Rechnungshof: „Organisationsversagen“ in der Landesregierung MV
5. Oktober 2023Der Landesrechnungshof hat der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern erhebliche Versäumnisse bei der Onlineabwicklung von Bürgerleistungen vorgeworfen. Auch innerhalb der Landesverwaltung laufe die Digitalisierung schleppend.
Die Mängelliste im neuen Landesfinanzbericht ist lang und die Landesregierung kommt dabei eher schlecht weg. Den Landesrechnungshof von Mecklenburg-Vorpommern wurmt es, dass Bürger und Bürgerinnen Behördengänge kaum Online erledigen können. Nur fünf Prozent aller Verwaltungsleistungen könnten elektronisch erledigt werden. Das Land versage bei den gesetzlichen Vorgaben des Online-Zugangsgesetzes (OZG), das für Bürger Verwaltungsleistungen schneller und einfacher erledigen soll.
Versagen im Innenministerium
Rechnungshofpräsidentin Martina Johannsen erklärte, „am Geld hapert es nicht“. Das Land habe in den vergangenen Jahren Überschüsse erwirtschaftet. „Es hapert an der Umsetzung und das geht an manchen Stellen schon in Richtung Organisationsversagen“, sagte Johannsen dem NDR. Geld, das für die Digitalisierung bereitstehe, werde nicht abgerufen. Im Bericht werden handelnde Personen zwar nicht genannt. Dennoch gilt auch in der Prüfbehörde die Staatssekretärin im Innenministerium, Ina-Maria Ulbrich (SPD), als Hauptverantwortliche für die Digital-Misere. Die Juristin ist seit Jahren zuständig für die Digitalisierung im Land.
Teilweise fehlte Auswahlverfahren
Schon in der Vergangenheit sorgten immer wieder Berichte für Schlagzeilen, in denen es um die einseitige Vergabe von Spitzenposten an SPD-Mitglieder oder das Ausbooten missliebiger Kandidaten ging. Der Rechnungshof jedenfalls moniert bei der Besetzung „einen Anschein von Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Bewerber“. In jedem fünften Fall habe es offenbar überhaupt kein Auswahlverfahren gegeben, unterlegene Bewerber seien oft nur mündlich informiert worden. Eine weitere Feststellung: In 26 Fällen habe die Regierung gegen das Gleichstellungsgesetz verstoßen. So seien Gleichstellungsbeauftragte bei der Formulierung von Stellenausschreibungen nicht befragt worden.
Veralterte und überteuerte Software
Die Prüfer haben weitere Schwachpunkte ausgemacht: In der Staatskanzlei, dem Finanzministerium und dem ehemaligen Energieministerium sei mit „vITA 3.0“ eine veraltete Standardlösung für einen IT-Arbeitsplatz eingeführt worden – inklusive Rechner, Software, Bildschirm und Tastatur. Das Land habe da auf das landeseigene Datenverarbeitungszentrum (DVZ) gesetzt, ohne die Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Die Kosten von bis zu 1.700 Euro pro Jahr und IT-Arbeitsplatz seien zu hoch, am freien Markt seien die Leistungen preisgünstiger zu bekommen.
Kritik an landeseigenem IT-Zentrum
Der Prüfbericht bemängelt auch den Einsatz veralteter Betriebssysteme auf Rechnern der Landesverwaltung. In einzelnen Fällen werde mit Software gearbeitet, für die keine Sicherheitsupdates mehr angeboten würden. Heißt: in der Landesverwaltung sind Uralt-Rechner im Einsatz. Auch das DVZ bekommt bei der Prüfung schlechte Noten. Der zentrale IT-Dienstleister für die Landesverwaltung beschäftigt Software-Experten als Leiharbeiter „rechtswidrig und unwirtschaftlich“. Die IT-Leistungen, die das DVZ dem Land anbietet, seien oft zu teuer. Eine Wirtschaftlichkeit werde zu selten geprüft.
Zu viele Posten in der Verwaltung
Genauer hinschauen sollte die Landesregierung auch beim Personal. Dass in den Ministerien und Landesbehörden immer mehr Stellen geschaffen werden, geht den Prüfern zu weit. Mehr als 35.000 Posten sind vorgesehen – ein Plus von fast 3.000 gegenüber dem Jahr 2013. Mittlerweile werde fast jeder dritte Euro im Landeshaushalt für das eigene Personal ausgegeben. Das verenge die finanziellen Spielräume. „Eine große Verwaltung ist nicht automatisch eine gute Verwaltung“, so Johannsen. Das Land nutze auch beim Personaleinsatz nicht die Möglichkeiten der Digitalisierung.
Forderungen an Backhaus
Im gut 200-seitigen Bericht kommt auch Agrar- und Umweltminister Till Backhaus (SPD) schlechte Noten. Der von ihm propagierte Waldumbau von Nadelholz hin zu klimafesten Forst-Standorten komme kaum voran. Auch neuer Wald – sogenannte Erstaufforstungen – werde kaum geschaffen. Das muss in den Augen des Rechnungshofs mehr werden. Die obersten Finanzprüfer fragen auch nach Sinn und Zweck der Landesenergie- und Klimaschutzagentur (LEKA) in Neustrelitz. Die LEKA soll Kommunen, Unternehmen und Bürger in Fragen rund ums Energiesparen beraten. Die landeseigene GmbH beschäftige immer mehr Personal und bekomme immer mehr Geld, 2021 seien es bereits zwei Millionen Euro gewesen. Eine Erfolgskontrolle fehle, es sei nicht klar, ob die Fördermittel sinnvoll ausgegeben wurden.
Unkontrolliert Geld vom Landtag
Auch um Details kümmert sich der Rechnungshof: Er moniert, dass der Landtag die Anreise von Besuchergruppen einzelner Abgeordneter ungefragt bezahlt. Die Kontrolleure finden es nicht Ordnung, dass die Gruppen von privaten Busunternehmen in die Landeshauptstadt gefahren werden und dass Vergleichsangebote dabei nicht eingeholt werden. Gerade bei Gruppen aus der Nähe von Schwerin sollte eine Anreise mit Bahn oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln geprüft werden. Jeder der 79 Abgeordneten kann zwei Mal pro Jahr Besuchergruppen einladen. Die Kosten für Anreise, Verpflegung und Rundgang durch das Schlossmuseum übernimmt der Landtag.