Polens Energiewende-Turbo: Windparks in der Ostsee

Polens Energiewende-Turbo: Windparks in der Ostsee

5. Oktober 2023 Aus Von mvp-web
Stand: 04.10.2023 17:15 Uhr

Polen und Kohle – das passt zusammen. Zumindest bis jetzt. Denn unser Nachbarland baut massiv Windparks in der Ostsee. Die sollen der Turbo für die Energiewende in Polen sein.

von Marek Walde

Auf der Wegstrecke nach Stettin liegen an den Autobahnen A11 und A20 immer wieder Windparks und große Felder mit Solaranlagen. Auf der deutschen Seite der Pomerania-Region. Direkt hinter der Grenze liegt Stettin mit seinen 400.000 Einwohnern. Kaum ist man wieder aus der Stadt raus, stehen wieder Windräder und Solaranlagen an den Straßen. Auf der polnischen Seite der Pomerania-Region. Die Grenz-Woiwodschaft Westpommern ist Spitzenreiter bei der polnischen Energiewende. Dort werden aktuell nach Angaben der Behörden 1,8 Gigawatt Strom aus erneuerbaren Energien produziert. Zum Vergleich: Das stillgelegte Atomkraftwerk Emsland hat zuletzt 1,4 Gigawatt Strom produziert. Nach Angaben des Betreibers RWE entspricht dies einer Strommenge für 3,5 Millionen Haushalte.

Windparks und Solarnenergie sollen Energiewende bestreiten

Polen wirft den Turbo bei der Energiewende an. Das gilt insbesondere für den Bereich der Windparks auf der Ostsee. 2025 sollen die ersten Windparks Strom vom Meer ins Netz einspeisen. Diese werden eine Kapazität von knapp sechs Gigawatt haben. Einer der Parks wird zwischen Köslin und der dänischen Insel Bornholm entstehen. Die polnische Regierung hat das Ziel ausgegeben, die Anzahl der Offshore-Windparks bis 2040 so weit auszubauen, dass 11 Gigawatt Strom auf der Ostsee produziert werden.

Auch beim Thema Solarenergie holt Polen auf. In den letzten vier Jahren hat das Land seine Kapazität mehr als verfünffacht. Damit ist Polen in der EU das Land mit dem drittgrößten Wachstum beim Solarausbau. Zudem gibt es Förderprogramme von der polnischen Regierung, mit dem Ziel, dass sich mehr Privatpersonen Solaranlagen anschaffen.

Eine Region mit ungehobenen Energie-Schätzen

 

Mitglieder der Kooperationstage in Stettin.

Auf den Deutsch-Polnischen-Kooperationstagen in Stettin haben Vertreter aus Kommunalpolitik, Wirtschaft und Gesellschaft diskutiert, wie der gewonnene Strom bestmöglich genutzt werden kann. Konkret beschlossen wurde auf dem Treffen nichts, aber gemeinsame Absichten wurden deutlich. Das Ziel der Verantwortlichen in der Region ist es, möglichst viel Strom selbst zu nutzen. Bürgermeister Michael Galander aus Anklam sieht es als Standortvorteil an, viel günstigen Offshore-Strom in der eigenen Region zu produzieren: “Bei uns könnt ich sagen: Die Zuckerfabrik in Anklam braucht enorme Energie. Die Produktion könnte perspektivisch auf Wasserstoff umgestellt werden statt auf Gas. Und dann ist natürlich die Frage: Die tausend LKWs, die jetzt in der Kampagne zurzeit zur Fabrik rollen, können die nicht künftig auch an einer Wasserstofftankstelle in Anklam tanken?”

Nicht nur auf der deutschen Seite der Grenze gibt es das Problem, dass Windräder abgeschaltet werden müssen, weil es keine Kapazitäten im Stromnetz gibt. In den kommenden zehn Jahren soll auch in Polen eine neue Nord-Süd-Stromtrasse gebaut werden. Darüber hinaus wollen die Verantwortlichen die Windenergie auch in sogenannten “Grünen Wasserstoff” umwandeln. Dabei handelt es sich um ein Gas, das durch das elektrische Aufspalten von Wasser (H2O) in Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) entsteht. Dieses Gas kann Energie speichern, transportiert und so flexibel eingesetzt werden. Die polnische Regierung sieht beispielsweise Potentiale im Verkehrs- und Heizsektor.

Chance für engere Kooperation

In Polen wird bereits Wasserstoff produziert, insgesamt rund 14 Prozent der EU-Gesamtmenge. Vorwiegend mit Kohle-Strom. Dann wird von “Braunem Wasserstoff” gesprochen. Bis 2030 soll der polnische Wasserstoff laut der Wasserstoffstrategie der Regierung in Warschau aus erneuerbaren Energien und Erdgas hergestellt werden.

In dem gewonnenen Wasserstoff sehen auch die Verantwortlichen aus der Region Chancen. Die deutsche Firma Enertrag aus der Uckermark forscht aktuell mit der Technischen Universität in Stettin zur Nutzung des Wasserstoffes. Konkrete Anwendung könnten die Ergebnisse beispielsweise beim Betrieb von Zügen finden. Das Unternehmen verfolgt das Ziel, Diesel-Lokomotiven in Zukunft mit dem Wasserstoff zu betreiben. Auch die PCK-Raffinerie in Schwedt könnte mit Wasserstoff auf der Pomerania-Region beliefert werden.