Eine Studie stellt den Abgeordneten in Sachen Verständlichkeit ein durchwachsenes Zeugnis aus. Statt klarer Sprache wimmelt es in Bundestagsreden vor Fremdwörtern und Fachchinesisch, wie eine Studie der Universität Hohenheim nun konstatierte.
96 Reden von Abgeordneten analysiert
Zwar sind die Forscherinnen und Forscher im Großen und Ganzen zufrieden mit den Reden. So sind sie etwa verständlicher als die der Dax-Vorstände auf ihren Hauptversammlungen, wie Co-Autor Frank Brettschneider sagte. Für die Studie wurden 96 Reden aus der Haushaltsdebatte vom vergangenen September auf Verständlichkeit analysiert.
«Fremdwörter und Fachwörter, Wortkomposita und Nominalisierungen, Anglizismen und „Denglisch“, lange Sätze – all das erschwert die Verständlichkeit», sagte Co-Autorin Claudia Thoms.
Im Kabinett redeten Stark-Watzinger (FDP) und Lauterbach (SPD) am verständlichsten
Aus derlei Kriterien entwickelten Brettschneider und sein Team den sogenannten Verständlichkeitsindex. Demnach hielt die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch die verständlichste Rede – mit 19,5 von 20 möglichen Punkten. Aus dem Kabinett schnitten die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am besten ab. Die wenigsten Punkte erreichte mit 7,9 die Rede der CDU-Politikerin Kerstin Vieregge. Zum Vergleich: Doktorarbeiten der Politikwissenschaft kommen im Schnitt auf 4,3 Zähler.
Immer mehr «Denglisch»
Es gibt einen Trend, den das Team beklagt: immer mehr «Denglisch», also das Mischen von deutscher und englischer Sprache. Von «Gamechanger-Instrumenten» ist da die Rede oder vom «out-of-the-box-denken». Das Englische sickert immer tiefer ins Deutsche ein, wie auch die Neuaufnahmen von Wörtern im Duden zeigen. Derlei Anglizismen könnten in der politischen Debatte dazu dienen, sich und seiner Partei einen modernen Anstrich zu verleihen, sagte Marcus Maurer, Professor für politische Kommunikation an der Universität Mainz.
Klima im Parlament wird «rauer»
«Die Reden richten sich an die Öffentlichkeit, allerdings stehen dazwischen die Medien», sagte Maurer. In deren Berichterstattung müssten sie mit ihren Reden vordringen. «Und die Abgeordneten haben Erfahrung damit, was man sagen muss, um am Abend in den Tagesthemen vorzukommen», sagte Maurer. Zu emotionalisieren oder den politischen Gegner zu attackieren, das gehört ihm zufolge zu den bewährten Methoden. «Studien zeigen, dass das Klima rauer wird im Parlament».
Wie verständlich die Debatten im Bundestag sind, hängt Maurer zufolge auch von ihrer Art ab. Über Fachdebatten zum Beispiel werde kaum berichtet, weshalb sich Abgeordnete weniger um ihre Verständlichkeit bemühen müssten. «Bei der Generaldebatte ist die Verständlichkeit vermutlich hoch, allerdings geht es da weniger um die Sache als um den Schlagabtausch», sagte Maurer. dpa/fsi