Mindestlohn-Debatte in der SPD nimmt weiter Fahrt auf

Mindestlohn-Debatte in der SPD nimmt weiter Fahrt auf

18. Oktober 2023 Aus Von mvp-web
Stand: 18.10.2023 04:49 Uhr

In der Landes-SPD hält die Debatte über einen höheren Mindestlohn von 15 Euro an. Der Neustrelitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Arlt unterstützt einen entsprechenden Vorstoß von Mitgliedern der SPD-Spitze.

“Es ist eine wichtige Diskussion, die wir führen müssen”, sagte der Wirtschafts- und Verteidigungspolitiker Arlt im Gespräch mit NDR 1 Radio MV. Für viele Regionen in Deutschland sei der Mindestlohn allerdings kein Thema, weil dort gut verdient werde. Aber allein in seinem Wahlkreis in der Mecklenburgische Seenplatte würden 55.000 Menschen Mindestlohn beziehen. Und der müsse von aktuell 12 Euro auf 15 Euro steigen. Es gehe darum, dass Menschen mit Mindestlohn später auch eine alterssichernde Rente bekommen. Arlt meinte an die Adresse der Kritiker, er habe selbst ein Unternehmen geleitet und er wisse, dass das Geld erst einmal verdient werde müsse.

Breite Mehrheit für mehr Mindestlohn

Deshalb könne ein höherer Mindestlohn auch “nicht von heute auf morgen” umgesetzt werden. Arlt nannte einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren. Der Vize-Landeschef der SPD, Arlts Bundestagskollege Erik von Malottki, hat es eiliger. Er will eine “schnelle” Anhebung auf 15 Euro. Auch der Landesvorsitzende der Jusos, Marvin Müller, hatte sich für einen Mindestlohn von 15 Euro ausgesprochen. Die aktuelle Inflation verschlechtere die Lage für viele Arbeitnehmer, heißt es in einer Beschlussvorlage, die jüngst den Landesvorstand beschäftigte.

Mehr Mindestlohn: Die Planspiele in der Landes-SPD

Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern diskutiert über eine deutliche Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro.

Mehr Mindestlohn: Die Planspiele in der Landes-SPD

Stand: 11.10.2023 19:40 Uhr

Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern diskutiert über eine deutliche Anhebung des Mindestlohns. Die Parteilinke und die Jusos machen sich für eine Anhebung auf 15 Euro stark.

Einen deutlichen Nachschlag soll es geben: Wortführer in der Mindestlohn-Debatte ist der Vize-Landesvorsitzende und Greifswalder Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki. “Ich persönlich plädiere für eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro”, sagte von Malottki im Gespräch mit dem NDR. Die Forderung hat am vergangenen Freitag auch den SPD-Landesvorstand in einer Videoschalte beschäftigt.

Schlechte Lage für Arbeitnehmer

Das Führungsgremium befasste sich mit einem Antrags-Entwurf für den SPD-Bundesparteitag im Dezember. Darin heißt es, die Inflation verschlechtere die Lage der Arbeitnehmer immer mehr. Deshalb müsse der Mindestlohn schnell von 12 auf 15 Euro angehoben werden. Das wäre eine Zuschlag um 25 Prozent. Die SPD überholt mit der Forderung die Linke, die 14 Euro Mindestlohn will. In dem SPD-Antrag heißt es, es gehe um “Respekt und Wertschätzung”, vor allem, weil gerade in Ostdeutschland immer weniger Beschäftigte von Tariflöhnen profitierten.

Widersprüchliche Aussagen über Antrag

Während Teilnehmer dem NDR unabhängig voneinander berichteten, der Antrag sei beschlossen worden, widerspricht ein weiterer Vize-Landesvorsitzender, Innenminister Christian Pegel. Der Antrag sei zurückgezogen worden, sagte Pegel. Er leitete die Sitzung in Vertretung der Landesvorsitzenden, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Eine entsprechende Forderung für einen höheren Mindestlohn werde von anderen Landesverbänden und Arbeitsgemeinschaften erhoben, deshalb sei ein Vorstoß aus Mecklenburg-Vorpommern nicht nötig, meinte Pegel. Auch der Vertraute von Schwesig, SPD-Landesgeneralsekretär Julian Barlen, widersprach vehement. NDR-Berichte dazu nannte er ungewöhnlich scharf “Falschmeldungen”.

Keine Stellungnahme von Schwesig

Eine inhaltliche Stellungnahme zu einem höheren Mindestlohn blieb zunächst aus, Schwesig wollte sich dazu nicht äußern. Generalsekretär Barlen verwies darauf, dass die rot-rote Landesregierung aktuell an einem neuen Tariftreue-Gesetz arbeite. Öffentliche Aufträge sollen danach nur an Firmen gehen, die ihre Beschäftigten nach Tariflöhnen oder tarifähnlichen Regelungen bezahlen. “Das ist unsere Priorität”, so Barlen. Der Mindestlohn sei eine Lohngrenze nach unten. “An Forderungen nach einzelnen konkreten Werten beteilige ich mich nicht”, erklärte der Sozialdemokrat, der auch Fraktionschef im Landtag ist.

Keine Entscheidung gegen Willen der Gewerkschaften

Diese Forderungen kommen dagegen von den Jusos. Ihr Landesvorsitzender Marvin Müller, der auch im Landesvorstand Sitz und Stimme hat, spricht sich ebenfalls für einen Mindestlohn in Höhe von 15 Euro aus. Auch sein Vorstandskollege von Malottki hält den Druck aufrecht. Als stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeit werde er einen entsprechenden Antrag beim Bundesparteitag einbringen. Danach soll auch die Mindestlohn-Kommission, die die Höhe des Mindestlohns festgelegt, reformiert werden. Künftig sollen Entscheidungen gegen den Willen der Gewerkschaften nicht mehr möglich sein. Die Arbeitnehmervertreter hatten die zuletzt beschlossene Anhebung des Mindestlohns auf 12,41 Euro zum 1. Januar 2024 als zu gering abgelehnt.

Ablehnung aus der Wirtschaft

Bei der Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern kommen die Mindestlohn-Planspiele der regierenden SPD alles andere als gut an. Die Vereinigung der Unternehmensverbände (VUMV) warnt vor einer Einmischung in die Tarifautonomie. Wenn die SPD Zeitung lesen würde, dann wüsste sie, dass Unternehmen Entlastung und nicht Belastung brauchten, so Geschäftsführer Sven Müller. Deutliche Kritik kam auch von der CDU-Fraktion. Angesichts sinkender Umfragewerte wisse sich Schwesigs SPD offenbar nur noch “mit wirtschaftsfeindlichem Populismus zu helfen”, so ihr Abgeordneter Wolfgang Waldmüller.

Zustimmung der Linken

Unternehmen würden höhere Löhne als Mehrkosten auf ihre Kunden umlegen. Mit einer Anhebung des Mindestlohns um 25 Prozent würden Produkte und Dienstleistungen deutlich teurer und Jobs gingen verloren, so Waldmüller. Ähnlich äußerte sich die AfD-Fraktion. Das einzige, was die SPD könne, sei umverteilen und mit noch mehr Geld die Bürger milde stimmen. Beifall zollte dagegen der Koalitionspartner. Die Linksfraktion meinte, steigende Löhne seien dringend nötig. Es sei gut, so der Parlamentarische Geschäftsführer Torsten Koplin, dass sich die SPD der Linken-Forderung nach einem höheren Mindestlohn anschließe.

Parteiführung mit anderen Prioritäten

Die Diskussion kommt für die Parteiführung offenbar zur Unzeit. SPD-Landesgeneralsekretär Julian Barlen wollte sich an der Debatte nicht beteiligen und ließ durchblicken, worauf es stattdessen ankomme: Auf das neue Tariftreue-Gesetz. Öffentliche Aufträge sollen danach nur an Firmen gehen, die ihre Beschäftigten nach Tariflöhnen oder tarifähnlichen Regelungen bezahlen. “Das ist unsere Priorität”, markierte Barlen den Kurs, der eingeschlagen werden sollte. Das Gesetz gilt als eines der zentralen Projekte der rot-roten Koalition.

Schwesig hält sich bedeckt

Die SPD-Landesvorsitzende, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, vermied bisher jede Stellungnahme zu der Mindestlohn-Debatte in ihrem Landesverband, die nicht nur vom Bundestagsabgeordneten Arlt als “wichtig” bezeichnet wird. Schwesig fehlte bei der Sitzung des Landesvorstands, in der der entsprechende Vorstoß für den SPD-Bundesparteitag im Dezember Thema war. Auf Nachfragen sagte sie, Einzelheiten könnten von den Teilnehmern beantwortet werden. Die CDU-Opposition quittierte das mit der Bemerkung, dass sich die Ministerpräsidentin wohl nicht mehr für ihre Partei interessiere.

Ablehnung aus der Wirtschaft

Auf große Aufmerksamkeit stößt die Lohn-Debatte der SPD dagegen bei der Wirtschaft. Die ist alarmiert. Mehrere Verbände haben die Planspiele der Sozialdemokraten schon abgelehnt. Auch die beiden Handwerkskammern warnen jetzt vor einer Anhebung um 25 Prozent. Ein Mindestlohn von 15 Euro sei “absoluter Wahnsinn”, so der Schweriner Handwerkskammer-Präsident Lange, der würde vielen Betrieben “tatsächlich das Genick brechen”. Denn in der Folge müsse das gesamte Lohngefüge nach oben angepasst werden, auch um Abstände zu wahren. Das verteuere Waren und Dienstleistungen – am Ende müsse der Kunde draufzahlen. “Aus unserer Sicht sind die 15 Euro ein absolutes No-Go”, so Lange.