Schwesig: Irreguläre Migration begrenzen

Schwesig: Irreguläre Migration begrenzen

12. Oktober 2023 Aus Von mvp-web
Stand: 12.10.2023 15:48 Uhr

Fehlende Ressourcen, ächzende Kommunen und wachsende Sorgen in der Bevölkerung – das Thema Migration ist allgegenwärtig. Am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz fordert MV-Landeschefin Manuela Schwesig (SPD) vom Bund einen klaren „Deutschlandplan“.

Schwesig erhofft sich von dem Gespräch der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) konkrete Maßnahmen. Das Hauptproblem zum derzeitigen Stand der Migration sieht sie in den „praktischen Kapazitätsgrenzen in den Städten und Gemeinden.“ Das erklärte Schwesig am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag in Frankfurt am Main gegenüber der ARD. Es werde schwierig, wenn man Flüchtlinge in Turnhallen unterbringen müsse oder in kleinen Dörfern Containerlösungen nötig seien. Schwesig glaubt, dass die Bevölkerung in großen Teilen „ja“ zur Aufnahme von Flüchtlingen sage, aber „nein“, wenn Kapazitäten überschritten würden. Auch das Problem der irregulären Zuwanderung müsse man dringend in den Griff kriegen.

Zahl der Asylsuchenden in Mecklenburg-Vorpommern steigt

Nach Angaben des Innenministeriums nimmt die Zahl der Asylsuchenden in Mecklenburg-Vorpommern seit dem vergangenem Jahr zu. Die Hauptherkunftsländer sind Syrien, Afghanistan, Türkei, Georgien und die Russische Föderation. Dazu kommen mehr als 24.000 ukrainische Kriegsvertriebene, die sich zum Stichtag am 1. Oktober in Mecklenburg-Vorpommern aufgehalten haben. Sie haben einen anderen Schutzstatus und sind nicht in den Asylstatistiken erfasst.Scholz: „Die Zahlen sind zu hoch“

Angesichts der aktuellen Debatten hat Scholz die Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) für Freitag zu einem Gespräch eingeladen. Seine Devise hat er im tagesthemen-Interview am Mittwochabend schon deutlich gemacht: „Wir müssen strikt sein, klar sein, aber ohne Schaum vor dem Mund.“ Scholz macht sich stark für eine stärke Begrenzung der Migration: „Die Zahlen sind zu hoch“. Nach Informationen von WDR und NDR scheint etwa das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angesichts der steigenden Zugangszahlen an seine Belastungsgrenze zu stoßen.

Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes sind überfüllt

Die Entwicklung spürt auch das Land Mecklenburg-Vorpommern – etwa in seinen Erstaufnahmeeinrichtungen. Die beiden Standorte in Nostorf-Horst und Stern Buchholz haben laut Innenministerium eine Gesamtkapazität von 1.610 Plätzen. Um Konflikte zu vermeiden, gelten Einrichtungen wie diese in der Regel bei einer 75-prozentigen Belegung als voll ausgelastet. Die aktuellen Zahlen zeigen, diese Werte sind bereits deutlich überschritten. Laut einer Ministeriumssprecherin sind die Asylsuchenden an den Standorten bereits „verdichtet untergebracht“, teilweise wird auf Feldbetten in einer Turnhalle auf dem Gelände zurückgegriffen. Außerdem ist eine dritte Einrichtung in Parchim aktiviert worden.“Es gibt hier keine einfachen Lösungen“

Seit Monaten machen auch die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern darauf aufmerksam, dass sie an Kapazitätsgrenzen stoßen. Viele Vertreter aus ihren Reihen ärgern sich, dass es schon so lange dauere, bis tatsächlich konkrete Maßnahmen ergriffen würden, erklärte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages, Andreas Wellmann. Mit Blick auf die Beratungen zwischen Länderchefs und Kanzler in der dieser Woche sagt Wellmann: „Hier wäre ein Signal der gemeinsamen Verantwortung und Geschlossenheit wichtig.“ Er wünscht sich Entlastung und Unterstützung – und das obwohl die Kommunen im Land von einer Sonderstellung profitieren. Nur in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern übernimmt das Land die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten. Und dennoch sei die Belastung für die Kommunen im Land nicht zu unterschätzen, meint Wellmann. „Bei den Städten und Gemeinden und Landkreisen fallen vor allem noch die Kostenanteile für die Beschulung und die Kita-Betreuung sowie die Jugendhilfe der zugewanderten Kinder und Jugendlichen ins Gewicht.“

Soziale Infrastruktur an der Grenze

Die soziale Infrastruktur komme auch in Mecklenburg-Vorpommern an ihre Grenzen, so Wellmann weiter. Es brauche Geld, Fachkräfte und Gebäude. „Da mit diesen Entwicklungen nicht zu rechnen war, sind bei den Bedarfsplanungen auch keine entsprechenden Kapazitäten geschaffen worden. Hiermit dürfen die aufnehmenden Städte und Gemeinden und ihre Bürgerinnen und Bürger nicht alleine gelassen werden“, so Wellmann weiter.

Landrat Stefan Kerth sieht bei aller Skepsis weiterhin auch Offenheit

Stefan Kerth (SPD), der Landrat des Landkreises Vorpommern-Rügen, nahm bei NDR MV live zu dem Thema Stellung. Er äußerte Verständnis für die Skepsis vieler Menschen und findet es „kaum nachvollziehbar, wieso wir erst jetzt an den Kern der Thematik vordringen.“ Selbstkritisch merkte er mit dem Blick auf seine Partei an, dass „der Aufstieg der AfD auch ein Produkt der Ignoranz meines politischen Lagers ist.“ Positiv erwähnte Kerth, dass er im Umgang mit Flüchtlingen auch schon große Offenheit erlebt habe. „Ich lasse es mir nicht ausreden, dass wir eine Gesellschaft sind, die, bei aller Skepsis, auch offen bleibt.“ Im Hinblick auf die Integration Asylsuchender betonte er: „Wir müssen klare Signale aussenden, dass wir an die Menschen, die herkommen auch klare Erwartungen haben. Sie müssen sich an unsere Normen und Werte halten. Das hat auch etwas mit Respekt gegenüber uns zu tun.“

Landesflüchtlingsrat mahnt vor weiterem Auftrieb für rechte Diskurse

Ulrike Seemann-Katz vom Landesflüchtlingsrat ist sich sicher, die Debatte sei aktuell getrieben von den Wahlergebnissen in Bayern und Hessen. Sie meinte am Rande eines Treffens von ProAsyl und aller 16 Landesflüchtlingsräte in Schwerin: Viele der Vorschläge, die die Länderchefs bei ihrer Sitzung in Hessen thematisieren wollen, seien rechtlich nicht umzusetzen. „Je mehr man die Debatten auf diese Weise führt, desto höher sind die Ergebnisse bei der AfD oder anderen rechten Parteien in Europa.“ Seemann-Katz warnt außerdem vor Pauschalisierungen: „Natürlich gibt es einen belasteten Wohnungsmarkt, aber das ist der bisherigen falschen Wohnungspolitik und falschen Sozialpolitik geschuldet. Diese falsche Politik ist ein Fehler der Vergangenheit. Diesen jetzt den Geflüchteten in die Schuhe schieben zu wollen, das halte ich für falsch.“

Statt etwa Debatten über Bezahlkarten wünscht sich Seemann-Katz einen Austausch darüber, wie die geltenden Arbeitsverbote für Geflüchtete aufgehoben werden können. Sie wünscht sich mehr Integrationsmaßnahmen, mehr Stellen in den Ausländerbehörden und Verwaltungen der Kommunen und mehr Unterstützung für die Ehrenamtlichen. Dafür müsse, so Seemann-Katz, der Bund einige seiner Haushaltskürzungen zurücknehmen

Wie viele Menschen kommen aktuell nach Deutschland?

Zwischen Januar und September 2023 stellten hierzulande laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 251.213 Menschen einen Antrag auf Asyl, die meisten aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. Blickt man nur auf den Norden, wurden in Niedersachsen die meisten Asylanträge gestellt (22.800), gefolgt von Schleswig-Holstein (8.070), Hamburg (6.037) und Mecklenburg-Vorpommern (4.173).
Anders sieht es für Menschen aus der Ukraine aus: Sie müssen aufgrund des Kriegs in ihrem Land keine Anträge auf Asyl stellen und sind daher in der Asyl-Statistik nicht enthalten. Ende August 2023 hielten sich in Deutschland nach Eurostat-Angaben 1,175 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf.

Die Begriffe „Flüchtlinge“, „Asylsuchende“ und „Geflüchtete“ sind keine Synonyme. Wieso nicht?

Asylsuchende (Asylbewerber, Schutzsuchende) sind Ausländer, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben, der noch in Bearbeitung ist. Sie leben meist in Erstaufnahme-Unterkünften. Flüchtling ist ein juristischer Begriff, der umgangssprachlich oft verallgemeinernd verwendet wird. Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention sind Ausländer, deren Asylantrag positiv beschieden wurde. Sie bekamen Flüchtlingsschutz, weil sie in der Heimat verfolgt werden. Geflüchtete und Flüchtende sind keine juristischen Begriffe. Sie werden aber benutzt, wenn es um Menschen geht, die geflohen sind und noch nicht anerkannt sind. Sprachlich ist der Begriff „Flüchtling“ umstritten. So sind Worte mit dem Ableitungssuffix „-ling“ im Deutschen verkleinernd und teils negativ konnotiert (bspw. Eindringling, Schönling, Schädling etc.).

Wie viele Geflüchtete dürfen bleiben?

Zwischen Januar und September 2023 hat das BAMF über 195.772 Asylanträge entschieden. 101.715 Personen wurde Schutz zugesprochen, was einer Gesamtschutzquote von 52 Prozent entspricht.
Aussagekräftiger ist allerdings die bereinigte Schutzquote. Denn viele Anträge werden ohne inhaltliche Prüfung entschieden. Das ist etwa der Fall, wenn ein Asylantrag zurückgezogen wurde oder ein anderes EU-Land zuständig ist. Zieht man von den bearbeiteten Fällen die „formellen Entscheidungen“ ab, kommt man für die Zeit zwischen Januar und September auf eine bereinigte Schutzquote von 70 Prozent.

Was ist das Recht auf Asyl?

Als Asylrecht wird in Deutschland einerseits das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte bezeichnet. Aber auch alle anderen nationalen und internationalen Schutzrechte für bedrohte Menschen – also etwa das Flüchtlingsrecht und der sogenannte subsidiäre Schutz – gehören dazu. Ein Recht auf Asyl haben demnach Menschen, die im Falle der Rückkehr in ihr Herkunftsland einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung ausgesetzt sein werden. Beispielsweise aufgrund ihrer politischen Überzeugung, ihrer Religion oder wegen ihrer sexuellen Orientierung.

Welche rechtliche Grundlage steckt dahinter?

Insbesondere angesichts der Vertreibung, Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden durch die Nationalsozialisten wurde klar, dass es einen allgemeinen und international gültigen Schutzstatus für Menschen auf der Flucht geben muss. Daher gilt in Deutschland seit der Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 bildet die Grundlage des internationalen Flüchtlingsrechts. Innerhalb der EU legt das Europäische Asylsystem (GEAS) die Mindeststandards für die Durchführung von Asylverfahren und die Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden fest.

Wie läuft das Asylverfahren ab?

  1. Antragsstellung und Einreichen erforderlicher Nachweise
  2. Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen
  3. Prüfung des Antrags (kann mehrere Monate in Anspruch nehmen)
  4. Entscheidung des BAMF: Bewilligung oder Ablehnung des Asylantrages
  5. Widerspruchsmöglichkeit innerhalb der gesetzlichen Frist
  6. Bei Bewilligung werden Flüchtlinge aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Unterkünften verteilt

 

Welche Leistungen erhalten Asylbewerber?

Asyslbewerber erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In der Erstaufnahme bekommen sie ein Taschengeld von 182 Euro für den persönlichen Bedarf und ein Bett und Mahlzeiten gestellt. Da sie nicht krankenversichert sind, werden sie dort medizinisch versorgt – allerdings nur bei Schwangerschaft oder aktuen Schmerzen. Leben sie in einer weiterführenden Unterkunft, in der sie sich selbst versorgen müssen, erhalten Alleinstehende 410 Euro, also etwa 40 Euro weniger als Bürgergeld-Bezieher. In einigen Bundesländern erhalten sie dann eine Krankenkarte, in anderen müssen sie sich für jede Behandlung eine Erlaubnis holen. Zahnärzte dürfen nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzen behandeln.