analyse – Blamage gegen Japan Hansi Flick bricht sein Versprechen

analyse – Blamage gegen Japan Hansi Flick bricht sein Versprechen

10. September 2023 Aus Von mvp-web

Stand: 10.09.2023 08:54 Uhr

Im September sollte alles besser werden. Das hatte Bundestrainer Hansi Flick versprochen. Aber beim Debakel gegen Japan zeigt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, dass sie neun Monate vor der EM in einem alarmierend schlechten Zustand ist.

Von Marcus Bark

Japans Trainer Hajime Moriyasu war höflich, als er sagte, dass Deutschland noch immer „zur Weltspitze zählt„. Ílkay Gündoğan war ehrlich, als er das Gegenteil behauptete. Der neue Kapitän der deutschen Nationalmannschaft sprach schonungslos an, dass die Entwicklung von „besorgniserregend“ in Richtung „dramatisch“ tendiert. Gewann Japan bei der WM 2022 in Katar noch glücklich mit 2:1 gegen die Auswahl des DFB, war der 4:1-Erfolg am Samstagabend (09.09.2023) in Wolfsburg „auch in der Höhe verdient„, wie Hansi Flick zugab.

DFB-Kapitän Ilkay Gündogan beugt sich enttäuscht vor nach der Niederlage gegen Japan

09.09.2023

Der Bundestrainer brach sein Versprechen auf die schlimmstmögliche Weise. Im September wird alles besser, hatte er nach den enttäuschenden Spielen im Juni gesagt. Aber es wurde noch schlechter. Japan, auch damit lag Gündoğan richtig, war „in allen Belangen besser„.

Japan überzeugte – ohne einen Spieler mit herausragenden Qualitäten in der Mannschaft zu haben – mit gutem Positionsspiel, flüssigen Kombinationen, Tempo, Passschärfe, Durchsetzungsvermögen in Zweikämpfen, Abläufen, die einstudiert wirkten.

Deutschland überzeugte bei manchen Angriffen nach Ballgewinnen im Mittelfeld, vor allem, wenn Leroy Sané eingebunden wurde, der beste Feldspieler.

Das Japan-Spiel verstärkt die Zweifel

Deutschland enttäuschte maßlos aus dem geordneten Aufbau von hinten heraus, weil Tempo, Dynamik und einstudierte Abläufe fehlten. Die Neuerung, dass Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger bei Ballbesitz ins zentrale Mittelfeld einrückt, um dort Überzahlsituationen herzustellen, konnte aus Zeitgründen noch nicht einstudiert sein.

Aber Lösungsansätze gegen defensiv eingestellte Gegner hätten trotzdem vorhanden sein müssen. Nachdem Japan jedoch zur zweiten Halbzeit auf ein defensiveres 5-4-1-System umgestellt hatte, war Deutschland besorgniserregend planlos und blieb nach der Pause ohne gute Torchance. Dabei waren Spieler wie eben Sané, Kai Havertz, Serge Gnabry, Florian Wirtz und Gündoğan auf dem Platz.

„Wir bereiten die Mannschaft immer gut vor“, sagte Flick später auf die Frage, warum er weiter als Bundestrainer geeignet sei. Zweifel daran nährte schon die Doku „All or Nothing„, die seit Freitag abzurufen ist. Flicks Ansprachen, die darin zu sehen sind, wirken sehr oberflächlich und gewöhnlich. Das Spiel gegen Japan verstärkte die Zweifel.

Völler rückt erstmals von Flick ab

Zu den fehlenden Lösungsansätzen kommt eine Defensive, die notorisch anfällig ist. Flick prangerte „individuelle Fehler“ an, von denen es reichlich gab, die aber als einzige Erklärung für die Flut an Gegentoren und weiteren großen Chancen für Japan auch zu dünn sind.

Im September 2023, in dem alles besser werden sollte, spricht nichts dafür, dass die deutsche Nationalmannschaft unter Hansi Flick wieder in die Spur findet. Sein Vorgesetzter Rudi Völler rückte in Wolfsburg erstmals leicht von ihm ab, indem er ein Bekenntnis vermied. Der Sportdirektor riet, „eine Nacht drüber zu schlafen„, bevor die Frage abschließend beantwortet werde, ob Flick auch am Dienstag (12.09.2023, 20.45 Uhr live im Ersten und im Stream bei sportschau.de) gegen Frankreich die Führung der Mannschaft verantworte.

Suche nach dem richtigen Weg

Der eigentliche Plan, ein personelles und taktisches Gerüst mit Blick auf die Europameisterschaft 2024 in Deutschland aufzubauen, kann so oder so kaum verfolgt werden. Auch wenn der Gedanke, bei einem einrückenden Außenverteidiger Kimmich einen weiteren gelernten Innenverteidiger in der hintersten Kette zu haben, Sinn ergibt, war die Personalauswahl mit Nico Schlotterbeck wieder mal ein Fehlgriff.

Dass Gnabry den Dortmunder allerdings auch kaum in der Defensive unterstützte, auch andere Offensivspieler nach Ballverlusten nur träge den Weg zurück suchten, passte ins Bild einer Mannschaft, die irrlichtert und verzweifelt nach jemandem sucht, der ihnen den Weg zeigt.