors“, mit dem Russland die Ukrainerinnen und Ukrainer „einschüchtern“ wolle. Der Angriff habe sich nicht gegen militärische Einrichtungen gerichtet, erklärte Selenskyj beim Messengerdienst Telegram.
„Das ist kein Krieg nach den festgelegten Regeln. Das ist Terror, das ist Töten zur Einschüchterung und zum Vergnügen“, kritisierte Selenskyj. „Die Welt muss sehen und verstehen, gegen welches absolute Böse wir kämpfen.“
Nach ukrainischen Angaben sind bei dem Angriff in Cherson mindestens sieben Menschen getötet worden. 58 weitere Menschen seien bei der Bombardierung des Zentrums der südukrainischen Stadt verletzt worden, teilten Gouverneur Jaroslaw Janutschewitsch und die Präsidentschaft in Kiew mit.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Päpstlicher Gesandter hofft auf Weihnachten ohne Raketen
Wie viele Menschen in der Ukraine wird auch Erzbischof Visvaldas Kulbokas, Gesandter des Papstes in Kiew, ein schwieriges Weihnachtsfest erleben: „Wenn wir uns jetzt in der Ukraine gegenseitig Weihnachtsgrüße schicken, habe ich festgestellt, dass Priester und auch andere Gläubige oft auf die Karten schreiben: ‚Wir wünschen Ihnen ein sicheres Weihnachtsfest'“, sagte Kulbokas in einem Interview mit dem Sender „Vatican News“. „Das ist unser erster Wunsch: sichere Weihnachten, ein Weihnachten ohne Raketen und ohne Explosionen.“
„So wie Jesus in Bethlehem in der Kälte, in der Dunkelheit geboren wurde, so nähern sich die Ukrainer dieses Jahr Weihnachten auf eine sehr ähnliche Weise“, so Kulbokas. „Die Realität sieht so aus, dass stundenlang, manchmal sogar tagelang, ohne Übertreibung Millionen von Haushalten ohne Licht, ohne Heizung sind.“ Die Menschen wüssten nie, unter welchen Bedingungen sie am nächsten Morgen aufwachen.
Dennoch erlebe er in der Bevölkerung den großen Wunsch, Weihnachten zu feiern und die Freude über die Geburt Jesus zu spüren, schilderte Kulbokas. Auch in der Dunkelheit wirke der Zauber von Weihnachten, zeigte er sich überzeugt. So habe er gesehen, wie Kinder Christbäume malten, und dabei gedacht: „Für sie bleibt Weihnachten also Weihnachten – auch wenn eine Rakete vorbeifliegt. Das heißt, es gibt die traumatische Erfahrung, aber der Sinn von Weihnachten bleibt.“
13:16 Uhr
Süssmuth fordert Debatte über schnelles Kriegsende
Die langjährige frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth fordert mehr Anstrengungen Deutschlands, den Krieg in der Ukraine zu beenden. „Wir haben noch nicht die richtige Balance gefunden“, sagte die CDU-Politikerin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wir sprechen überwiegend über Waffen und Kriegsmittel. Wir müssen viel stärker klarmachen, dass wir alles Erdenkliche versuchen, diesen Krieg zu beenden.“
Die Zerstörung habe „schreckliche Ausmaße“, sagte Süssmuth weiter. „Wir müssen doch viel mehr fragen, wie der Krieg so schnell wie möglich beendet werden kann, um so viel wie möglich vor Zerstörung zu bewahren“, fügte die frühere Bundestagspräsidentin hinzu.
US-Institut: Moskau bereitet in Belarus Angriff vor
Russland schafft nach Einschätzung des US-amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Belarus weiter die Voraussetzungen für einen möglichen Angriff auf den Norden der Ukraine. Auch das ukrainische Militär teilte mit, dass Russland Bataillone dorthin verlegt habe. Die ISW-Experten meinten zwar, dass ein solcher Angriff weiter unwahrscheinlich sei. Er sei aber möglich und die Gefahr müsse ernst genommen werden.
Als ein Indiz dafür, dass Russland von dort aus angreifen könnte, wurde die Einrichtung eines Feldlazaretts angesehen. „Feldhospitäler sind nicht notwendig für Übungen und können ein Hinweis auf die Vorbereitung von Kampfhandlungen sein“, teilte das ISW mit. Anfang des Jahres sei die Einrichtung diese Lazarette in Belarus ebenfalls ein Indiz dafür gewesen – unmittelbar vor Beginn der großen russischen Invasion. In Belarus hatte der von Moskau politisch und finanziell abhängige Machthaber Alexander Lukaschenko seine Militärbasen für die Angriffe auf die Ukraine zur Verfügung gestellt. Die Ukraine sieht Belarus als Kriegspartei.
Tote bei russischem Angriff auf Cherson
Durch russischen Beschuss sind im Zentrum der ukrainischen Stadt Cherson nach Angaben der Präsidialverwaltung in Kiew sieben Menschen getötet und 58 weitere verletzt worden, darunter 18 Schwerstverletzte. Der Vizechef des Präsidialamtes in Kiew, Kyrylo Tymoschenko, veröffentlichte dazu in seinem Kanal des Nachrichtendienstes Telegram Fotos.
Nach ukrainischen Angaben beschießen russische Truppen die Stadt weiter aus anderen Teilen des besetzten Gebiets Cherson. Der Großteil des Gebiets wird weiterhin von russischen Truppen kontrolliert. Russland hatte die Region Cherson annektiert, die gleichnamige Stadt aber im Herbst verlassen.
Tymoschenko schrieb zu den heutigen Angriffen: „Die Russen haben wieder Terror verübt und das Stadtzentrum beschossen. Menschen sind gestorben, Gebäude sind zerstört.“ Am Samstag seien wegen des Wochenendes viele Menschen auf den Straßen unterwegs gewesen.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
11:14 Uhr
14 Mio. Euro Unterstützung für ukrainische Landwirtschaft
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat 14 Millionen Euro für ukrainische Landwirte bereitgestellt, um angesichts des russischen Angriffskrieges die Eigenversorgung mit Lebensmitteln aufrechtzuerhalten und wieder aufzubauen. Wie das Ministerium in Berlin mitteilte, sollen mit neun Millionen Euro 125 Stromgeneratoren sowie Tierfutter oder Saatgut beschafft werden; mit fünf Millionen Euro soll der Wiederaufbau der Eigenproduktion von Obst und Gemüse unterstützt werden.
„Der Mut und die Widerstandsfähigkeit der Ukraine und auch der ukrainischen Landwirtinnen und Landwirte ist für mich unfassbar beeindruckend“, erklärte Minister Cem Özdemir (Grüne) und betonte: „Auch in der Weihnachtszeit stehen wir zusammen.“ Die Zerstörung der Energieinfrastruktur in der Ukraine und gezielte russische Angriffe auf die Landwirtschaft wirken sich erheblich auf die Nahrungsmittelversorgung aus.
„Munitionsmangel bei russischer Armee“
Den russischen Truppen in der Ukraine mangelt es nach Einschätzung britischer Militärgeheimdienste an Munition und Raketen. Aus dem Verteidigungsministerium in London hieß es, trotz der Linderung des unmittelbaren Personalmangels bleibe ein Munitionsmangel höchstwahrscheinlich der wichtigste einschränkende Faktor für russische Offensivoperationen. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Marschflugkörpern habe Russland zudem seine Angriffe mit Langstreckenraketen auf die ukrainische Infrastruktur auf etwa einmal pro Woche beschränkt.
Der Vorrat an Artilleriemunition genüge nicht für größere Offensivoperationen. Das liege daran, dass auch für die Verteidigung entlang der Front täglich zahlreiche Granaten und Raketen gebraucht würden. Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf.
09:38 Uhr
Kurschus: „Keine Waffe wird den Frieden schaffen“
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hält es weiter für richtig, die Ukraine mit Waffen gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstützen. Auf WDR 5 sagte sie, das Gebot „Du sollst nicht töten“ bedeute auch, man dürfe nicht zusehen, wie unschuldige und wehrlose Menschen mitten in Europa getötet werden. Auch Deutschland müsse der Ukraine daher helfen, sich mit Waffen in dem menschenverachtenden Krieg zu schützen.
Zugleich sei aber auch gewiss: „Keine Waffe wird den Frieden schaffen.“ Gesprächskanäle dürften nicht zugeschüttet werden. Es gebe Gespräche auf mehreren Ebenen, auch unter „Menschen mit kirchlichen Bezügen“. Die Weihnachtsbotschaft vom Frieden sei selten so nötig gewesen wie zum Ende dieses Jahres.
Selenskyj warnt vor Angriffen über Feiertage
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor möglichen russischen Angriffen an den kommenden Feiertagen und während der Urlaubszeit gewarnt. „Mit der nahenden Ferienzeit könnten die russischen Terroristen wieder aktiv werden“, sagte Selenskyj am Freitagabend in seiner täglichen Videoansprache. „Sie verachten christliche Werte und jegliche Werte im Allgemeinen.“ Selenskyj forderte die Ukrainer auf, in den kommenden Tagen besonders wachsam zu sein. „Bitte beachten Sie daher die Luftschutzsignale, helfen Sie sich gegenseitig und achten Sie immer aufeinander“, sagte er.
Gleichzeitig richtete er eine scharfe Warnung an Russland. „Die Bürger Russlands müssen klar verstehen, dass Terror nie unbeantwortet bleibt“, sagte er. Die ukrainische Militärführung hatte in den vergangenen Tagen wiederholt vor möglichen neuen Raketenangriffen auf die Infrastruktur und Energieversorgung des Landes gewarnt. Unter anderem verwies das Militär am Freitag darauf, dass im Schwarzen Meer ein russischer Flottenverband unterwegs sei, zu dem auch ein mit Marschflugkörpern bestücktes Kriegsschiff gehöre.
Steinmeier: „Friede noch nicht greifbar“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Bürgerinnen und Bürgern angesichts des Krieges in der Ukraine für ihre Mitmenschlichkeit gedankt und trotz der Krise zu Zuversicht fürs nächste Jahr aufgerufen. Er wisse, wie viel diese Krise allen abverlange, dass viele sich einschränken müssten, sagte Steinmeier in seiner diesjährigen Weihnachtsansprache.
Er sei dankbar für die Mitmenschlichkeit und Liebe, die Flüchtlinge aus der Ukraine erlebten, sagte Steinmeier weiter. Er wolle zudem allen danken, die sich in diesem Jahr für andere eingesetzt hätten. Sie würden dabei helfen, „das Leben für andere ein wenig heller zu machen“.
Der sehnlichste Wunsch angesichts des brutalen russischen Überfalls auf die Ukraine sei wohl der Wunsch nach Frieden. „Aber dieser Friede ist noch nicht greifbar“, sagte Steinmeier. Es müsse ein gerechter Friede sein, der weder Landraub belohne noch die Menschen in der Ukraine der Willkür und Gewalt ihrer Besatzer überlasse, ergänzte er in seiner Ansprache, die am ersten Weihnachtsfeiertag ausgestrahlt wird.
Ökonomin Schnitzer für längere AKW-Laufzeiten
Im Zusammenhang mit der durch den Ukraine-Krieg entstandenen Energiekrise, hat die Vorsitzende der „Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer, für eine weitere Verlägnerung der AKW-Laufzeiten geworben. „Aus ökonomischer Sicht wäre es sinnvoll, jetzt schnell neue Brennstäbe zu bestellen“, sagte sie der „Rheinischen Post“. „Das würde uns im nächsten Winter mehr Sicherheit geben, auch wenn der Beitrag nicht überschätzt werden sollte.“
Der Bund solle dringend prüfen, die drei Atomkraftwerke „zwei oder drei Jahre“ länger laufen zu lassen. „Das ungelöste Endlager-Problem wird nicht größer, wenn die Laufzeit etwas verlängert wird.“ Zur Begründung verwies die Ökonomin darauf, dass die Strompreise so hoch seien, weil das Angebot knapp sei und deshalb häufig die besonders teuren Gaskraftwerke zum Einsatz kämen.
Schnitzer bekräftigte auch den Vorschlag der „Wirtschaftsweisen“, Gutverdiener stärker zur Kasse zu bitten, um die Lasten der Energiekrise gerechter zu verteilen. Der Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hatte sich im November für einen befristeten Energie-Solidaritätszuschlag oder eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ausgesprochen. „Der Energie-Soli kann auch 2023 noch eingeführt werden, sagte Schnitzer. Dieser sei sinnvoll: „Er bringt zum Ausdruck, dass das Land ärmer wird und starke Schultern mehr Last tragen müssen als schwache.“
Russen beginnen mit Abriss des Theaters in Mariupol
Die russischen Besatzungsbehörden haben nach ukrainischen Angaben mit dem Abriss des berühmten Theaters in der besetzten Stadt Mariupol in der Ukraine begonnen. „Das Theater in Mariupol existiert nicht mehr“, schreibt der ukrainische Kulturminister Oleksandr Tkatschenko auf Facebook. Die Besatzer wollten damit die Spuren ihrer Verbrechen vernichten. Bei einer russischen Attacke auf das Theater im März waren nach ukrainischen Angaben mehrere Hundert Menschen ums Leben gekommen, die dort Schutz gesucht hatten.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.