Nationale Sicherheitsstrategie Wie sich Deutschland schützen will
14. Juni 2023Nach langem Ringen hat Deutschland erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie. Darin führt die Bundesregierung aus, wie sie auf äußere und innere Bedrohungen reagieren will. Zur Vorstellung erschien der Kanzler mit vier Kabinettsmitgliedern.
Deutschland hat erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie. Die Bundesregierung präsentierte in Berlin das mehr als 40 Seiten starke Papier, um das in der Koalition zuvor monatelang gerungen worden war.
Eine „ungewöhnliche und wichtige Entscheidung“, nannte Bundeskanzler Olaf Scholz die vom Kabinett beschlossene Strategie. Es bleibe die zentrale Aufgabe des Staates, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen, sagte er. Der Kanzler stellte das Papier zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock, Innenministerin Nancy Faeser, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Finanzminister Christian Lindner vor.
„Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit, keine Stabilität und auch keinen Wohlstand“, unterstrich der Kanzler die Bedeutung der Herausforderung. Zentral für die sicherheitspolitische Identität Deutschlands bleibe dabei „die Verankerung in der Europäischen Union und im transatlantischen Bündnis“. Konkret nannte Scholz auch „unsere tiefe Freundschaft mit Frankreich und unsere enge Partnerschaft mit den USA“.
Ein „besonderer Tag“ für Baerbock
Außenministerin Baerbock sprach von einem „besonderen Tag“ und betonte, dass der Sicherheitsbegriff alle Lebensbereiche betreffe. Dabei gehe es sowohl um äußere Bedrohungen, als auch um Cybersicherheit, Medikamente oder sauberes Trinkwasser. Die Strategie werde „nur funktionieren, wenn wir sie europäisch und transatlantisch verankern“, betonte Baerbock. „Denn das macht uns stark.“
Finanzminister Lindner sprach von einem schönen Erfolg für die Bundesregierung. Die Sicherheit Deutschlands brauche eine „360-Grad-Perspektive“, dazu müssten alle Ressorts ihren Beitrag leisten.
Ursprünglich sollte die Sicherheitsstrategie schon im Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt werden, wo sich jedes Jahr viele Hundert Regierungsvertreter, Experten und Journalisten aus aller Welt versammeln. Zu diesem Termin konnte sich die Ampel jedoch noch nicht auf alle Formulierungen und Inhalte einigen.
Alle Bedrohungen gemeinsam betrachten
Die Grundidee der Strategie ist, erstmals alle inneren und äußeren Bedrohungen für die Sicherheit Deutschlands zu berücksichtigen – also neben der militärischen Bedrohung auch Cyber-Attacken, mögliche Anschläge auf kritische Infrastruktur oder auch den Klimawandel. Politik der Integrierten Sicherheit nennt das die Bundesregierung in der Strategie. Konkret verpflichtet sich Deutschland unter anderem darauf, künftig das 2-Prozent-Ziel der NATO bei den Verteidigungsausgaben einzuhalten oder Nahrungs- und Energiereserven für den Notfall anzulegen.
Um künftig besser gegen Desinformation und andere Formen ausländischer Einflussnahme gewappnet zu sein, strebt die Bundesregierung bei Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischem Abschirmdienst Verbesserungen an. Die Nationale Sicherheitsstrategie werde darauf abzielen, ihre Fähigkeiten zur Erkennung, Analyse und Abwehr solcher Bedrohungen auszubauen und die Instrumente zur Reaktion weiterzuentwickeln. „Dazu gehört auch die Stärkung der Analysefähigkeit unserer Nachrichtendienste“, wird in dem Papier betont.
Geplant sei auch eine Strategie speziell zum Umgang mit Desinformation. Dabei gehe es unter anderem darum, „die Instrumente der Früherkennung von manipulativer Kommunikation im Informationsraum auszubauen“.
FDP wirbt weiter für Nationalen Sicherheitsrat
Die FDP hatte sich außerdem für die Einsetzung eines Nationalen Sicherheitsrats eingesetzt. Dies ist nun jedoch nicht mehr vorgesehen. Das Auswärtige Amt fürchtete, an Einfluss zu verlieren, wenn das Kanzleramt die Federführung in dem Gremium übernimmt. Am Ende entschied man sich dafür, alles so zu lassen, wie es ist.
Im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF kritisierte FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann den Verzicht. Eine zentrale Schaltstelle bei großen Krisen sei wichtig. „Wir freien Demokraten werden nun mit Nachdruck daran arbeiten, dass solch ein dringend notwendiger Sicherheitsrat Eingang in die Nationale Sicherheitsstrategie findet.“
Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, äußerte Zweifel an der Umsetzung der Nationalen Sicherheitsstrategie. „Der entscheidende und der schwierigste Punkt ist regelmäßig nicht die Erarbeitung eines Dokuments, sondern seine Umsetzung“, sagte Ischinger im Deutschlandfunk. In einer Dreierkoalition wie jetzt im Bund werde eine gemeinsame Umsetzung „vermutlich auf der Strecke bleiben“.