CDU siegt deutlich – SPD historisch schlecht
12. Februar 2023Die CDU geht als klarer Sieger aus der Wiederholungswahl in Berlin hervor – und will regieren. Doch auch SPD, Grüne und Linkspartei hätten trotz Verlusten weiterhin eine Mehrheit. Für die FDP sieht es schlecht aus.
Erstmals seit mehr als 20 Jahren löst die CDU in Berlin die SPD als stärkste politische Kraft ab. Bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus kommt die Partei von Spitzenkandidat Kai Wegner laut Hochrechnung von infratest dimap auf 27,8 Prozent. Im Vergleich zur Pannenwahl 2021 gewinnt die CDU damit deutlich hinzu – damals landete sie mit 18,0 Prozent noch hinter den Grünen auf Platz drei.
Wegner war angetreten mit dem erklärten Wahlziel, einen politischen Wechsel in der Hauptstadt zu erreichen. Als Spitzenkandidat war seine Zugkraft vergleichsweise gering, doch konnte seine CDU offenbar von der verbreiteten Unzufriedenheit mit dem rot-grün-roten Senat und den Zuständen in der Stadt profitieren. Nach den Silvesterkrawallen setzte sie erfolgreich auf die Themen Sicherheit und Ordnung. Dass die CDU stärkste Kraft in Berlin war, ist lange her: 1999 gewann sie mit Eberhard Diepgen. Seit 2001 regierte dann die SPD mit wechselnden Koalitionen.
Entsprechend groß der Jubel bei der CDU. Wegner sprach von einem „klaren Regierungsauftrag“. Sein Ziel sei eine stabile Regierung, die vertrauensvoll zusammenarbeitet und die Probleme der Stadt löst. Er wolle eine „Berlin-Koalition“.
„Herzlichen Dank für diesen klaren Regierungsauftrag“, CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner, zur Abgeordnetenhauswahl in Berlin
Giffey ohne Amtsbonus
Die SPD zählt zu den klaren Verlierern der Wahl. Die Partei der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey kommt laut ARD-Hochrechnung nur noch auf 18,7 Prozent. Damit unterbietet sie ihren Negativrekord von 21,4 Prozent aus dem Jahr 2021 deutlich. Immer weniger Menschen in Berlin trauen der SPD offenbar zu, die Probleme in der Stadt in den Griff zu bekommen.
Giffey konnte in ihrer kurzen Amtszeit keinen nennenswerten Amtsbonus aufbauen, dazu funktioniert in der Stadt aus Sicht vieler Berlinerinnen und Berliner einfach vieles zu schlecht. Im Wahlkampf wehrte sie sich gegen den Eindruck von Berlin als „Chaos-Stadt“ und versuchte als zupackende Macherin und Kümmerin zu punkten.
Giffey räumte die Wahlniederlage ihrer SPD ein. Das Ergebnisse zeige, dass die Berlinerinnen und Berliner nicht zufrieden seien. Allerdings habe ihr Senat auch nur ein Jahr Zeit gehabt.
„Für uns war wichtig, dass wir, wenn es so sein sollte, dass die CDU auf Platz 1 ist, wir es schaffen, auf Platz 2 zu kommen“, Franziska Giffey, SPD-Spitzenkandidatin, zur Abgeordnetenhauswahl in Berlin
Grüne auf dem Niveau von 2021
Die mitregierenden Grünen liefern sich mit der SPD ein Rennen um Platz zwei. Sie kommen derzeit auf 18,7 Prozent, das ist das Niveau von 2021. Bettina Jarasch war als Bürgermeisterkandidatin angetreten, konnte jedoch offenbar wenig überzeugen. Als zuständiger Senatorin wurde ihr das alltägliche Verkehrschaos in der Stadt angelastet. Mit Maßnahmen gegen den Autoverkehr in der Stadt polarisierte sie zusätzlich. Der Schub für grüne Themen und der Rückenwind vom Bund kommen bei den Landesgrünen offenbar nicht an.
In einer ersten Reaktion sprach sich Jarasch für eine Fortsetzung der Koalition mit SPD und Linken aus – „unter Führung der Grünen“.
Die Linkspartei schneidet mit 12,1 Prozent etwas schwächer ab als 2021, bleibt aber zweistellig. Sie profitiert von ihrem populären Spitzenkandidaten Klaus Lederer, der sich als langjähriger Kultursenator profilieren konnte. Im Wahlkampf machte sich Die Linke für eine schnelle Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung von Wohnungskonzernen stark. Sie würde die Koalition mit SPD und Grünen gerne fortsetzen.
Die AfD kann etwas zulegen und kommt nun auf 9,0 Prozent. Angetreten war sie mit Spitzenkandidatin Kristin Brinker. Im Wahlkampf gaben ihr die Silvesterkrawalle, die wieder aufkeimende Zuwanderungsdebatte und die Angst vor Preissteigerungen und den weiteren Kriegsfolgen Auftrieb.
FDP unter der Fünf-Prozent-Marke
Die FDP muss um den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus bangen. Die Hochrechnung sieht die Partei bei 4,6 Prozent. Mit ihrem rhetorisch starken Spitzenkandidaten Sebastian Czaja konnte sie punkten, doch litt die FDP im Wahlkampf unter der inhaltlichen Konkurrenz zur CDU. Auch aus der Bundespolitik gab es wenig Rückenwind, die FDP tut sich in der Ampel-Regierung schwer, die Erwartungen ihrer Anhänger zu erfüllen. Bei Landtagswahlen gab es zuletzt Niederlagen in Serie.
Wer regiert Berlin?
Berlin steht nun eine schwierige Regierungsbildung bevor. Sowohl Zweier- als auch Dreier-Bündnisse sind rechnerisch möglich. Die CDU als klar stärkste Kraft und als einzige Partei mit großen Zugewinnen reklamierte den Regierungsauftrag bereits für sich, doch könnte die Partnersuche schwierig werden. Anders als in Schleswig-Holstein oder NRW sind die Gräben zu den Grünen tief. Die SPD müsste sich für eine Koalition mit der CDU in die Juniorrolle fügen.
Auch die Fortsetzung des Bündnisses von SPD, Grünen und Linken ist denkbar. Womöglich auch unter grüner Führung. Diese Dreier-Konstellation dürfte angesichts der großen Zugewinne der CDU aber schwierig zu verargumentieren sein. Im Wahlkampf hatte sich Giffey nicht auf eine Koalitionspräferenz festgelegt, doch deutete sie zuletzt an, auch im Falle eines CDU-Wahlsiegs Bündnisse jenseits der CDU schmieden zu wollen. „Wenn wir eine Möglichkeit haben, ein Regierungsbündnis anzuführen unter SPD-Führung, dann werden wir auch versuchen, dafür eine stabile politische Mehrheit zu organisieren“, sagte sie am Abend.
Einmalig in Deutschland
Insgesamt waren rund 2,4 Millionen Menschen zur Berliner Wiederholungswahl aufgerufen. Sie war nötig geworden, weil es bei der Abstimmung am 26. September 2021 zu schwerwiegenden Pannen und Wahlfehlern gekommen war und sie daraufhin für ungültig erklärt worden war. So etwas gab es bislang noch nie in Deutschland auf Landesebene.
Es wird damit gerechnet, dass der damit einhergehende Frust über die politisch Handelnden und der Vertrauensverlust in die Institutionen negative Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung hat. Bei der Pannenwahl 2021 lag sie bei 75 Prozent, allerdings fand damals parallel die Bundestagswahl und ein Volksentscheid statt. Diesmal könnte die Beteiligung um zehn Prozentpunkte darunter liegen.
Wer auch immer regiert in Berlin, hat nur gut dreieinhalb Jahre Zeit bis zur nächsten Wahl. Denn anders als bei einer Neuwahl übernimmt die Regierung bei dieser Wiederholungswahl nur den Rest der Legislaturperiode.