Die abenteuerliche Geschichte der „Gorch Fock“ (I)
28. September 2023Ab Januar 1933 in Bau, läuft die „Gorch Fock“-Vorgängerin „Gorch Fock“ (I) am 3. Mai in Hamburg vom Stapel. Im April 1945 wird sie versenkt und zwei Jahre später wieder gehoben. Das Museumsschiff wird derzeit in Stralsund saniert.
Wer in Deutschland den Schiffsnamen „Gorch Fock“ hört, denkt meist an das bekannte Schulschiff der Bundesmarine, das 1958 gebaut wurde und seinen Heimathafen in Kiel hat. Was viele nicht wissen: Es gibt eine Vorgängerin mit bewegter Vergangenheit – die „Gorch Fock“ (I). Das Segelschiff wird 1933 im Auftrag der Reichsmarine bei Blohm + Voss in Hamburg in nur 100 Tagen gebaut. Am 3. Mai 1933 läuft die „Gorch Fock“ (I) vom Stapel und ist bis 1939 als Schulschiff im Einsatz. Während des Zweiten Weltkriegs dient sie an verschiedenen Standorten als Wohnschiff, zuletzt in Stralsund.
Versenkt, gehoben und zurück nach Stralsund
Als sich das Kriegsende abzeichnet, wird das Schiff abgetakelt und außer Dienst gestellt. Am Nachmittag des 30. April 1945 versenkt die eigene Besatzung die „Gorch Fock“ (I) im Strelasund, um sie nicht der näherrückenden Roten Armee zu überlassen. 1947 heben die Sowjets das Schiff im vierten Versuch und setzen es bis 1950 in Rostock und Wismar instand. Danach fährt es unter dem Namen „Towarischtsch“ als Ausbildungsschiff über die Weltmeere, kommt 1992 unter ukrainische Flagge, wird 1999 nach Wilhelmshaven geholt und dort zu einer der großen Attraktionen der „EXPO 2000 am Meer“. 2003 kauft der Verein Tall-Ship Friends e.V. das Schiff und überführt es nach Stralsund, wo es umfassend restauriert wird.
Die bewegte Geschichte der „Gorch Fock“ (I)
„Gorch Fock“-Sanierung verschlingt Millionen
Lange Zeit liegt die „Gorch Fock“ (I) als Museumsschiff im Stralsunder Hafen. Das nicht mehr seetüchtige Schiff muss allerdings erneut dringend saniert werden, an Rumpf und Takelage gibt es Sicherheitsmängel. Doch dem Verein fehlt dafür lange das Geld. Im September 2022 beschließt der Bund, 13,5 Millionen Euro aus dem Förderprogramm „KulturInvest“ zu Verfügung zu stellen – vorausgesetzt, die Stadt Stralsund übernimmt das Schiff. Doch die entscheidet sich zunächst dagegen.
Nach einem weiteren Abstimmung der Bürgerschaft steht seit Februar 2023 fest, dass die Stadt den Traditionssegler kaufen wird. Zahlen muss sie dafür erst einmal nichts – für Kauf und Sanierung sind derzeit 10,5 Millionen Euro eingeplant, von denen 9,5 Millionen von der EU, dem Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern kommen. Den Eigenanteil, den eigentlich Stralsund hätte beisteuern müssen, übernimmt nun der Eignerverein „Tall Ship Friends“.
Schwimmfähigkeit wird wieder hergestellt
Die Instandsetzung des Dreimasters erfolgt auf dem Gelände der ehemaligen Stralsunder Volkswerft. Am 6. Juni 2023 wird das Schiff vom Hafen in die Werft verholt. Den Zuschlag für die Sanierung hat die Stralsunder Tochter des norwegischen Schiffbauers Fosen Yard erhalten. Es gehe darum, die Schwimmfähigkeit für die kommenden 25 Jahre, die Sicherheit der Takelage und den Brandschutz sicherzustellen, sagte Peter Fürst, der das Projekt für die Stadt Stralsund betreut. Die Arbeiten sollen bis Ende 2023 abgeschlossen sein.
Langfristig soll die „Gorch Fock (I) laut Förderverein zu einem barrierefreien Museumsschiff umgebaut werden. Außerdem wünscht sich der Verein, dass das Schiff irgendwann auch wieder segelt. Dafür sind allerdings weitere Arbeiten notwendig, deren Finanzierung noch geklärt werden müsste.
„Gorch Fock“ (I) Teil einer Familie von sechs Schiffen
Die „Gorch Fock“ (I) gehört zu einer Familie von sechs Segelschulschiffen, die zwar nicht komplett baugleich sind, sich aber ähneln. Dazu zählt auch die „Gorch Fock II“. Die anderen vier Schiffe sind die „Eagle“ (ehemals „Horst Wessel“), die heute der US-Küstenwache gehört und neun Monate im Jahr in ihrem neuen Heimathafen New London (USA) liegt, die „Sagres“ (ehemals „Albert Leo Schlageter“), die seit 1961 als Segelschulschiff unter portugiesischer Flagge fährt, und die „Mircea“, ein rumänisches Segelschulschiff. Die „Herbert Norkus“ wurde nie fertig. Nach dem Krieg wurde sie von den Alliierten beschlagnahmt, 1947 mit Giftmunition beladen und im Skagerrak versenkt.
Gorch Fock hieß eigentlich Johann Kinau
Namensgeber der „Gorch Fock“ (I) und des gleichnamigen 1958 erbauten Schulschiffs war der Schriftsteller Gorch Fock, der eigentlich Johann Kinau hieß. Er wurde am 22. August 1880 in Hamburg-Finkenwerder geboren und schrieb Gedichte und Erzählungen in Hoch- und Niederdeutsch, sein 1912 erschienenes Werk „Seefahrt ist not“ wurde zu einem Klassiker der Seefahrtsliteratur. Kinau starb 1916 in der Schlacht am Skagerrak als Matrose auf dem untergehenden Kreuzer „SMS Wiesbaden“.