Atomwaffen in Belarus: Wie gefährlich ist Moskaus Plan?

Atomwaffen in Belarus: Wie gefährlich ist Moskaus Plan?

26. März 2023 Aus Von mvp-web
Archiv-Foto: Das von der Pressestelle des Russischen Verteidigungsministeriums am 19.09.2017 zur Verfügung gestellte Foto zeigt den Start einer Iskander-Kurzstreckenrakete bei dem Großmanöver «Sapad», an dem russische und belarussische Truppen gemeinsam teilnehmen. Foto: -/Defense Ministry Press Service/AP/dpa


Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Samstagabend bekannt gegeben, dass sich Russland und Belarus auf die Stationierung taktischer Atomwaffen verständigt haben. Putin verwies darauf, dass auch die USA bei Verbündeten in Europa Atomwaffen stationiert haben.

Die Ausbildung an den Waffen in Belarus soll laut Putin im April beginnen, die Depots für die Atomraketen sollen am 1. Juli fertig sein. In Belarus hatte Machthaber Alexander Lukaschenko, der von Putin abhängig ist, schon vor dem Krieg die Stationierung der Waffen gefordert. Belarus erhielte damit nach der freiwilligen Abgabe seiner Atomwaffen im Anschluss an das Ende der Sowjetunion erstmals seit den 1990ern Jahren wieder nukleare Raketen.

Nato beobachtet Situation genau

Die Nato erklärte am Sonntag, die Allianz sehe keinen Handlungsbedarf mit Blick auf die eigenen Nuklearwaffen. Nach der Ankündigung von Kremlchef Wladimir Putin sei man aber wachsam und beobachte die Situation genau, teilte eine Sprecherin am Sonntag mit. «Wir haben keine Veränderungen in Russlands nuklearer Aufstellung gesehen, die uns veranlassen würden, unsere eigene anzupassen», sagte sie. Russlands nukleare Rhetorik sei gefährlich und verantwortungslos.

Russlands Bezugnahme auf die nukleare Teilhabe der Nato sei irreführend, hieß es von der Nato: «Die Nato-Verbündeten handeln unter voller Einhaltung ihrer internationalen Verpflichtungen», teilte die Sprecherin mit. Russland habe immer wieder gegen seine Rüstungskontrollverpflichtungen verstoßen.

Auswärtigen Amt: «Versuch der nuklearen Einschüchterung»

Im Auswärtigen Amt wies man die Rechtfertigung Putins zurück, dass auch die USA solche Waffen bei ihren europäischen Verbündeten, zum Beispiel in Deutschland, vorhielten. Gewertet wird die Ankündigung als ein weiterer «Versuch der nuklearen Einschüchterung». Die Nato sei auf die Ankündigungen jedoch «längst eingestellt», sagte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: «Nukleare Drohungen gehören seit Beginn des russischen Angriffskriegs zum Repertoire des Kreml.»

Kiew: Putin hat Angst

Der Berater des Präsidentenbüros in Kiew, Mychajlo Podoljak, meinte, Putin gebe mit der Ankündigung zu, dass er Angst habe, seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verlieren. «Putin ist so berechenbar», sagte er zu dessen Nuklearplänen. Zudem bestätige Putin einmal mehr, dass er in Verbrechen verwickelt sei, weil er nun den Vertrag zur Nichtweiterverbreitung atomarer Waffen verletze.

Ukraine fordert Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats

Zugleich verlangt die Ukraine eine sofortige Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zur von Russland geplanten Stationierung taktischer Atomwaffen im Nachbarland Belarus. Die Pläne seien ein «weiterer provokativer Schritt des kriminellen Regimes» von Kremlchef Wladimir Putin, erklärte das Außenministerium am Sonntag in Kiew. Damit würden die Grundsätze des Atomwaffensperrvertrags, die nukleare Abrüstungsarchitektur und das internationale Sicherheitssystem insgesamt untergraben.

Russland gehört zu den Ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats, des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen in New York. An die vier anderen Ständigen Mitglieder – die USA, Großbritannien, Frankreich und China – appellierte die Ukraine, Maßnahmen gegen eine «nukleare Erpressung» zu beschließen. Zudem forderte Kiew die Gruppe der sieben Wirtschaftsmächte (G7) und die Europäische Union auf, Belarus vor den Folgen einer solchen Stationierung zu warnen»

Polen sieht Bedrohung des Friedens in Europa

Auch Polen hat die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin scharf kritisiert. «Wir verurteilen diese Verstärkung der Bedrohung des Friedens in Europa und der Welt», sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Warschau der Agentur PAP zufolge am Sonntag. Belarus ist sowohl Nachbarland Russlands als auch Polens und der Ukraine, die seit mehr als einem Jahr gegen eine Invasion russischer Truppen kämpft.

ICAN: «Extrem gefährliche Eskalation»

Das russische Vorgehen könnte jedoch aus Sicht der Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) zur Katastrophe führen. Putins Plan sei eine «extrem gefährliche Eskalation», warnte die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Organisation in Genf. Bulgariens Vizepräsidentin Ilijana Jotowa rief zu Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien Russland und der Ukraine auf. Die Lage werde «immer gefährlicher und furchterregender», sagte Jotowa in Sofia.

Litauen reagiert gelassen

Dagegen hat Litauens Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas gelassen auf die vom Kreml angekündigte Verlegung russischer Atomwaffen in das benachbarte Belarus reagiert. Damit ziele Russlands Präsident Wladimir Putin darauf ab, die Länder einzuschüchtern, die die Ukraine unterstützen, schrieb Anusauskas am Sonntag auf Facebook. Nach Ansicht des Ministers des baltischen EU- und Nato-Landes sollte es keine besondere Reaktion auf die russischen Pläne geben.

«Die Verteidigung eines Nato-Landes gegen die Bedrohung durch Atomwaffen ist gewährleistet, unabhängig davon, ob diese Waffen westlich unserer Grenzen (Gebiet Kaliningrad), östlich (Belarus) oder nördlich (Gebiet Leningrad) stationiert sind», schrieb Anusauskas. Litauen grenzt an die russische Exklave Kaliningrad sowie an Russlands Verbündeten Belarus.

Dies zeige nur Putins Befürchtungen vor einer Verstärkung der Nato-Streitkräfte an deren Ostflanke angesichts seines im Februar 2022 begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine, schrieb Anusauskas. dpa/gut