Spanien erstmals im WM-Endspiel „Gänsehaut“ nach historischem Halbfinal-Erfolg gegen Schweden

Spanien erstmals im WM-Endspiel „Gänsehaut“ nach historischem Halbfinal-Erfolg gegen Schweden

15. August 2023 Aus Von mvp-web

Stand: 15.08.2023 13:11 Uhr

Spanien hat am Dienstag (15.08.2023) in Auckland erstmals das Endspiel einer Frauen-WM erreicht. Im Halbfinale gelang nach einer turbulenten Schlussphase ein knapper 2:1 (0:0)-Erfolg gegen Schweden – auch dank eines „glücklichen Händchens“ von Coach Jorge Vilda.

Von Uli Petersen

Als die brasilianische Schiedsrichterin Edina Alves die Partie um kurz vor 22 Uhr Ortszeit im Eden Park nach drei späten Toren von Salma Paralluelo, Rebecka Blomqvist und Olga Carmona abpfiff, kannte der Jubel bei den Südeuropäerinnen auf der neuseeländischen Nordinsel keine Grenzen mehr. Torhüterin Cata Coll drosch den Ball in die Luft, Abwehr-Routinier Irene Paredes sprang ihr in die Arme, Trainer Vilda und sein Betreuerteam wollten sich gar nicht mehr loslassen – und Paralluelo startete wie der Rest des Teams in Richtung Strafraum, um Siegtorschützin Carmona zu herzen.

Im Endspiel gegen Australien oder England

Der bisher größte Erfolg der spanischen „Selección“ musste gebührend gefeiert werden. „Das ist ein historischer Moment. Ich habe Gänsehaut. Wir wollten unbedingt das Finale erreichen und freuen uns riesig. Das ist ein Erfolg der ganzen Mannschaft“, sagte Nationaltrainer Vilda nach dem ersten Sieg der Südeuropäerinnen überhaupt gegen Schweden im zwölften Anlauf. Nur elf Monate nach einem vom spanischen Verband abgewehrten Aufstand von 15 Nationalspielerinnen gegen den Coach greift Vilda mit seinem Team nun tatsächlich nach dem Titel – der Fußball-Thron ist nur noch einen Sieg entfernt.

„Wir haben eine tolle Mannschaft, die alles kann. Jetzt kommt die letzte große Herausforderung, und wir wollen das Beste geben, um zu gewinnen“, blickte Paralluelo aufs Endspiel voraus. Am Sonntag (20.08.2023, 12 Uhr MESZ, Audiostream und Live-Ticker auf sportschau.de) trifft Spanien in Sydney entweder auf die Co-Gastgeberinnen aus Australien oder die Europameisterinnen aus England, die am Mittwoch (16.08.2023, 12 Uhr MESZ, live im Ersten und auf sportschau.de) das zweite Halbfinale bestreiten.

Turnierbaum mit Spanien im Finale

Carmona lässt Spanien endgültig jubeln

Spanien und Schweden hatten in der WM-Vorrunde und in ihren Achtel- und Viertefinals Spektakel, Drama und viele Tore gezeigt – im Halbfinale gegeneinander geizten sie damit aber 80 Minuten lang. Erst die letzten zehn Minuten plus Nachspielzeit entschädigten für ein zuvor von Taktik geprägtes Spiel, in dem Defensive Trumpf gewesen war. Nachdem mit Paralluelo eine Einwechselspielerin Spanien scheinbar schon ins Finale geschossen hatte (81.), glich die ebenfalls erst spät in die Partie gekommene Blomqvist vom VfL Wolfsburg für Schweden aus (88.). Die Hoffnung der Skandinavierinnen auf eine Verlängerung ließ schließlich Spaniens Kapitänin Carmona mit ihrem Treffer in der 89. Minute endgültig platzen

Schweden verpasst schon wieder ein Endspiel

Schweden verlor – nach 1991, 2011 und 2019 – zum vierten Mal ein WM-Halbfinale. „Ich habe es satt, diese Turnier-Tränen zu vergießen“, meinte Spielführerin Kosovare Asllani. Nur 2003 schaffte es die „Damlandslaget“ ins Endspiel, das sie nach dem Golden Goal von Nia Künzer 1:2 gegen Deutschland verlor. „Das ist gerade echt schwer, wir sind sehr enttäuscht, dass wir es nicht geschafft haben“ – viel mehr brachte Verteidigerin Amanda Ilestedt, die bei der WM vier Tore erzielt hat, am ZDF-Mikrofon nicht hervor. Die Olympia-Silbermedaillen-Gewinnerinnen aus Schweden absolvieren am Samstag (19.08.2023, 10 Uhr MESZ, live im Ersten und auf sportschau.de) das Spiel um Platz drei in Brisbane.

Kein „Tiki-Taka“ vor der Pause

Schnelles Umschalten hatten sich sowohl die Schwedinnen als auch Spanien auf die Fahnen geschrieben, um den Gegner im Halbfinale in Gefahr zu bringen. Zunächst war aber vor allem langsames Abtasten und viel Nervosität im Aufbauspiel zu beobachten. Ein Distanzschuss von Carmona (14.) und ein Kopfball von Schwedens Johanna Rytting Kaneryd aus Abseitsposition (15.) waren die einzig nennenswerten Aktionen aus der Anfangsphase.

Das Pressing der defensivstarken Skandinavierinnen, die zuvor im Turnierverlauf erst zwei Gegentreffer kassiert hatten, funktionierte auch in der Folge gut. Das gefürchtete spanische „Tiki-Taka“-Passspiel kam trotz viel Ballbesitz nicht recht in Schwung. Auch Weltfußballerin Alexia Putellas, die nach dem 2:1 n.V. im Viertelfinale gegen die Niederlande für Esther Gonzalez in die Startelf gerutscht war, wusste daran nichts zu ändern. Die beste Chance im ersten Durchgang ließ Angreiferin Fridolina Rolfö für Schweden aus, deren Schuss Keeperin Coll in ihrem erst dritten Länderspiel stark abwehrte (42.).

Paralluelo rein, Putellas raus

Nach dem Seitenwechsel zeigten die Schwedinnen mehr Zug zum gegnerischen Tor als zuvor, kamen aber nicht in Abschlusspositionen. Da auch die spanische Offensivabteilung lahmte, reagierte Coach Vilda mit einem am Ende entscheidenden Tausch: Mit Paralluelo wechselte er die Siegtorschützin aus der Viertelfinal-Verlängerung für ihre blass gebliebene „Barca“-Teamkollegin Putellas ein (57.). Das Offensivspiel der „Selección“ wurde sofort wesentlich gefährlicher, die 19-Jährige glänzte laufstark als Anspielstation. In der 70. Minute bereitete Paralluelo eine Großchance für Alba Redondo vor, die im Sitzen aus vier Metern allerdings nur das linke Außennetz traf.

Spielszene Spanien gegen Schweden | afp/khan

Drei Tore in zehn Minuten

Nachdem auch Schwedens Coach Peter Gerhardsson zweimal gewechselt hatte (77.), überschlugen sich in der Schlussphase die Ereignisse. Erst brachte Paralluelo einen Abpraller zur 1:0-Führung für Spanien im rechten Eck unter (81.). Danach warf Schweden alles nach vorne und belohnte sich mit dem Ausgleich durch Blomqvist aus der Strafraummitte (88.). Den Schlusspunkt setzten schließlich die Spanierinnen nur 94 Sekunden später: Kapitänin Carmona, die für die gelbgesperrte Oihana Hernandez in die Startelf gerutscht war, überraschte die schwedische Keeperin Zecira Musovic nach einer Ecke mit einem Schlenzer unter die Latte zum 2:1-Siegtreffer (89.).