Historisches Aus – Albtraum Südkorea – WM-Turnier für Deutschland vorbei

Historisches Aus – Albtraum Südkorea – WM-Turnier für Deutschland vorbei

3. August 2023 Aus Von mvp-web

Stand: 03.08.2023 16:31 Uhr

Historisches WM-Aus für die DFB-Frauen: Nach den deutschen Männern 2018 stolperten auch die Frauen über Südkorea. Es ist das erste Mal, dass sie die K.o.-Runde einer WM verpassen.

Von Sanny Stephan

Entsetzte Gesichter, leere Blicke, Tränen in den Augen: Die deutschen Fußballerinnen waren nach der WM-Blamage fassunglos. Das 1:1 am Donnertsag (03.08.2023) gegen Südkorea reichte nicht für das Achtelfinale, weil Marokko im Parallelspiel 1:0 gegen Kolumbien gewann.

Die deutschen Nationalspielerinnen Svenja Huth, Sara Doorsoun und Kathri Hendrich (v.l.) sind enttäuscht.

03.08.2023

„Um ehrlich zu sein, ist es noch gar nicht zu begreifen“, sagte die sichtlich geschockte Alexandra Popp im Sportschau-Interview: „Deswegen fällt es mir schwer, dies zu analysieren.“ Von der Galaform der Europameisterschaft im vergangenen Jahr war die Mannschaft mit Ausnahme des Eröffnungsspiels (6:0 gegen Marokko) weit entfernt, das 1:1 war der Tiefpunkt – mit bitteren Konsequenzen: Erstmals in der Geschichte übersteht Deutschland die Vorrunde nicht.

Wir haben gekämpft und alles versucht, am Ende muss man sagen, hat unsere Leistung nicht ausgereicht. Es ist im Endeffekt zu wenig gewesen.

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg

In Brisbane wurde die deutsche Mannschaft vor 39.000 Zuschauern kalt erwischt: So-hyun Cho sorgte mit einem schnellen Tor (6.) für Entsetzen. Erst ein Kopfballtreffer von Popp (42.) brachte neue Hoffnung im Team von Voss-Tecklenburg.

Sicherheit gab das 1:1 aber nicht – dazu fehlte nach der Pause das Glück: Popp traf erst aus Abseitsposition, dann verhinderte die Latte das ersehnte 2:1. Die Kapitänin war die einzige Deutsche, die für Gefahr sorgte – das reichte nicht, um Südkorea zu besiegen.

DFB-Team in der Einzelkritik

Eine Alexandra Popp ist nicht genug

Die deutsche Nationaltorhüterin Merle Frohms pariert einen Schuss.

Merle Frohms – War als einzige Deutsche von Beginn an hellwach, als sie in der dritten Minute die Großchance von Casey Phair vereitelte. Beim 0:1 (6.) aber zu zögerlich. In der 72. Minute hatte sie Glück, als sie sich bei einer Ecke verschätzte, aber der Ball nicht im Tor landete.

Die deutsche Nationalspielerin Svenja Huth

Svenja Huth – Zunächst ebenso fahrig wie viele ihrer Teamkolleginnen. Arbeitete sich dann aber gewohnt emsig in die Partie und setzte diesmal wieder mehr Offensivakzente. Wie bei ihrer guten Flanke auf Bühl (15.) – oder beim 1:1, punktgenau auf Popp. Am Ende kamen von Huth aber auch keine entscheidenden Impulse mehr.

Die deutsche Nationalspielerin Kathrin Hendrich

Kathrin Hendrich – Stand zu Beginn vollkommen neben sich und beim Gegentor zu tief. Dadurch hob sie das Abseits auf. Wirkte auch danach fahrig – ein Unsicherheitsfaktor in der deutschen Defensive. Versuchte, über den Kampf ins Spiel zu finden, aber das gelang ihr nicht.

Die deutsche Nationalspielerin Marina Hegering

Marina Hegering – Das Turnierdebüt hätte einfacher ausfallen können. Brauchte ein wenig, um nach ihrer Verletzungspause ins Spiel zu finden. Dann aber ein Lichtblick im deutschen Spiel – bügelte einige Schnitzer der Kolleginnen mit gutem Stellungsspiel aus und versuchte, auch das Aufbauspiel anzukurbeln.

Die deutsche Nationalspielerin Chantal Hagel

Chantal Hagel – In ihrem zweiten WM-Einsatz war der Aushilfslinksverteidigerin deutlich anzumerken, dass sie normalerweise weiter vorn spielt. Kam in der Defensive einige Male zu spät oder stand nicht gut. Im Aufbauspiel oft am Ball, aber ebenso oft kam der entscheidende Pass eben nicht an.

Die deutsche Nationalspielerin Lena Oberdorf (r.) und Südkoreas So-hyun Cho kämpfen um den Ball.

Lena Oberdorf – Ungewohnt zaghaft in den Zweikämpfen. Wirkte wie ein Fremdkörper im Spiel und riss so ein großes Loch im deutschen Spiel an entscheidender Stelle. Ein Totalausfall, den die deutsche Elf nicht kompensieren konnte.

Die deutsche Nationalspielerin Sara Däbritz

Sara Däbritz – Ihren Ehrentag zum 100. Länderspiel hatte sich die Mittelfeldantreiberin ganz anders vorgestellt. Versuchte, durch längere Ballbesitzphasen ihren Nebenleuten Sicherheit zu geben. Das gelang aber nicht. Bezeichnend: Die Einleitung des Ausgleichs war der Höhepunkt ihres Auftritts. Musste nach gut einer Stunde raus.

Die deutsche Nationalspielerin Jule Brand (r.) und Südkoreas Sel-gi Jang kämpfen um den Ball.

Jule Brand – Suchte verzweifelt nach Räumen neben der hängenden Spitze Popp. Allein, es blieb bei der Suche. Die aggressiven Südkoreanerinnen zogen ihrem Spiel komplett den Zahn. Brands Auswechslung in der 84. Minute für Nicole Anyomi kam zu spät.

Die deutsche Nationalspielerin Klara Bühl (r.) beim Schussversuch

Klara Bühl – Auf ihre Power ist das deutsche Spiel angewiesen. Sie kann ihre Mitspielerinnen glänzen lassen, aber auch selbst gefährlich werden. Gegen Südkorea vergab sie zunächst kläglich (11.), dann einen aussichtsreichen Kopfball (15.). Ihr tolles Solo in der 50. Minute ohne Ertrag stand sinnbildlich für ihre insgesamt schwache Leistung.

Die deutsche Nationalspielerin Lea Schüller in Aktion

Lea Schüller – Viel unterwegs, bemüht, mit ein, zwei guten Aktionen. Unter dem Strich fehlte es aber an brauchbaren Anspielen für sie und auch in der Abstimmung mit den Mitspielerinnen haperte es gewaltig.

Die deutsche Nationalspielerin Alexandra Popp bejubelt einen Treffer.

Alexandra Popp – Hätte das DFB-Team elf Popps gehabt, es wäre wohl etwas geworden mit dem Achtelfinale. Wie immer die Verlässlichkeit in Person: Die Kapitänin trieb ihr Team unermüdlich mit Einsatz und verbal an. Traf per Kopf zum 1:1 (42.), und auch zum vermeintlichen 2:1 (57.). Doch der Treffer wurde wegen Abseits aberkannt. Danach noch mit weiteren Kopfballmöglichkeiten, aber da ohne Glück und Genauigkeit. An ihr lag es nicht.

Die deutsche Nationalspielerin Sydney Lohmann (l.) in Aktion

Sydney Lohmann – Ab der 64. Minute für Bühl im Spiel. Eine tolle Flanke auf Popp, die den Ball aber nicht im Tor unterbrachte. Wollte mit Dribblings etwas bewegen, traf aber oft die falschen Entscheidungen und rannte in das südkoreanische Abwehrbollwerk. Immerhin: Sie versuchte es in der Schlussphase, nahm sich Abschlüsse – nur ohne Erfolg.

Die deutsche Nationalspielerin Lena Lattwein

Lena Lattwein – Ersetzte ab der 64. Minute Däbritz und passte sich nahtlos an die fahrige Leistung der deutschen Elf an. Sie konnte keine Impulse geben.

Kalte Dusche gegen starkes Südkorea

Deutschland setzte im Alles-oder-Nichts-Spiel erstmals bei dieser WM auf eine Doppelspitze: Neben Popp stürmte Lea Schüller (für Lina Magull), dazu kehrte Abwehrchefin Marina Hegering (für die verletzte Sara Doorsoun) nach auskurierter Fersenprellung zurück. Die Wolfsburgerin sollte Stabilität bringen, doch dieser Plan ging in der Anfangsphase komplett schief.

Während die DFB-Elf im Tiefschlaf war, startete Südkorea ausgeschlafen. Nach wenigen Sekunden hatte die 16-jährige Casey Phair die erste dicke Chance. Herrlich freigespielt, scheiterte die jüngste WM-Spielerin allein vor Merle Frohms, die den Ball noch an den Pfosten lenken konnte (2.).

Deutsche Elf lethargisch

War das der entscheidende Wachrüttler? Nein! Die Deutschen blieben lethargisch, Südkorea drehte auf und nutzte die zweite Chance zur Führung: Cho traf (6.) Wieder sah die Abwehr steinalt aus, dazu schnappte die Abseitsfalle nicht zu. So reichte ein Steckpass von So-yun Ji, um So-hyun Cho freizuspielen und die schob cool ins Eck. Das erste Turniertor für Südkorea sorgte für Entsetzen, denn der Blick auf die Blitztabelle zeigte: Deutschland war nur noch Dritter und damit raus aus dem Turnier.

Die deutsche Nationalspielerin Lena Oberdorf ist enttäuscht. | IMAGO / Beautiful Sports

Oberdorf – „Müssen uns selbst hinterfragen“

Sportschau FIFA Frauen WM, 03.08.2023 14:52 Uhr

Popp trifft, wer sonst?

Der Favorit sendete in der zwölften Minute das erste Lebenszeichen: Klara Bühl traf den Ball aus 13 Metern nicht optimal und setzte wenig später auch den Kopfball drüber. Deutschland bemühte sich, verfing sich aber immer wieder im Abwehrnetz der Südkoreanerinnen, die bisher alles andere als furchteinflößende Auftritte hingelegt hatten.

Doch gegen Deutschland lief der Motor so richtig heiß. Der Plan von Trainer und Deutschland-Kenner Colin Bell, der der deutschen Mannschaft einen heißen Tanz angekündigt hatte, ging auf und beeindruckte den zweifachen Weltmeister sichtlich. Trotz deutlich mehr Ballbesitz sprang wenig Gefährliches heraus, weil weder schnell noch genau gespielt wurde.

Nationalspielerin Alexandra Popp ist enttäuscht. | Sebastian Christoph Gollnow/dpa

DFB-Kapitänin Popp – „Kann nicht begreifen, was da passiert ist“

Sportschau FIFA Frauen WM, 03.08.2023 14:52 Uhr

Es brauchte einen genialen Moment, ein Erfolgserlebnis. Und wer sorgte dafür? Kapitänin Popp, wer sonst?! Nach einer Eingabe von Svenja Huth von der rechten Seite schraubte sich der deutsche Leuchtturm empor und köpfte zum erlösenden 1:1 (42.) ein. Es war das 66. Tor im Trikot der Nationalmannschaft für Popp. Deutschland war zurück – im Spiel, aber nicht im Turnier, weil Marokko im Parallelspiel gegen Kolumbien zur Pause mit 1:0 führte.

Erst Abseitstor, dann Latte

Der Ansatz nach dem Wechsel war klar: Mit Flanken die Doppelspitze Schüller/Popp füttern und die Lufthoheit nutzen. Soweit die Theorie, die Umsetzung haperte. Deutschland bekam keine Sicherheit ins Spiel und legte einen völlig fahrigen Auftritt hin.

Erst als Popp den Turbo zündete, waren die Bell-Schützlinge machtlos: Ihren Kopfballtreffer in der 57. Minute konnten sie nicht verhindern, dafür der Videocheck. Bei der Vorlage von Schüller stand Popp im Abseits. Das Tor zählte nicht. Diese Tatsache stachelte die beste Deutsche weiter an: Direkt die nächste Flanke von Huth setzte die wuchtige Mittelstürmerin an die Latte (60.). Die Druckphase wurde nicht mit einem Tor belohnt und so wurde es zunehmend ein Wettlauf mit der Zeit.

Popp einziger Unruheherd

Südkorea blieb laufstark und setzte Nadelstiche: In der 71. Minute rauschte eine Ecke nur knapp am langen Pfosten vorbei, weil Frohms vorbeisegelte. Deutschland fiel weiter nichts ein. Das einzig probate Mittel schienen Flanken auf Popp zu sein. Die Torjägerin war die einzige, die Torgefahr ausstrahlte, Torfrau Jung-mi Kim mit einem wuchtigen Kopfball aber nicht überwinden konnte (74.).

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und die deutsche Nationaltorhüterin Merle Frohms sind enttäuscht.

Auch die viel zitierte Brechstange brachte keinen Erfolg, gefährlich wurde es erst in der Nachspielzeit, als Sydney Lohmann knapp über das Tor schoss und das historisch frühste WM-Aus auch nicht verhindern konnte. Damit geht das Turnier ohne den zweifachen Weltmeister weiter. Ob es für Popp in der Nationalmannschaft weitergeht, ließ die 32-Jährige offen: „Darauf habe ich keine Antwort.“