Bundesländer zu neuem Lockdown Die ersten Länder suchen nach „Spielräumen“
6. Januar 2021
Kaum ist die nächste Lockdownstufe beschlossen, da loten die ersten Bundesländer schon wieder Spielräume aus. Bei den Themen Schulschließungen und Bewegungsbeschränkungen hadern die Länderchefs offenbar besonders.
Nach dem Beschluss von Bund und Ländern, den Lockdown in Deutschland zu verlängern und zu verschärfen, rücken einige Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten offenbar wieder von Beschränkungen ab.
So sollen Schülerinnen und Schüler aus den Abschlussklassen Mecklenburg-Vorpommerns nach Worten von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig in der kommenden Woche wieder zur Schule gehen können. Dazu zählen die Klassen 10, 12 und Berufsschüler, erklärte Schwesig nach den Beratungen von Bund und Ländern.
Schwesig stellte zudem die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts für Grundschüler vom 18. Januar an in Aussicht, die in Gebieten mit weniger als 50 Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche leben. Dazu zählen derzeit die Stadt Rostock und der Landkreis Rostock. Wie eine konkrete Umsetzung, etwa der Klassengrößen, aussehen könnte, ist noch unklar.
Präsenzunterricht für Abschlussklassen in MV und Niedersachsen
In dem Beschluss von Bund und Ländern heißt es, „der Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen“ habe „die höchste Bedeutung für die Bildung der Kinder und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Eltern. Dennoch müssen die von den Ländern ergriffenen Maßnahmen auch in diesem Bereich entsprechend des Beschlusses vom 13. Dezember 2020 bis Ende Januar verlängert werden.“
Nach dem besagten Beschluss aus dem Dezember konnten die Länder bereits Abschlussklassen vom Lockdown ausnehmen. Auf diese Regelung nehmen mehrere Länder nun offenbar Bezug. Dort hieß es aber auch, dass Schulen „grundsätzlich geschlossen“ werden.
Auch Niedersachsen kündigte an, für Abschlussklassen gesonderte Regelungen zu finden. Zwar werden der Schulunterricht und die Kinderbetreuung hier zunächst bis Ende Januar stark eingeschränkt. Aber die Abschlussklassen sollen zurück in die Schulen kehren, sagte Ministerpräsident Stephan Weil. Für Grundschulen gibt es demnach in der ersten Woche nach den Ferien Homeschooling, danach Unterricht im Wechselmodell mit geteilten Klassen. Die Kinderbetreuung in den Tagesstätten werde auf eine Notbetreuung mit einem auf 50 Prozent reduzierten Angebot umgestellt.
Baden-Württemberg erwägt Öffnung von Kitas und Grundschulen
Neben Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen kamen auch aus Baden-Württemberg bereits Signale in Richtung einer Schulöffnung zum 18. Januar. Ministerpräsident Winfried Kretschmann kündigte eine eventuelle Öffnung von Grundschulen und Kitas zu diesem Zeitpunkt im Land an. Die Öffnung sei das Ziel, wenn es mit Blick auf die Corona-Infektionszahlen vertretbar sei, sagte der Grünen-Politiker. Für die Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen werde es im Januar hingegen nur Fernunterricht geben.
Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, sie wolle Grundschulen in ihrem Bundesland bereits ab dem 18. Januar flächendeckend öffnen. Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz ermögliche es, dass Unterricht in der Schule vor Ort, aber ohne Präsenzpflicht stattfinden könne. Die CDU-Politikerin sagte, „dass die älteren Schülerinnen und Schüler an den weiterführenden und den beruflichen Schulen vorerst Fernunterricht haben sollen, ist nachvollziehbar und vertretbar. Alle Schulen – auch die Grundschulen – und Kitas über weitere Wochen komplett geschlossen zu halten, hielte ich jedoch für einen Fehler.“
Zuvor hatte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Britta Ernst, gesagt, die Corona-Vereinbarungen von Bund und Ländern böten Spielräume für die Frage des Umgangs mit Schulen. „Die KMK hat sich Montag einmütig dafür ausgesprochen, dass in den Bundesländern, in denen es das Infektionsgeschehen erlaubt, in einer ersten Stufe die Grundschulen zum Präsenzunterricht zurückkehren können“, teilte die Brandenburger Bildungsministerin mit. Das finde sich im Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern nicht explizit wieder. „Der Beschluss bietet jedoch Spielräume, die in den Ländern entsprechend genutzt werden können.“ Die Kultusministerinnen und Kultusminister sähen sich als Anwälte für gute Bildung in Deutschland, für die jede Unterrichtsstunde zähle, sagte Ernst.
Kein Präsenzunterricht bis Ende Januar im Saarland
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte, er wolle heute mit seinem Kabinett über die Schulen beraten. In seinem Bundesland sollten die Kitas weiter betrieben werden, so der CDU-Politiker. Bei Grundschulen habe er viel Sympathie für die Überlegung, diese wie die Kitas zu behandeln – es spreche aber auch viel dafür, hier bundesweit einheitlich vorzugehen. Die weitergehenden Schulen sollten mit Ausnahme der Abschlussklassen geschlossen bleiben.
Anders positionierten sich hingegen die Länderchefs des Saarlands sowie Schleswig-Holsteins. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans erklärte, „definitiv“ werde es an den Schulen im Januar keinen Präsenzunterricht mehr geben. „Im Rahmen der nächsten Konferenz soll über einen Stufenplan zur sukzessiven Öffnung der Schulen beraten werden.“ Die nächste Konferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am 25. Januar.
Die Landesregierung in Schleswig-Holstein kündigte ebenfalls an, den Lockdown an Schulen und Kitas bis Ende Januar verlängern. „Das heißt: Präsenzunterricht wird in den Schulen auch bis Ende Januar nicht stattfinden können“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther . Das gelte für alle schulischen Bereiche, so der CDU-Politiker. Es werde weiter lediglich eine Notbetreuung geben. Möglichkeiten für Unterricht in den Schulen soll es im Norden vorerst nur für Abschlussklassen geben.
Weil hadert mit Bewegungsradius
Auch in der Diskussion um einen eingeschränkten Bewegungsradius in den Corona-Hotspots rücken bereits einige Länderchefs wieder vom Beschlusspapier ab. Niedersachsens Ministerpräsident Weil kündigte an, dass das Land die beschlossene Beschränkung der Bewegungsfreiheit in Hotspots nicht ohne weiteres umsetzen werde. Nötig sei eine gesonderte Begründung zur Verhältnismäßigkeit, wie sie das Oberverwaltungsgericht bereits bei anderen Einschränkungen angemahnt hat, sagte der SPD-Politiker. „Das ist für uns Teil des Prüfprogramms, ob und wann die Regelung zur Anwendung kommt, am liebsten gar nicht.“ Sowohl bei der Einführung einer Sperrstunde als auch beim Böllerverbot habe das Gericht eine triftige Begründung verlangt, der bloße Verweis auf die Bund-Länder-Beschlüsse habe den Richtern nicht gereicht, erklärte Weil.
Der Passus zu den Bewegungseinschränkungen ist in dem Beschlusspapier von Bund und Ländern allerdings – im Gegensatz zu dem die Schulschließungen betreffend – recht eindeutig formuliert. Wörtlich heißt es: „In Landkreisen mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern werden die Länder weitere lokale Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz ergreifen, insbesondere zur Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 km um den Wohnort, sofern kein triftiger Grund vorliegt.“ In Niedersachsen gibt es derzeit allerdings keinen Landkreis, in dem die Sieben-Tage-Inzidenz an 200 heranreicht.
Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann erklärte, angesichts fehlender belastbarer Zahlen zum aktuellen Zeitpunkt sei eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit zunächst nicht geplant. „Wir müssen erstmal zu belastbaren Werten nächste Woche kommen, um darüber zu entscheiden.“ Zuletzt lag die Zahl nur in zwei Kreisen im Südwesten knapp über 200, in zwei weiteren knapp darunter. In der kommenden Woche will die grün-schwarze Landesregierung auf Basis neuer Zahlen auch entscheiden, ob Kitas und Grundschulen ab 18. Januar öffnen dürfen.
Thüringen und Sachsen ziehen Winterferien vor
Thüringen und Sachsen werden wegen der Corona-Pandemie die Winterferien vorziehen – und in Sachsen werden sie auf eine Woche verkürzt. Das haben Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) und Kultusminister Christian Piwarz (CDU) mitgeteilt. Thüringen zieht seine Winterferien von Februar auf die letzte Januarwoche vor. Statt wie geplant am 8. Februar sollen sie bereits am 25. Januar beginnen. Damit fallen die Ferien in die Zeit des verlängerten Lockdowns, in dem es keinen Präsenzunterricht geben soll.
In Sachsen wird eine der normalerweise zwei Ferienwochen auf die erste Februarwoche vorgezogen. Sie soll als „Verschnaufpause“ für Schüler, Eltern und Lehrer dienen, erklärte Piwarz. Die zweite Ferienwoche soll dann in der Karwoche vor Ostern nachgeholt werden.