Schwesig: Irreguläre Migration begrenzen
12. Oktober 2023Fehlende Ressourcen, ächzende Kommunen und wachsende Sorgen in der Bevölkerung – das Thema Migration ist allgegenwärtig. Am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz fordert MV-Landeschefin Manuela Schwesig (SPD) vom Bund einen klaren „Deutschlandplan“.
Schwesig erhofft sich von dem Gespräch der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) konkrete Maßnahmen. Das Hauptproblem zum derzeitigen Stand der Migration sieht sie in den „praktischen Kapazitätsgrenzen in den Städten und Gemeinden.“ Das erklärte Schwesig am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag in Frankfurt am Main gegenüber der ARD. Es werde schwierig, wenn man Flüchtlinge in Turnhallen unterbringen müsse oder in kleinen Dörfern Containerlösungen nötig seien. Schwesig glaubt, dass die Bevölkerung in großen Teilen „ja“ zur Aufnahme von Flüchtlingen sage, aber „nein“, wenn Kapazitäten überschritten würden. Auch das Problem der irregulären Zuwanderung müsse man dringend in den Griff kriegen.
Zahl der Asylsuchenden in Mecklenburg-Vorpommern steigt
Nach Angaben des Innenministeriums nimmt die Zahl der Asylsuchenden in Mecklenburg-Vorpommern seit dem vergangenem Jahr zu. Die Hauptherkunftsländer sind Syrien, Afghanistan, Türkei, Georgien und die Russische Föderation. Dazu kommen mehr als 24.000 ukrainische Kriegsvertriebene, die sich zum Stichtag am 1. Oktober in Mecklenburg-Vorpommern aufgehalten haben. Sie haben einen anderen Schutzstatus und sind nicht in den Asylstatistiken erfasst.Scholz: „Die Zahlen sind zu hoch“
Angesichts der aktuellen Debatten hat Scholz die Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) für Freitag zu einem Gespräch eingeladen. Seine Devise hat er im tagesthemen-Interview am Mittwochabend schon deutlich gemacht: „Wir müssen strikt sein, klar sein, aber ohne Schaum vor dem Mund.“ Scholz macht sich stark für eine stärke Begrenzung der Migration: „Die Zahlen sind zu hoch“. Nach Informationen von WDR und NDR scheint etwa das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angesichts der steigenden Zugangszahlen an seine Belastungsgrenze zu stoßen.
Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sind überfüllt
Die Entwicklung spürt auch das Land Mecklenburg-Vorpommern – etwa in seinen Erstaufnahmeeinrichtungen. Die beiden Standorte in Nostorf-Horst und Stern Buchholz haben laut Innenministerium eine Gesamtkapazität von 1.610 Plätzen. Um Konflikte zu vermeiden, gelten Einrichtungen wie diese in der Regel bei einer 75-prozentigen Belegung als voll ausgelastet. Die aktuellen Zahlen zeigen, diese Werte sind bereits deutlich überschritten. Laut einer Ministeriumssprecherin sind die Asylsuchenden an den Standorten bereits „verdichtet untergebracht“, teilweise wird auf Feldbetten in einer Turnhalle auf dem Gelände zurückgegriffen. Außerdem ist eine dritte Einrichtung in Parchim aktiviert worden.“Es gibt hier keine einfachen Lösungen“
Seit Monaten machen auch die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern darauf aufmerksam, dass sie an Kapazitätsgrenzen stoßen. Viele Vertreter aus ihren Reihen ärgern sich, dass es schon so lange dauere, bis tatsächlich konkrete Maßnahmen ergriffen würden, erklärte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages, Andreas Wellmann. Mit Blick auf die Beratungen zwischen Länderchefs und Kanzler in der dieser Woche sagt Wellmann: „Hier wäre ein Signal der gemeinsamen Verantwortung und Geschlossenheit wichtig.“ Er wünscht sich Entlastung und Unterstützung – und das obwohl die Kommunen im Land von einer Sonderstellung profitieren. Nur in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern übernimmt das Land die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten. Und dennoch sei die Belastung für die Kommunen im Land nicht zu unterschätzen, meint Wellmann. „Bei den Städten und Gemeinden und Landkreisen fallen vor allem noch die Kostenanteile für die Beschulung und die Kita-Betreuung sowie die Jugendhilfe der zugewanderten Kinder und Jugendlichen ins Gewicht.“
Soziale Infrastruktur an der Grenze
Die soziale Infrastruktur komme auch in Mecklenburg-Vorpommern an ihre Grenzen, so Wellmann weiter. Es brauche Geld, Fachkräfte und Gebäude. „Da mit diesen Entwicklungen nicht zu rechnen war, sind bei den Bedarfsplanungen auch keine entsprechenden Kapazitäten geschaffen worden. Hiermit dürfen die aufnehmenden Städte und Gemeinden und ihre Bürgerinnen und Bürger nicht alleine gelassen werden“, so Wellmann weiter.
Landrat Stefan Kerth sieht bei aller Skepsis weiterhin auch Offenheit
Stefan Kerth (SPD), der Landrat des Landkreises Vorpommern-Rügen, nahm bei NDR MV live zu dem Thema Stellung. Er äußerte Verständnis für die Skepsis vieler Menschen und findet es „kaum nachvollziehbar, wieso wir erst jetzt an den Kern der Thematik vordringen.“ Selbstkritisch merkte er mit dem Blick auf seine Partei an, dass „der Aufstieg der AfD auch ein Produkt der Ignoranz meines politischen Lagers ist.“ Positiv erwähnte Kerth, dass er im Umgang mit Flüchtlingen auch schon große Offenheit erlebt habe. „Ich lasse es mir nicht ausreden, dass wir eine Gesellschaft sind, die, bei aller Skepsis, auch offen bleibt.“ Im Hinblick auf die Integration Asylsuchender betonte er: „Wir müssen klare Signale aussenden, dass wir an die Menschen, die herkommen auch klare Erwartungen haben. Sie müssen sich an unsere Normen und Werte halten. Das hat auch etwas mit Respekt gegenüber uns zu tun.“
Landesflüchtlingsrat mahnt vor weiterem Auftrieb für rechte Diskurse
Ulrike Seemann-Katz vom Landesflüchtlingsrat ist sich sicher, die Debatte sei aktuell getrieben von den Wahlergebnissen in Bayern und Hessen. Sie meinte am Rande eines Treffens von ProAsyl und aller 16 Landesflüchtlingsräte in Schwerin: Viele der Vorschläge, die die Länderchefs bei ihrer Sitzung in Hessen thematisieren wollen, seien rechtlich nicht umzusetzen. „Je mehr man die Debatten auf diese Weise führt, desto höher sind die Ergebnisse bei der AfD oder anderen rechten Parteien in Europa.“ Seemann-Katz warnt außerdem vor Pauschalisierungen: „Natürlich gibt es einen belasteten Wohnungsmarkt, aber das ist der bisherigen falschen Wohnungspolitik und falschen Sozialpolitik geschuldet. Diese falsche Politik ist ein Fehler der Vergangenheit. Diesen jetzt den Geflüchteten in die Schuhe schieben zu wollen, das halte ich für falsch.“
Statt etwa Debatten über Bezahlkarten wünscht sich Seemann-Katz einen Austausch darüber, wie die geltenden Arbeitsverbote für Geflüchtete aufgehoben werden können. Sie wünscht sich mehr Integrationsmaßnahmen, mehr Stellen in den Ausländerbehörden und Verwaltungen der Kommunen und mehr Unterstützung für die Ehrenamtlichen. Dafür müsse, so Seemann-Katz, der Bund einige seiner Haushaltskürzungen zurücknehmen