Geiselnahme in Karlsruhe: Was bekannt ist

Geiselnahme in Karlsruhe: Was bekannt ist

12. März 2023 Aus Von mvp-web

Die Mitarbeiter der Apotheke fegen Glassplitter auf und räumen Medikamente wieder ein. Kunden können am Samstag sogar schon wieder Arzneimittel abholen – allerdings nur durch eine Nebentür. Der Haupteingang ist noch mit Brettern verschlossen. Hier, in einer Apotheke in der Karlsruher Innenstadt, hatte sich am Freitagabend eine stundenlange Geiselnahme abgespielt.

Ein 20-Jähriger hatte mehrere Menschen in seiner Gewalt und bedrohte sie mit einer geladenen Schreckschusspistole. Schließlich erfolgte der Zugriff durch Spezialkräfte. Alle Geiseln und der Täter blieben körperlich unverletzt.

Geiselnehmer war polizeibekannt

Ein Ermittlungsrichter erließ am Samstag Haftbefehl gegen den 20 Jahre alten Verdächtigen wegen des Vorwurfs der Geiselnahme. Der polizeibekannte Deutsche kam in Untersuchungshaft. Aus ermittlungstaktischen Gründen machte die Polizei bislang keine Angaben zu den Forderungen des Geiselnehmers, etwa zu Lösegeld. Die Ermittlungen liefen. Ob sich der Mann vor dem Haftrichter zu seinen Beweggründen geäußert hat, gaben die Ermittler nicht bekannt.

Drei Menschen mit Schreckschusswaffe bedroht

Wie Staatsanwaltschaft und Polizei mitteilten, soll der Beschuldigte drei Menschen mit der Schreckschusswaffe bedroht und sie aus dem Verkaufsraum in einen Nebenraum der Apotheke geschickt haben. Dort hielt er sie demnach fest. Weitere acht Menschen konnten flüchten und sich im hinteren Bereich der Apotheke verstecken. Unter den Geiseln waren nach Angaben eines Polizeisprechers Kunden und Mitarbeiter der Apotheke.

Die Tat hatte am Freitag gegen 16.30 Uhr begonnen. Ein Polizeisprecher sagte, aus der Apotheke seien mehrere Notrufe eingegangen und nur zwei Minuten später seien erste Polizisten am Tatort gewesen. Die Beamten sperrten das Gebiet daraufhin weiträumig ab und versuchten, Kontakt zu dem Geiselnehmer aufzunehmen.

Die Karlsruher Messe sagte wegen der Lage zwei Abendveranstaltungen ab. Ein Event mit Hundetrainer Martin Rütter sowie ein Meisterkonzert waren betroffen. Nach fast fünf Stunden, gegen 21.10 Uhr, stürmten Spezialkräfte die Apotheke und beendeten die Geiselnahme.

Geiselnehmer handelte wohl alleine

Der mutmaßliche Täter wurde überwältigt und festgenommen. Dabei stellten die Beamten die Schreckschusspistole sicher. Der Beschuldigte war kein Unbekannter für die Polizei: Er sei in der Vergangenheit unter anderem wegen Gewalt- und Eigentumsdelikten aufgefallen, sagte ein Polizeisprecher.

Die Ermittler gehen inzwischen davon aus, dass der Mann keinen Komplizen hatte. Der anfängliche Verdacht, er könne eine Mittäterin gehabt haben, habe sich nicht bestätigt: «Der 20-Jährige hat alleine agiert», sagte ein Sprecher. Für die weiteren Ermittlungen hat die Kriminalpolizei Karlsruhe eine zehnköpfige Ermittlungsgruppe eingerichtet.

Hunderte Polizisten im Einsatz

Nach Angaben des Innenministeriums waren bei der Geiselnahme 350 Kräfte im Einsatz – neben Polizisten des Präsidiums Karlsruhe eine Verhandlungsgruppe des Polizeipräsidiums Mannheim, eine Beratergruppe des Landeskriminalamtes und Spezialkräfte.

«Den Menschen, die sich stundenlang in der Gewalt des Geiselnehmers befanden, wünsche ich, dass sie keine psychischen Folgen davontragen werden und das Geschehene schnell verarbeiten können», sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) nach Angaben einer Sprecherin. Er dankte den Einsatzkräften für ihren umsichtigen Einsatz, der Schlimmeres verhindert habe.

Polizei: Stundenlange Ausnahmesituation

Auch der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) wandte sich schon kurz nach dem Einsatz an die Helfer und sagte: «Die Einsatzkräfte haben das Leben der Geiseln geschützt. Es macht mich tief betroffen, dass es in unserer Mitte solch eine Tat gab.» Allen befreiten Geiseln wünsche er, dass sie die schrecklichen Erlebnisse bald hinter sich lassen könnten.

Die Geiseln hätten nach der Rettung umgehend Hilfsangebote bekommen, auch ein Notfallseelsorger sei da gewesen. Ein Polizeisprecher sagte: «Man mag sich nur am Rande vorstellen können, wie es den Menschen geht, die sich über mehrere Stunden in dieser Ausnahmesituation befanden.» dpa/chi