Irre Schlussphase Erst Popp, dann Schock – Deutschland verliert gegen Kolumbien
30. Juli 2023Wie bitter! Deutschland hat das zweite Gruppenspiel bei der Frauen-WM in Australien und Neuseeland in der letzten Sekunde verloren. Kolumbien gewann am Sonntag (30.07.2023) mit 2:1 (0:0) und macht die Gruppe H damit sehr spannend.
Es war eine unfassbare Schlussphase in Sydney, in der die deutsche Mannschaft durch ein Wechselbad der Gefühle ging. Nach der Führung durch Kolumbiens Starspielerin Linda Caicedo hatte Alexandra Popp mit einem späten Elfmetertor (89.) ausgeglichen. Der Jubel verstummte, als Kolumbiens Manuela Vanegas in der letzten Minute der Nachspielzeit nach einer Ecke zum 2:1 traf. Für die deutsche Mannschaft war es die erste Pleite in einem WM-Gruppenspiel seit 1995.
Deutschland verpasste gegen die „Caféteras“ – Zweiter der Südamerika-Meisterschaft – die große Chance auf einen vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale. Die K.o.-Runde wäre mit einem Sieg perfekt gewesen, weil Marokko überraschend gegen Südkorea gewonnen hatte. Durch die Niederlage ist in der Gruppe H nun wieder alles offen. Deutschland trifft im letzten Gruppenspiel auf Südkorea (Donnerstag, 3. August, 12 Uhr MESZ).
Mittelfeld-Ass Oberdorf kehrt zurück
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg musste im zweiten Gruppenspiel in der Abwehr improvisieren, weil Linksverteidigerin Felicitas Rauch vom VfL Wolfsburg wegen einer Kniestauchung verletzt passen musste, rückte die international unerfahrene Chantal Hagel in die Mannschaft. Dazu rotierte Melanie Leupolz auf die Bank, weil Mittelfeld-Ass Lena Oberdorf nach überstandener Oberschenkelverhärtung zurückkehrte. Ihre Robustheit, so wusste man schon im Vorfeld, würde gegen Kolumbien vonnöten sein.
Kolumbien giftig und robust
Die raue Gangart der Kolumbianerinnen, das Testspiel vor der WM gegen Irland war nach brutalen Fouls abgebrochen worden, bekam Alexandra Popp früh zu spüren. Im Rücken der Schiedsrichterin Melissa Borjas aus Honduras versetzte ihr Daniela Arias einen Schlag in die Magengegend. Deutschlands Sturm-Ass ging zu Boden und musste behandelt werden. Als sie sich gerade wieder aufgerappelt hatte, bekam sie im Kopfballduell den nächsten Schlag ab. Popp wirkte genervt und die deutschen Spielerinnen doch beeindruckt von der giftigen Spielweise der Nummer 2 aus Südamerika.
Vieles blieb Stückwerk und auch die erste Chance verbuchte Kolumbien. Stürmerin Mayra Ramirez köpfte nach der ersten Ecke sträflich frei am Tor vorbei (8.). Die DFB-Mädels setzten das erste Achtungszeichen erst in der 22. Minute. Lina Magull wurde herrlich von Lena Oberdorf und Jule Brand in Szene gesetzt, traf den Ball freistehend aus acht Metern aber nicht. Der Nachschuss von Oberdorf wurde zur Ecke abgefälscht. Diese Szene hatte eine Hallo-Wach-Wirkung für das deutsche Team, das etwas besser ins Spiel fand, sich allerdings keine klaren Chancen erarbeiten konnte.
Popp vergibt dicke Chance zur Führung
Die Wucht, die Voss-Tecklenburg vor dem Spiel prophezeit hatte, traf Deutschland mit voller Stärke. Die Flügelzange Klara Bühl/Jule Brand kam gegen die emsigen Gäste nicht ins Rollen und in der Mitte wurde Popp von mehreren Bewacherinnen aus dem Spiel genommen. Einmal aber verloren die „Caféteras“ die torgefährlichste Deutsche aus den Augen. In der 43. Minute landete ein abgefälschter Schuss von Magull vor den Füßen der Kapitänin. Popp stand völlig blank, jagte den Ball aber per Direktabnahme aus sechs Metern über den Kasten (43.). Es blieb die beste Chance in der umkämpften und ausgeglichenen ersten Halbzeit.
Doorsoun raus – Verletzungssorgen werden größer
In der Pause musste Deutschland die nächste personelle Hiobsbotschaft verkraften. Sara Doorsoun musste mit einer Muskelverhärtung vom Platz. Die Innenverteidigerin war eigentlich nur als Back-up von Marina Hegering zur WM gereist, als die vor dem Auftaktspiel verletzt ausfiel, war die 31-Jährige zur Stelle. Ihre Verletzung macht die Sorgen in der deutschen Defensive noch größer. Sjoeke Nüsken kam ins Spiel, ist eigentlich Mittelfeldspielerin und musste jetzt in der Innenverteidigung ran.
Die Unordnung in der Defensive nutzte Wunderkind Linda Caicedo. Die 18-Jährige, die in diesem Jahr schon bei der U17- und U20-WM gespielt hatte, schockte Deutschland mit einem Traumtor in der 52. Minute. Die unfassbar talentierte Kolumbianerin, die künftig bei Real Madrid spielt, schlenzte den Ball unhaltbar mit ganz viel Gefühl im Fuß ins lange Eck. Aus der Rauferei in der ersten Halbzeit wurde ein mitreißender Kick, dem Deutschland aber nicht seinen Stempel aufdrücken konnte, weil die Mannschaft von Nelson Abadia, der gesperrt erneut auf der Tribüne saß, bissig und griffig blieb.
Das deutsche Team versuchte, sich zurückzukämpfen und wurde immer dann gefährlich, wenn Oberdorf am Ball war. Die 21-Jährige räumte in der Defensive ab und verbuchte zudem gute Abschlüsse. Was fehlte, war das Glück. So flatterte ihr Schuss aus 14 Metern nur haarscharf am Dreiangel vorbei (65.). Meist fehlte es im deutschen Spiel aber an Genauigkeit. So verpufften viele Chancen schon im Ansatz. Daran änderte zunächst auch die Einwechslung von Lea Schüller für Magull nichts. Während die Deutschen auch Freistöße kläglich vergaben, verpasste Caicedo die Vorentscheidung. Kurz vor dem Ende kam „La Neymar“, wie sich in Kolumbien genannt wird, einen Schritt zu spät.
Erst Popp, dann Schock
Im Gegenzug wurde Oberdorf nach der besten deutschen Kombination von der Torhüterin Catalina Perez abgeräumt. Elfmeter in der 89. Minute. Popp behielt die Nerven und traf zum 1:1. Der Jubel war groß, das Entsetzen nach dem 1:2 größer. Nach einer Ecke stieg Manuela Vanegas völlig unbewacht empor und köpfte gegen die Laufrichtung von Merle Frohms zur Entscheidung ein.