Krieg Tag 493 So 02.07.2023 ++ Polen verstärkt Grenzschutz zu Belarus ++
2. Juli 2023Polen will 500 zusätzliche Polizeikräfte an die Grenze zu Belarus schicken. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer warnt davor, den Weg zu russischem Gas auf Dauer zu versperren.
- Polen verstärkt Grenzschutz zu Belarus
- Kretschmer: Weg zu russischem Gas nicht auf Dauer versperren
- Erneuter Luftangriff auf Kiew
- Selenskyj: Politik in Europa wird nicht mehr ohne Ukraine gedacht
12:21 Uhr
Prigoschin-Medienkonzern geschlossen
Der vom russischen Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin kontrollierte Medienkonzern soll nach Angaben des Direktors eines seiner Tochterunternehmen geschlossen werden. „Ich gebe unsere Entscheidung bekannt, zu schließen und den Informationsraum des Landes zu verlassen“, sagte der Chef von RIA FAN, Jewgeni Subarew, in einem am späten Samstagabend verbreiteten Video. Einen Grund nannte er nicht.
Er äußerte sich eine Woche nach der von Prigoschin befohlenen kurzen Meuterei der Wagner-Söldner. Prigoschin hat nicht nur diese Privatarmee gegründet. Zu seinem Firmenkonglomerat gehört auch der Medienkonzern Patriot Media, dessen bekanntestes Medium die Nachrichtenseite RIA FAN ist. Die gescheiterte Söldner-Rebellion stellt nun das Schicksal von Prigoschins gesamtem Firmennetz infrage.
Patriot Media hatte lange eine stark nationalistische redaktionelle Haltung eingenommen und den russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützt.
11:55 Uhr
Polizisten sollen polnisch-belarusische Grenze schützen
Wegen der Wagner-Söldner im Nachbarland Belarus schickt Polen 500 zusätzliche Polizeikräfte an die Grenze. Das kündigte Innenminister Mariusz Kaminski auf Twitter an. Sie würden die bereits eingesetzten 5000 Grenzschützer und 2000 Soldaten an der 418 Kilometer langen Grenze verstärken. Bereits am Freitag hatte die Regierung angekündigt, die stationierten uniformierten Kräfte aufstocken zu wollen.
10:28 Uhr
London: Russische Luftfahrt leidet unter Krieg
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat nach britischer Einschätzung den russischen Luft- und Raumfahrtsektor schwer getroffen. „Die Branche leidet unter internationalen Sanktionen“, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. „Hoch qualifizierte Experten werden ermutigt, als Infanterie in der Miliz der Raumfahrtbehörde Roskosmos zu dienen.“ Zudem sei der Chef der russischen Luft- und Weltraumkräfte, General Sergej Surowikin, seit der Meuterei der Privatarmee Wagner nicht mehr öffentlich gesehen worden. Er sei für Wagner ein Verbindungsmann mit dem Verteidigungsministerium gewesen.
Russland hatte zuvor die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung MAKS abgesagt, die Ende Juli stattfinden sollte. Grund seien Sicherheitsbedenken nach Drohnenangriffen innerhalb Russlands, mutmaßte das britische Verteidigungsministerium. „Die Organisatoren waren sich höchstwahrscheinlich auch der Gefahr eines Reputationsschadens bewusst, wenn weniger internationale Delegationen teilnehmen“, hieß es weiter. Die Funkstörungen, die einen potenziellen Drohnenangriff abwehren sollen, machen aber die traditionellen Flugshows der MAKS unmöglich, einer der größten Luft- und Raumfahrtausstellungen weltweit.
Kretschmer: Weg zu russischem Gas nicht auf Dauer versperren
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer dringt auf eine diplomatische Lösung für die Ukraine und will den Weg zu russischem Gas nicht auf Dauer versperrt sehen. „Wir müssen viel stärker auf Diplomatie setzen, um den Ukraine-Krieg zu beenden“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Ein großer Teil der Menschen sei für eine diplomatische Lösung. „Und ich erwarte, dass die Bundesregierung sich dafür öffnet.“
Zudem wolle er den Satz „Nie wieder Russland“ nicht mehr hören. Die Energiewende in Deutschland erklärte er für gescheitert und beklagte eine extreme Verteuerung der Energiepreise. Es müsse alles getan werden, um die Preise zu senken. „Notwendig wäre, neu über alles nachzudenken: Atomkraft, Kohleausstieg, heimisches Gas, Nord Stream 1, den Ausbau der Erneuerbaren – es gibt viele Möglichkeiten, zu einem Kompromiss zu kommen.“
CIA: Krieg hat „zersetzende“ Wirkung auf russische Führung
Der Ukraine-Krieg hat nach Einschätzung des US-Auslandsgeheimdienstes eine „zersetzende“ Wirkung auf die russische Führung unter Präsident Wladimir Putin. Die Enttäuschung in Russland über den Krieg biete der CIA neue Möglichkeiten, Geheimdienstinformationen zu sammeln, sagte CIA-Direktor William Burns laut BBC auf der jährlichen Vorlesung der Ditchley Stiftung in der englischen Grafschaft Oxfordshire am Samstag – eine Woche nach der gescheiterten Revolte der Söldnergruppe Wagner in Russland.
„Diese Unzufriedenheit schafft eine einmalige Gelegenheit für uns bei der CIA“, sagte Burns mit Blick auf die Rekrutierung von Agenten. „Wir werden diese Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen.“ Burns sagte, die Aktionen von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin seien „eine lebhafte Erinnerung an die zersetzende Wirkung von Putins Krieg auf seine eigene Gesellschaft und sein eigenes Regime.“
Prigoschins Handlungen und Äußerungen würden noch einige Zeit nachwirken. „Die Enttäuschung über den Krieg wird weiterhin an der russischen Führung nagen.“
Erneuter Luftangriff auf Kiew
Die ukrainische Luftabwehr hat in der Nacht nach eigenen Angaben den ersten russischen Drohnenangriff auf die Hauptstadt Kiew seit zwölf Tagen abgewehrt. Die Luftabwehr habe vorläufigen Erkenntnissen zufolge alle Ziele getroffen.
„Ein weiterer Angriff auf Kiew“, schrieb der Militärverwaltungschef von Kiew, Serhij Popko, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. „Zurzeit gibt es keine Informationen über mögliche Opfer oder Schäden.“ Die Angaben ließen sich unabhängig nicht überprüfen. Für Kiew, seine Umgebung und eine Reihe von Regionen in der Zentral- und Ostukraine waren in der Nacht für etwa eine Stunde Luftangriffswarnungen ausgegeben worden.
Kuleba: Minenfelder und Lufthoheit der Russen sind größte Probleme
Die russische Lufthoheit und Minenfelder stellen nach Ansicht des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba die größten Probleme für die ukrainischen Truppen bei ihrer Gegenoffensive dar. Unter Einsatz ihres Lebens müssten die ukrainischen Soldaten am Tag manchmal 200 oder 300 Meter durch ein Minenfeld robben, um das Gelände für die vorrückenden Truppen zu räumen, sagte Kuleba in Kiew in einem Interview von „Bild“, „Welt“ und „Politico“.
Die mit Beton, Stahl und anderen Materialien verstärkten Befestigungen der Russen seien schwer zu zerstören. Darüber hinaus würden die Streitkräfte sehr darunter leiden, „dass uns Anti-Luft-, Anti-Hubschrauber- und Anti-Flugzeug-Waffen am Boden fehlen“, sagte Kuleba weiter. Mit dem Einsatz von Kampfhubschraubern und Kampfflugzeugen sei es den Russen gelungen, „unsere Gegenoffensivkräfte zu treffen“.
Selenskyj: Politik in Europa wird nicht mehr ohne Ukraine gedacht
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich zuversichtlich zur europäischen Zukunft seines Landes geäußert. Es sei schon immer unmöglich gewesen, sich ein „gemeinsames Haus Europa“ ohne die Ukraine vorzustellen, doch nun habe Kiew erreicht, dass auch auf politischer Ebene Europa-Angelegenheiten nicht mehr ohne die Ukraine gedacht würden, sagte er in seiner täglichen Videoansprache.
Der Besuch von Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez am ersten Tag der spanischen EU-Ratspräsidentschaft sei diesbezüglich eine wichtige Geste gewesen, fügte er hinzu. Er bedankte sich bei Madrid für die politische, wirtschaftliche und militärische Hilfe sowie die Aufnahme von Flüchtlingen. Er sei aber zuversichtlich, dass diese bald in die Heimat zurückkehren könnten, wenn es dort wieder sicher sei.
Teil dieser Sicherheit sei der von Kiew angestrebte NATO-Beitritt der Ukraine. Er danke Spanien für seine Unterstützung der ukrainischen NATO-Ambitionen, sagte Selenskyj.
Der ukrainische Staatschef hielt seine Ansprache im Nordwesten des Landes am Atomkraftwerk Riwne. Dort habe er eine Lagebesprechung mit militärischen und politischen Entscheidungsträgern unter anderem zur Sicherheit von Atomkraftwerken gehabt, sagte Selenskyj. Kiew hat Moskau in den vergangenen Wochen mehrfach vorgeworfen, einen atomaren Zwischenfall im von Russen besetzten Kernkraftwerk Saporischschja zu provozieren. Russland weist diese Anschuldigungen zurück.