Prigoschin soll tot sein Was wir über den Absturz wissen – und was nicht

Prigoschin soll tot sein Was wir über den Absturz wissen – und was nicht

24. August 2023 Aus Von mvp-web

Stand: 24.08.2023 09:12 Uhr

Nach Angaben der russischen Luftfahrtbehörde war Wagner-Chef Prigoschin an Bord des in Russland abgestürzten Privatjets. Alle zehn Insassen sollen tot sein. Doch vieles ist noch unklar – auch, ob Prigoschin dabei ums Leben kam.

Was ist passiert?

In der russischen Region Twer ist am Mittwochabend in der Nähe des Dorfes Kuschenkino ein Privatjet abgestürzt. Nach offiziellen Angaben gehört er dem Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin. Das russische Katastrophenschutzministerium meldete, dass sich zehn Menschen an Bord befanden: sieben Fluggäste und drei Besatzungsmitglieder. Laut der Nachrichtenagentur Tass war das Flugzeug auf dem Weg von Moskau nach Sankt Petersburg. Wenige Minuten nach dem Start des Flugzeugs soll der Kontakt zu der Besatzung abgebrochen sein.

Sendungsbild | ARD-aktuell

War Wagner-Chef Prigoschin an Bord?

Rosawiazija, die russische Luftfahrtbehörde, bestätigte wenige Stunden nach dem Absturz offiziell, dass sich auch der Chef der Söldnergruppe Wagner an Bord der Maschine befunden habe. Auch dessen Stellvertreter und Mitbegründer der Wagner-Gruppe, Dmitri Utkin, habe zu den Passagieren gezählt.

Ein Sprecher der von Moskau eingesetzten Verwaltung in der ukrainischen Region Saporischschja, Wladimir Rogow, sagte, auch ihm sei von Wagner-Leuten versichert worden, dass Prigoschin und dessen enger Vertrauter Utkin an Bord gewesen seien, als die Maschine abstürzte.

Wer war noch mit an Bord?

Die „Nowaja Gaseta Europe“ veröffentlichte die Namen auf der Passagierliste. Demnach sollen auch Sergej Propustin, Jewgenij Makarjan und Alexander Totmin an Bord gewesen sein. Russischen Medienberichten zufolge soll es sich dabei um Wagner-Kämpfer handeln.

Auf der Liste steht auch Valerij Tschekalow, der nach Berichten russischer Portale der Wagner-Vizechef und enger Vertrauten Prigoschins sein soll. Nikolaj Matuseew, der Chef von Prigoschins Sicherheitsdienst, soll laut Medienberichten als Schütze in Syrien gewesen sein.

Für die Besatzung sollen Alexej Lewschin als Pilot, Rustam Karimow als Co-Pilot und Kristina Raspopowa als Flugbegleiterin mit an Bord gewesen sein.

Dieses vom russischen Untersuchungsausschuss aufgenommene und veröffentlichte Foto soll Retter bei der Arbeit am Ort eines Flugzeugabsturzes in der Nähe des Dorfes Kuzhenkino in der Region Twer zeigen.

24.08.2023

Ist Prigoschins Tod bestätigt?

Schnell war bekannt geworden, dass Prigoschins Name auf der Passagierliste für den Flug mit dem Privatjet stand. Als erstes hatte dann der der Wagner-Gruppe nahestehende Telegram-Kanal „Grey Zone“ verbreitet, Prigoschin sei bei dem Absturz gestorben. Auch der russische Zivilschutz teilte mit, alle zehn Insassen seien ums Leben gekommen.

Eine amtliche Bestätigung oder eindeutige Belege für den Tod des Chefs der Privatarmee Wagner und langjährigen Vertrauten von Kremlchef Wladimir Putin gibt es bislang allerdings nicht.

ARD-Korrespondentin Ina Ruck sagte im Gespräch mit den tagesthemen mit Blick auf die von Russland veröffentlichte Liste, man habe alle zehn Namen gesehen. „Das gilt vielen als Bestätigung, dass Prigoschin an Bord war. Aber eine wirkliche Bestätigung, dass er da ums Leben gekommen ist, haben wir nach wie vor nicht.“

Player: video„Es gibt noch keine wirkliche Bestätigung, dass Wagner-Chef Prigoschin ums Leben gekommen ist“, Ina Ruck, ARD Moskau, mit Hintergründen zum abgestürzten Flugzeug in Russland.
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„Es gibt noch keine wirkliche Bestätigung, dass Wagner-Chef Prigoschin ums Leben gekommen ist“, Ina Ruck, ARD Moskau, mit Hintergründen zum abgestürzten Flugzeug in Russland

tagesthemen, 23.08.2023 22:15 Uhr

Was ist über die Absturzursache bekannt?

Die Luftfahrtbehörde teilte mit, der Absturz in der Region Twer nördlich von Moskau werde untersucht. In der ländlichen Gegend gibt es keine Flugplätze, wo die Maschine hätte sicher landen können. Der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge befindet sich die Absturzstelle fast 300 Kilometer von der Hauptstadt entfernt.

Noch gibt es keine offizielle Erklärung, wie es zu dem Absturz kommen konnte. Der zur russischen Polizei gehörende Telegram-Kanal „Baza“ meldete unter Berufung auf die Internetseite flightradar24.com, dass das Flugzeug vor dem Absturz nicht in den Sinkflug übergegangen sei – es verschwand vom Radar, als es an Höhe gewann.

Videoaufnahmen zeigen, wie das von Rauch umhüllte Privatflugzeug kurz nach 18 Uhr Moskauer Zeit fast senkrecht zu Boden fällt. Außerdem gibt es ein Video, das die letzten Minuten zeigen soll. Experten analysierten das Video und kamen zu dem Ergebnis, dass es darin Aufnahmen gibt, die auf eine Explosion hinweisen. Dafür sprächen die Wrackteile und wie das Flugzeug heruntergekommen sei.

Könnte es kein Unfall gewesen sein?

Es soll eine Explosion an Bord gegeben haben, die Leichen seien sehr stark verbrannt, so ARD-Korrespondentin Ruck im Gespräch mit den tagesthemen. Es werde sicherlich noch dauern, bis es eine Identifizierung geben könne. Aus Kreisen der Wagner-Gruppe werde der Vorwurf erhoben, es habe sich um einen Anschlag gehandelt, „ausgeübt von Verrätern Russlands“.

„Grey Zone“ und einige Militärblogger verbreiteten die These, dass der Absturz kein Unfall gewesen sei. „Grey Zone“ sprach von einem Abschuss durch die russische Flugabwehr. Überprüfen lassen sich diese Behauptungen nicht.

Auch der kremltreue russische Fernsehsender Zargrad stellte den Verdacht eines Mordkomplotts gegen Prigoschin in den Raum. Er gab aber dem ukrainischen Militärgeheimdienst die Schuld am Absturz des Flugzeugs.

Wie hat Kiew reagiert?

ARD-Korrespondent Vassili Golod sagte, in Kiew sei die Nachricht über den Flugzeugabsturz mit Interesse, aber auch mit Zurückhaltung aufgenommen worden. Das liege vor allem daran, dass es noch immer viele ungeklärte Details und Fragezeichen gebe, aber auch daran, dass Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine immer wieder bewusst Lügen und Falschinformationen einsetzte und Nachrichten aus Moskau deshalb ganz grundsätzlich mit einer gehörigen Portion Skepsis aufgenommen werden.

Zuvor hatte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak auf der ehemals als Twitter bekannten Plattform X allerdings von einer „demonstrativen Beseitigung“ des Wagner-Kommandos gesprochen.

Auf den Tag des Absturzes ist es genau zwei Monate her, dass die Wagner-Truppen meuterten und auf Prigoschins Geheiß auf Moskau zu maschierten. Die Hintergründe dieser Ereignisse sind bis heute unklar. Für Russlands Präsidenten Putin, der keine öffentliche Infragestellung seiner Autorität duldet, war es eine beispiellose Erschütterung seiner Machtposition. Er nannte Prigoschin daraufhin einen Verräter. Und selbst wenn sich beide Männer später noch einmal trafen, gingen viele Experten davon aus, dass Putin seinem einstigen Intimus den Ungehorsam nicht verzeihen werde.