Bei den Schüssen in einem Gebäude der Zeugen Jehovas in Hamburg sind nach aktuellem Stand acht Menschen tödlich verletzt worden. Unter den Toten sei «offenbar auch der mutmaßliche Täter», wie die Polizei Hamburg am Freitagmorgen auf ihrer Internetseite mitteilte. Mehrere Menschen wurden verletzt.
Die Hamburger Innenbehörde, die Staatsanwaltschaft und die Polizei wollen am Freitagmittag mehr Details bekannt geben. Eine Pressekonferenz ist für 12 Uhr geplant. Darin werden voraussichtlich der Innensenator Andy Grote, ein Vertreter der Hamburger Staatsanwaltschaft, der Polizeipräsident Ralf Martin Meyer sowie der Leiter der Schutzpolizei, Matthias Tresp, sprechen.
Polizei spricht von Amoktat
Die Spurensicherung am Tatort ging am Morgen weiter. «Im Moment laufen hier die Übergaben. Das ist alles im Fluss», sagte ein Polizeisprecher. Die Tat stuft die Polizei nach Informationen aus Sicherheitskreisen als Amoklauf ein. Die Hintergründe waren auch Stunden nach der Tat zunächst unklar.
Schüsse in Hamburg: Das ist bislang über die Tat bekannt
Die Polizei richtete ein Hinweisportal ein. Auf der Webseite könnten «Fotos und Videos zur Tat oder relevanten Ereignissen in diesem Zusammenhang hochgeladen werden», teilte die Polizei Hamburg auf Twitter mit.
Scholz zeigt sich erschüttert
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Angriff in einem Tweet als brutale Gewalttat bezeichnet. «Schlimme Nachrichten aus #Hamburg. Mehrere Mitglieder einer Jehova-Gemeinde sind gestern Abend einer brutalen Gewalttat zum Opfer gefallen», postete er am Freitagmorgen über den Regierungsaccount auf Twitter. «Meine Gedanken sind bei ihnen und ihren Angehörigen. Und bei den Sicherheitskräften, die einen schweren Einsatz hinter sich haben.» Die Polizei äußerte sich bislang noch nicht detailliert zu den Opfern.
Faeser und Tschentscher bekunden Beileid
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich «erschüttert» über die Tat im Hamburger Stadtteil Alsterdorf. «Meine Gedanken sind in dieser schweren Stunde bei den Opfern und ihren Angehörigen, bei den Gemeindemitgliedern und auch bei den Einsatzkräften», sagte Faeser der Deutschen Presse-Agentur.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zeigte sich ebenfalls bestürzt. «Die Meldungen aus Alsterdorf / Groß Borstel sind erschütternd», schrieb Tschentscher bei Twitter. «Den Angehörigen der Opfer gilt mein tiefes Mitgefühl.»
Die Zeugen Jehovas zeigten sich «tief betroffen». «Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer sowie den traumatisierten Augenzeugen. Die Seelsorger der örtlichen Gemeinde tun ihr Bestes, ihnen in dieser schweren Stunde Beistand zu leisten», hieß es in einem Statement auf der Website der Gemeinschaft.
«Es waren ungefähr vier Schussperioden»
Eine Nachbarin berichtete von mehreren Schüssen bei der Veranstaltung der Zeugen Jehovas. «Es waren ungefähr vier Schussperioden. In diesen Perioden fielen immer mehrere Schüsse, etwa im Abstand von 20 Sekunden bis einer Minute», berichtete Studentin Lara Bauch. Später seien Menschen von Polizisten an Händen und Füßen auf die Straße getragen worden.
Vier Stunden nach den tödlichen Schüssen betrat schließlich die Spurensicherung in der Nacht den Tatort. Auch am frühen Morgen sicherte die Polizei vor, hinter und in dem dreigeschossigen Gebäude noch weiter Spuren. Streifenwagen hatten den Tatort zuvor weiträumig abgesperrt. Beamte mit Maschinenpistolen sicherten den Bereich zusätzlich ab.
An der Außenseite des Gebäudes haben die Ermittler noch in der Nacht zahlreiche kleine Nummerntafeln aufgestellt, um Spuren der Gewalttat zu markieren. Am Morgen war auch ein 3D-Scanner im Einsatz, um den Tatablauf zu dokumentieren. Der Eingang zu dem Gebäude der Zeugen Jehovas war am Morgen mit einem Sichtschutz abgedeckt.
Ein erster Leichenwagen war gegen 8.00 Uhr am Tatort vorgefahren. Gegen 6.00 Uhr wurde der Verkehr auf der viel befahrenen Straße Deelböge wieder freigegeben.
Lokale Berichterstattung:
Wöchentliches Treffen der Zeugen Jehovas
Welche Art von Veranstaltung in der Kirchengemeinde der Zeugen Jehovas abgehalten wurde, war zunächst unklar. Auf der Internetseite der Zeugen Jehovas war für den Donnerstagabend eine von zwei wöchentlichen Zusammenkünften angekündigt. Polizeiangaben zufolge hatten mehrere Menschen die Veranstaltung besucht.
Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Gemeinschaft mit eigener Bibel-Auslegung. Die Anhänger glauben an Jehova als «allmächtigen Gott und Schöpfer» und sollen sich strengen Vorschriften unterwerfen. Sie sind davon überzeugt, dass eine neue Welt bevorsteht und sie als auserwählte Gemeinde gerettet werden.
Weltweit haben die Zeugen Jehovas etwa acht Millionen Mitglieder. Die «Weltzentrale» ist in New York. Die deutsche Gemeinschaft mit weniger als 200 000 Mitgliedern gehört zu den größten in Europa. dpa/lzi/chi