Weihnachten – Jesu Geburt. Ostern – erst Tod, dann Auferstehung. Selbst kirchenferne Menschen haben zu diesen hohen Festen noch rudimentäres Wissen. Bei Pfingsten aber hört es auf. Und wird kompliziert: Der Heilige Geist, so steht es in der Apostelgeschichte, kam herab auf die verängstigten Jünger Jesu und machte sie mutig und stark. Wer oder was ist also der Heilige Geist, dem man – verkürzt betrachtet – ein langes Wochenende mit Feiertag am Montag oder in manchen Bundesländern sogar Pfingstferien verdankt?
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Ein Theologie-Professor erklärt es
Die Antwort kann Jörg Lauster geben. Der Professor für evangelische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München hat nichts Geringeres als eine Biografie über den Heiligen Geist geschrieben. «Er ist eine theologische Figur, um die Gegenwart Gottes in der Welt zu bezeichnen. An ihr hat sich die Redeweise vom Heiligen Geist ausgebildet: Das Göttliche ist in der Welt gegenwärtig als Geist.»
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Pfingsten habe nicht das Standing wie Ostern oder Weihnachten, sagt Lauster. «Dennoch war es für das frühe Christentum sehr wichtig. 50 Tage nach Ostern zeigt Pfingsten: Es geht weiter, was mit Jesus Christus angefangen hat.» Mit Christi Himmelfahrt verschwinde Gott nicht wieder aus der Welt. Die Trinitätslehre des Christentums sei nicht einfach zu verstehen. Dennoch müsse man das Christentum dafür bewundern, dass es darum gerungen habe, die Besonderheit seiner Gotteserfahrung gedanklich zu erfassen: «Gott ist in Jesus Christus als Person erschienen, er ist als Geist gegenwärtig und hinter alldem steht das Mysterium des Vaters. Das ist die großartige Leistung der Trinitätslehre.»
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Ein Gott, aber drei Gestalten …
In der christlichen Praxis hat das Thema einen festen Platz – Segensformeln und Kreuzzeichen erfolgen «im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes». Auch getauft werden Christen mit dieser Formel. Was die Komplexität natürlich nicht schmälert. Kirchenväter, Konzile, Theologen, Philosophen haben sich daran abgearbeitet. Und jeder, der sich ernsthaft mit dem christlichen Glauben beschäftigt, gerät mutmaßlich gedanklich ins Straucheln: Ein Gott, drei Gestalten. Puh.
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… und eine Taube
Die Texte der hebräischen Bibel, auf die sich das Christentum bezieht, seien die ersten, die die Gegenwart Gottes als Geist bezeichnen, sagt Lauster: Am Anfang schwebt der Geist über dem Wasser. Zudem kenne das Alte Testament Erzählungen, in denen der göttliche Geist in Menschen wirkt, «in Propheten, aber auch in Kriegern – eine für uns etwas unheimliche Vorstellung». Im Christentum schließlich falle alles in einem Punkt zusammen: «In ganz besonderer Weise wirkt der Geist in Jesus Christus. Nicht umsonst wird die Taufe im Neuen Testament so beschrieben, dass der Heilige Geist in Form einer Taube auf Jesus herabkommt: ein großer Mythos, ein großes Bild.»
Die Taube ist in der christlichen Kunst das gängigste Motiv, um den Heiligen Geist darzustellen. Sie schwebt über Kanzeln, ist zuweilen auf Taufbecken zu sehen und natürlich auf Altären und Deckenmalereien in den Kirchen. Die Dreifaltigkeit sei mit Gott als die Person des Vaters, Jesus als die des Sohnes und mit dem Heiligen Geist als Taube als Bildthema bis in die Neuzeit tradiert worden, schreibt Martina Außermeier, Kunst-Expertin im Erzbischöflichen Ordinariat München-Freising, in einem Beitrag. Ein anderes Bild ist das Feuer – und die Redewendung «Feuer und Flamme für etwas sein» bezieht sich auf nichts weniger als das Pfingstereignis, das aus traurigen Jüngern mutige Botschafter des Glaubens machte.
Katholiken und Evangelen über den Heiligen Geist
Und was sagen eigentlich die beiden großen in Deutschland präsenten Kirchen über den Heiligen Geist? Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist der Heilige Geist «die Kraft Gottes, die Christen über sich hinauswachsen lässt». Im Katechismus der katholischen Kirche heißt es: «Der Geist ist unsichtbar, aber wir erkennen ihn durch sein Handeln, wenn er uns das Wort offenbart und wenn er in der Kirche wirkt.»
Die katholische Lehre sei bis heute davon getragen, dass Gott sich verlässlich als Geist an die Kirche binde, sagt Lauster. Das könne man problemlos ökumenisch anerkennen. Jedoch: «Der Geist ist gegenwärtig in der Kirche, er ist aber kein Besitz der Kirche.» Und der Geist wirke auch nicht nur in der Kirche. «Das Gegenteil von Geistesgegenwart ist Banalität und Langeweile. Und ich denke, da könnte man in spannende Gespräche mit unseren Zeitgenossen kommen. Denn Banalität und Langeweile will niemand.»