Verteidigungsminister Pistorius besucht Marinearsenal in Rostock
21. September 2023In Rostock-Warnemünde sollen künftig Konverterplattformen für den Ausbau von Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee gebaut werden. Dafür hat Verteidigungsminister Boris Pistorius heute eine Fläche des Marinearsenals zur zivilen Nutzung freigegeben.
Chefsache für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) – er ist am Vormittag persönlich nach Rostock gekommen, um zu verkünden, wogegen er sich lange wehrte: Eine zivile Industrieansiedlung auf dem Marinearsenal „Warnowwerft“. „Bis Ende Oktober werden letzte Feinheiten geregelt. Smulders und andere können zufrieden sein mit dem Ergebnis, haben Vorteile von der Verabredeung, die wir treffen werden“, sagte Pistorius. Er sprach von einer Win-Win-Situation für die zivilen Nutzer und die Bundeswehr. Das belgische Unternehmen Smulders hatte schon vor einem Jahr Interesse an dem Gelände angemeldet, um Konverterplattformen für Offshore-Windparks zu bauen. Immer wieder war die Rede von 500 neuen Jobs in Warnemünde und 500 weiteren in der Zulieferindustrie.
Plattformbau: Smulders und Neptun-Werft haben Interesse
Die Bundeswehr hatte das Gelände der früheren Warnow- und späteren MV-Werft vergangenen Sommer übernommen. Auf einer Teilfläche warten und reparieren rund 500 Mitarbeiter die Schiffe der Marine. Auf dem bislang ungenutzten südlichen Teil sollte ein NATO-Materiallager entstehen. Pistorius betonte, dass die Ansiedlung dieses „Deploy-Hubs“ von der heutigen Entscheidung unberührt bleibe.
Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung macht sich seit einem Jahr für eine Industrieansiedlung an dem Standort stark. Und auch das Bundeswirtschaftsministerium hat großes Interesse an Konverterplattformen aus deutscher Produktion. Von da heißt es, mindestens 20 werden zwischen 2030 bis 2045 allein für deutsche Windparks auf See benötigt. Der Maritime Koordinator des Bundes geht von 33 Plattformen von 2026 bis 2045 aus. Kostenpunkt: zwei bis zweieinhalb Milliarden Euro pro Stück. Entwicklungs- und Bauzeit jeweils: etwa vier Jahre. Europaweit sollen in den nächsten Jahren nach Expertenmeinung rund 140 Plattformen gebraucht werden. Wirtschaftsminister Habeck hatte bereits vor einer Woche in Rostock angekündigt, dass Konverterplattformen, künftig in Bremerhaven und in Rostock gebaut werden.
Industrieanlagen auf See
Abnehmer auf dem deutschen Markt wären die vier großen Netzbetreiber: Amprion, 50hertz, Tennet und Transnet BW. Sie benötigen die Konverterplattformen – oder genauer: Netzanbindungssysteme – als Bestandteil ihrer Windparks auf See. Sie bündeln den dort produzierten Strom und schicken ihn von dort per Kabel an Land. Bei großen Entfernungen zur Küste wird der Windstrom meistens von Wechsel- in Gleichstrom gewandelt – das macht ein Konverter.
Die sogenannten Plattformen sind Industrieanlagen auf einem Stahlgerüst im Meer. Das Fundament einer Plattform wird bis zu 60 Meter tief in den Boden gerammt. Das Gerüst ragt über 20 Meter aus dem Wasser. Darauf steht eine Halle, etwa 70 Meter lang, 35 Meter breit und 30 Meter hoch, mit der benötigten Technik um den Strom umzuwandeln und Richtung Land zu transportieren. Zudem gehört zu jeder Plattform ein Hubschrauberlandeplatz.
Offshore-Leistung soll bis 2030 vervierfacht werden
Aktuell gibt es rund 1.500 Windräder in Nord- und Ostsee. Der Bund hat Anfang des Jahres weitere Flächen ausgewiesen, um die derzeit installierte Offshore-Leistung von 8,1 Gigawatt bis 2030 auf 30 Gigawatt zu steigern – beinahe eine Vervierfachung. Ob Smulders noch immer in Rennen ist, die dafür benötigten Konverterplattformen zu bauen, ist unklar. Zuletzt hieß es aus informierten Kreisen, dass auch die Neptun-Werft Interesse am Bau der Plattformen haben könnte. Sie befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Marinearsenal.
Der Baustart könnte allerdings auf sich warten lassen: Die gesamte Fläche ist derzeit nicht schwerlasttauglich und auch die Kaikante muss komplett erneuert werden. Ebenfalls eine Hürde: der Lärmschutz. Hier müssen Gutachten noch zeigen, ob eine Produktion mit ihrem zusätzliche Lärmaufkommen, neben dem schon jetzt laufenden Betrieb der Neptun-Werft und dem Marinearsenal, überhaupt genehmigungsfähig ist. Die Frage, wann die Produktion in Warnemünde starten kann, wird auch der Verteidigungsminister bei seinem Besuch in Rostock nicht beantworten können. Es könnte wohl noch Jahre dauern.